Dieses Wochenende beginnt der Advent – lateinisch „Ankunft“ – die vierwöchige Vorbereitungszeit auf Weihnachten. Doch die dunkle Zeit an der Schwelle des neuen Jahres ist schon seit ältester Zeit von Mythen und Bräuchen durchdrungen, die teilweise noch älter sind als das Christentum in Ungarn.
Nehmen Sie sich auch jedes Jahr vor, dieses Jahr den Advent ein bisschen besinnlicher zu begehen – und werden dann doch immer aufs Neue von Weihnachten überrascht? Der Advent ist heute eine der stressigsten Zeiten des Jahres: Jahresabschluss in der Firma, Weihnachtsessen mit dem Verein, Geschenke shoppen, den besten Weihnachtsmarkt finden. Wie anders muss diese Zeit gewesen sein, als es nicht viel zu tun gab, das Essen karg und die Tage kurz und dunkel waren!
Zeit der Zauber und Weissagungen
Aus solcher Zeit stammen die meisten der Symbole und Traditionen der Weihnachtszeit, die auch heute noch von vielen Menschen gepflegt werden. Darunter sind einige noch stark vom Aberglauben früherer Zeiten geprägt. Zur Zeit der winterlichen Sonnenwende, wo die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind, schien die Natur voller Geheimnisse zu sein. Man glaubte, dass in diesen Tagen alle Geister los sind und ihr Unwesen treiben. Durch Räucherriten oder Peitschenknallen versuchte man sie fernzuhalten. Gleichzeitig versuchte man, sich ihre Macht zu Nutze zu machen: der Winter war Hauptzeit für Weissagungen und Zauber aller Art: Beispielsweise schrieben Mädchen am Lucia-Tag (13. Dezember) die Namen von 13 Jungen auf 13 Zettel. Jeden Tag wurde einer dieser Zettel ungelesen weggeworfen. Am Weihnachtstag war schließlich nur noch ein Zettel übrig, der den Namen des Zukünftigen verraten sollte.
Auch durch Bleigießen erhoffte man sich Erkenntnisse über die Zukunft, vor allem die Ernteerträge des kommenden Jahres. Noch heute bekannte Bräuche wie der Barbarazweig oder der Lucia-Weizen sind wohl aus früheren Ernteorakeln hervorgegangen. Das frische Grün und das Licht von Kerzen, die heute unseren Advent so prägen, sind seit Urzeiten Symbol für die Hoffnung auf den Frühling, den Sieg des Lichtes über das Dunkel, des Lebens über den Tod.
Der christliche Glaube baut auf den alten Traditionen auf
Als das Christentum sich im 10. Jahrhundert in Ungarn auszubreiten begann, konnte es leicht an diese Traditionen anknüpfen und sie mit neuem Inhalt füllen. Sie alle deuteten nun hin auf das Weihnachtsfest. Die Christenheit feiert an diesem Fest die Menschwerdung Gottes, die Geburt Jesu, der das Licht der Welt ist und der mit seiner Auferstehung den Tod besiegt hat. Die Theologen des Mittelalters sahen in den alten Traditionen um Licht und Leben eine Art Vorausahnung, die in der christlichen Botschaft nun ihre Erfüllung gefunden hat.
In den uns überlieferten adventlichen Traditionen ist die alte Naturreligion mit dem Christentum eine spannende Symbiose eingegangen. Die Feste der Heiligen gaben dem Advent eine neue Struktur und füllten viele Bräuche mit einer neuen Bedeutung. Als Gabenbringer versüßte vor allem der Heilige Nikolaus den Kindern die karge und sicher auch oft langweilige Winterzeit. Sein Begleiter, der in Ungarn meist Krampus genannt wird, ist ein Überbleibsel der Winterdämonen, die durch die alten Riten gebannt werden sollten.
Noch heute lebendig
Im Kommunismus wurde das christlich gewordene Brauchtum bekämpft. Man durfte nicht mehr vom Heiligen Nikolaus sprechen, sondern der Wintermann (Télapó) sollte ihn ersetzen – was die Ungarn jedoch ziemlich kalt ließ. Auch heute pflegen viele Ungarn das alte Brauchtum, wenn auch nicht mehr im gleichen Ausmaß wie früher. Adventskränze und Weihnachtsbäume sind weit verbreitet, die Geschenke bringt meist das Christkind (Jézuska) oder Engel vom Himmel, und zur mitternächtlichen Christmette sind die Kirchen voll.
Kurz: Erstaunlich viele Menschen halten an den alten Traditionen fest. Das muss nicht immer etwas mit Religion zu tun haben, aber die Symbole und Geschichten des Advents scheinen uns auf eine ganz besondere Weise anzusprechen. Sie haben die Kraft, uns zu erden; uns wieder in Kontakt zu bringen mit dem großen Zusammenhang in dem unser Leben steht. Sie rühren zumindest an den großen Fragen des Lebens. Vielleicht gelