Prominente Redner der DUIHK-Vortragsveranstaltung unter dem Titel „Herausforderungen für Europas Rolle in der Welt“ vom vergangenen Dienstag waren Elmar Brok, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten sowie Zsolt Németh, Mitglied des Ungarischen Parlaments und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Beide gingen in ihren Vorträgen kurz die wichtigen außenpolitischen Problemzonen durch. Es ging unter anderem um die Ukraine, den Westbalkan und das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP. Den größten Raum nahm in den beiden Referaten erwartungsgemäß die Flüchtlingskrise ein.
„Die europäische Einheit ist in keinem gutem Zustand“, so Németh mit Blick auf das bisherige Agieren der EU in der Flüchtlingskrise. Bezüglich der strittigen Punkte komme es darauf an, einen von gegenseitigem Verständnis geprägten Dialog zu führen und so letztlich zu einer Konsenslösung zu kommen. Würden gewisse Fragen lediglich durch die Stärke einiger Mitgliedsländer entschieden, würde das schlussendlich zum Zerfall der EU führen. Damit spielt Németh auf das insbesondere von Deutschland forcierte Durchdrücken der von den Ost-EU-Ländern abgelehnten Verteilung der Flüchtlinge nach einer festen Quote an.
Zur gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung äußerte sich auch Brok, allerdings vertrat er dabei genau den gegenteiligen Standpunkt. So redete er dem Prinzip von Mehrheitsentscheidungen das Wort. „Überall, wo etwas erreicht werden soll, brauchen wir Mehrheitsentscheidungen“, so Brok nachdrücklich. Alles andere führe nur zu Blockaden und zu Erpressungen. Diese Ansicht untermauerte er mit Beispielen aus der Geschichte der EU. Außerdem plädierte er auch mit moralischen Gründen für die uneingeschränkte Durchsetzung der Quotenlösung und damit für eine Entlastung von Deutschland in der Flüchtlingskrise.
So erinnerte er daran, wie sehr sich Deutschland bisher im Rahmen der Euro-Krise für Griechenland eingesetzt habe. Allein Deutschland habe sich mit 350 Milliarden Euro an der Rettung von Griechenland vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch eingesetzt. „Deutschland hat hier Solidarität gezeigt, jetzt bittet Deutschland um Solidarität.“ Auch in einem anderen Kontext versuchte er den deutschen Quotenvorschlag moralisch zu untermauern. Namentlich im Zusammenhang mit dem Schutz der osteuropäischen NATO-Länder vor Russland. Sich der Aufnahme von Flüchtlingen zu verweigern, aber geschützt werden wollen, sei für ihn nicht akzeptabel. Solidarität sei eine „Zweibahnstraße“.
Im Gegensatz zu Brok, der immer wieder die Meinung vertrat, dass es diverse Probleme heute nicht gäbe, wenn sich einzelne Mitgliedsstaaten gegenüber der EU-Entscheidungsfindung nicht immer wieder quergestellt hätten, würdigte Németh wiederholt die Rolle der nationalen Regierungen bei der europäischen Entscheidungsfindung. Es sei wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass die EU aus verschiedenen Nationalstaaten bestehe. „Aus der EU wird nie eine europäische Version der USA werden.“ Auch in der Flüchtlingskrise müsse das Recht einer jeder Nation zu freier Entscheidungsfindung erhalten bleiben, die sich an den nationalen Interessen orientiere.
Letztlich unterstellte er Deutschland jedoch genau dies, indem er die Meinung vertrat, dass es Deutschland bei seinem bisherigem Agieren in der Flüchtlingskrise weder um das Abtragen einer historischen Schuld noch um Humanismus gegangen sei, sondern es durchaus eine „gewisse wirtschaftliche Determinierung“ gebe. Wörtlich sprach er an dieser Stelle das Thema „billige Arbeitskräfte“ an.