
MOL Norge-Geschäftsführer Lars Thorrud: „Bei der Vergabe von Erkundungs- und später Förderlizenzen gibt es keinerlei Diskriminierung hinsichtlich der nationalen Herkunft der Bieterfirma.“ (BZT-Fotos: Jan Mainka)
Die MOL Group ist nicht nur als Verarbeiter und Verkäufer von Erdöl und Erdgas sowie entsprechenden Produkten aktiv, Ungarns größter Multi mischt auch bei der Öl- und Gasförderung immer stärker mit. Die jüngste Akquisition auf diesem Gebiet ist eine norwegische Firma, die sich auf die Suche nach Erdöl und Erdgas vor den Küsten des skandinavischen Landes konzentriert hat. Im Juli wurde die vollständige Übernahme der Ithaca Petroleum Norge durch die MOL Group abgeschlossen.
Bisher gehörte die in den 90er Jahren gegründete Firma zur britischen Ithaca Energy Inc. Als diese ihre norwegische Beteiligung aus strategischen Gründen verkaufen musste, tauchte die ungarische MOL Group in diesem Frühjahr als potenzieller Käufer auf und konnte sich wenig später mit ihrem Angebot gegenüber anderen Bietern durchsetzen. Nun arbeiten die 20 Geologen unter der Leitung von Geschäftsführer Lars Thorrud für die MOL Group, der Name der norwegischen Firma wurde in Mol Norge geändert. Deutlich sichtbar prangt das Logo des neuen Eigentümers am Eingang zum Großraumbüro in einem modernen Osloer Bürohaus.
Unterstützung durch ungarische Geologen
Im Büro selber ist von dem neuen Eigentümer noch nicht viel zu spüren, weder optisch noch anderweitig. Bisher sind hier ausschließlich Norweger beschäftigt. Schon bald soll das Team von Thorrud jedoch um vier ungarische Geologen erweitert werden, was von Seiten der MOL Group mit einer wünschenswerten engeren Anbindung an die Mutterfirma begründet wird. Auf die Frage, inwieweit ungarische Geologen mit ihrem Know-how bei der Suche nach Öl vor der Küste Norwegens helfen können, erklärt Thorrud, dass die Entstehung von öltragenden Gesteinsschichten weltweit ähnlich verlaufen sei und sich die Ölsuche daher überall anhand ähnlicher Parameter und Gesichtspunkte abspiele. „Dabei ist es unerheblich, ob die öltragenden Gesteinsschichten nun frei liegen oder vom Wasser bedeckt sind.“ Zu Studienzwecken würden die Geologen daher regelmäßig in trocken liegende Ölgebiete etwa in den USA reisen, um mittels der dortigen Eindrücke die Gegebenheiten des norwegischen Festlandssockels besser zu verstehen. Insofern sei auch das „Festland-Wissen“ der zukünftigen ungarischen Kollegen sehr geschätzt.
Der Wissenstransfer soll aber keine Einbahnstraße sein. So erklärt Dominic Köfner, der bei der MOL Group die Kommunikation leitet, dass es bei der Übernahme der norwegischen Firma nicht nur um die nun mögliche Entdeckung und spätere Förderung von norwegischem Öl gegangen sei, sondern auch um den Erwerb von weltweit einsetzbarem Know-how, „ob nun in der Nordsee oder in anderen Regionen der Welt“. Damit deutet der Experte an, dass die MOL Group über die vorhandenen Förderstandorte hinaus durchaus noch über Aktivitäten in gänzlich neuen Gegenden nachdenkt. Hinsichtlich entsprechender weiterer Akquisitionen werde man aber nichts überstürzen, zumal weltweit trotz deutlich gesunkener Ölpreise die Preise für Firmen im Förderbereich noch nicht auf ein ausreichend attraktives Niveau gesunken seien. „Hier muss sich preislich noch etwas tun“, meint Köfner. Schon jetzt prüfe man aber etwaige Möglichkeiten sehr genau. Für den Fall, dass die MOL Group auf eine lukrative Möglichkeit stoße, um ihre Aktivitäten im sogenannten Upstream-Bereich weiter auszubauen, sei das notwendige finanzielle Polster jedoch auf jeden Fall vorhanden.
Risiko-Kompensierung
Im Moment ist die MOL Group bezüglich der Erkundung und Förderung von Erdgas oder Erdöl in 14 Ländern aktiv: in Mittelosteuropa, in Nordeuropa, in einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion sowie im Nahen und Mittleren Osten. Während es in einigen Ländern sehr gut – „Pakistan ist eine große Erfolgsstory der MOL“ – oder zumindest weiterhin solide läuft, haben sich in letzter Zeit die Risiken in einigen Ländern deutlich erhöht. So war man bereits gezwungen, sich aus Syrien zurückzuziehen, wo die MOL Group über die kroatische Tochter INA aktiv war. Das Engagement im kurdischen Erbil wurde wiederum wegen „erhöhter Sicherheitsrisiken“ und „ungelöster finanzieller Risiken mit der kurdischen Verwaltung“ zurückgefahren. „Wir haben aber nicht vor, unsere dortigen Aktivitäten komplett aufzugeben und die Region Kurdistan zu verlassen“, stellt Köfner wiederum klar.
Auf jeden Fall setze man darauf, durch ein stärkeres Engagement in politisch sicheren Regionen gewachsene Risiken an einzelnen MOL-Standorten zu kompensieren. In diesen Kontext falle sowohl der Ausbau der MOL-Aktivitäten in und vor Schottland als auch die Akquisition der Osloer Erkundungsfirma. „Norwegen erfreut sich weltweit durch sein transparentes und investorenfreundliches Klima sowie die moderne Infrastruktur bei der Erkundung und Förderung von Öl und Gas eines ausgezeichneten Rufes“, so Köfner. Bei der Vergabe von Erkundungs- und später Förderlizenzen gäbe es keinerlei Diskriminierung hinsichtlich der nationalen Herkunft der Bieterfirma. „Allein die Qualität der Bewerbung und die Solidität des Bewerbers sind entscheidend“, unterstreicht Thorrud. Außerdem locke Norwegen potenzielle Investoren mit einem sehr attraktiven Steuermodell.
Dank MOL Group kann mehr und tiefer gebohrt werden
Für Thorrud kam der Einstieg der Ungarn eher überraschend. Offen gibt er zu, dass ihm die Firma MOL Group vorher lediglich als Sponsor beim Motorsport ein Begriff gewesen sei. Schnell hat er sich aber ein Bild gemacht und ist inzwischen – auch auf Grund der ersten Erfahrungen im Umgang miteinander – sehr froh, nun für einen Eigentümer wie die MOL zu arbeiten. In erster Linie wegen deren „finanzieller Solidität und langfristigen Absichten“. Diese äußern sich unter anderem darin, dass Thorrud und sein Team mit einem derart potenten Partner im Rücken jetzt deutlich selbstbewusster als bisher neue Erkundungs-Lizenzen beantragen können. Zu den laufenden 14 Lizenzen werden demnächst weitere fünf beantragt. Außerdem wurde bereits im Oktober ein sogenanntes Farm-In-Abkommen mit der Firma Det Norske oljeselskap ASA für drei weitere norwegische Nordsee-Lizenzen unterzeichnet. Nach den Worten von Köfner würde die MOL zudem finanziell dafür sorgen, dass vorgenommene Probebohrungen jetzt deutlich tiefer ausfallen können, als das bisher bei der norwegischen Firma üblich war, dass also aus den vorhandenen Lizenzen mehr gemacht werden könne. Zwar erhöhten sich dadurch die notwendigen Investitionen, allerdings steigt zugleich die Chance, dass man fündig werde.
Die Probebohrungen nimmt MOL Norge übrigens nicht selber vor, sondern beauftragt damit einen sogenannten Operator, der über die notwendige Ausrüstung und Erfahrung verfügt. Dieser bohrt sich dann an den Stellen in den Unterseeboden, die ihm Thorrud und seine Kollegen zuweisen. Zwar könne man bei der Zuweisung die Wahrscheinlichkeit durch möglichst genaue Voruntersuchungen des Gebietes erhöhen, am Ende bleibt aber immer ein gewisser Glücksfaktor. Auch weil es natürlich aus Kostengründen nicht möglich ist, ein Gebiet, für dessen Erforschung man eine Lizenz besitzt, mit einem engen Netz von Probebohrungen systematisch zu „durchlöchern“. In diesem Zusammenhang erwähnt Lars den kürzlichen Super-Ölfund im Johan Sverdrup-Feld, 140 Kilometer vor der südnorwegischen Küste, bei dem erst der dritte Inhaber einer Lizenz für das gleiche Gebiet fündig wurde. Dann aber richtig: „Seit den 80er Jahren wurde auf dem norwegischen Sockel nicht mehr so viel Öl gefunden“, so Thorrud. Wegen solcher Glücksfälle sei es auch so schwer abzuschätzen, wie viel Öl sich überhaupt unter dem Festlandssockel vor Norwegen befindet.
Dem Tüchtigen winkt das Öl
Abgesehen vom Glücksfaktor lacht der Erfolg wie auf so vielen Gebieten auch hier am ehesten dem Tüchtigen. So ist sich Thorrud sicher, dass beharrliches, gründliches Suchen früher oder später zum Erfolg, also dem Anbohren einer Öl- oder Gasschicht führt. Hilfreich ist aber auch die richtige Suchstrategie. Bei MOL Norge heißt das zum Beispiel, dass man sich bei der Bewerbung für neue Lizenzen stets auf eine feste Region konzentriert, und sich dabei möglichst die Rechte an benachbarten Suchgebieten sichert. Während die Lizenz-Landkarten von anderen Erkundungsfirmen wie ein Flickenteppich aussehen, der sich fast entlang des gesamten norwegischen Festlandssockels zieht, befinden sich die derzeitigen Suchgebiete von MOL Norge relativ eng beieinander vor der südnorwegischen Küste etwa auf der Höhe von Stavanger, der viertgrößten Stadt des Landes.
Einmal im Besitz der Erkundungs-Lizenz für ein bestimmtes Gebiet heißt es, innerhalb von zwei Jahren eine Antwort auf die Frage „Drop or drill?“ zu finden, die Lizenz also wieder zurückzugeben, wenn sich das Gebiet als „dry“ herausstellt, oder im positiven Fall eine Förderlizenz zu beantragen und dann mit dem Fördern von Öl oder Gas zu beginnen.
Sollten die Kollegen von MOL Norge eines Tages tatsächlich auf Öl oder Gas stoßen, dann wird auch mit der Förderung ein Operator beauftragt. Dass MOL im Rahmen eines Konsortiums selbst zu einem solchen wird, ist kurzfristig nicht geplant, mittelfristig wolle man sich in dieser Region durchaus aber auch selber zu einem Förderer entwickeln. Nicht nur wegen der Kostenintensität, sondern auch wegen des speziellen Know-hows ist dafür allerdings eine gewisse Vorlaufzeit notwendig. Die MOL Group ist zwar in acht Ländern an der Förderung von Öl oder Gas aktiv beteiligt, alle bisherigen Förderstandorte befinden sich aber auf dem Festland.
Im Erfolgsfall würde zunächst also ein externer Dienstleister das schwarze Gold für MOL aus der Erde pumpen. Kaum am Tageslicht würde das „MOL-Öl“ von Total und Shell am Weltmarkt gehandelt, so wie das gesamte, im norwegischen Festlandssockel geförderte Öl. „Es wird also nicht vorkommen, dass die MOL Group ihr in Norwegen gefördertes Öl mittels Öltanker in Richtung einer Raffinerie der MOL Group verschifft“, verdeutlicht Köfner. Das wäre ökonomisch unsinnig.

aßstabgerechtes Modell einer Bohrplattform im Ölmuseum von Stavanger: Mittelfristig will sich die MOL Group in der Region zu einem Förderer entwickeln.
Dem gemeinsamen Ziel deutlich nähergekommen
Für die MOL Group heißt es jetzt, kontinuierlich in die Erkundung ihrer neuen Ölgebiete zu investieren und beharrlich zu suchen. Immerhin sucht sie im Zuge der norwegischen Akquisition jetzt weltweit in einem doppelt so großen Netz wie bisher, nämlich auf einer Fläche, unter der schätzungsweise 600 Millionen Barrel Rohöl schlummern. Der Tag, an dem sich die MOL-Aktionäre über die schöne Nachricht hinsichtlich eines größeren Ölfunds freuen können, ist mit der Übernahme der norwegischen Firma also deutlich näher gerückt.
Oslo/Budapest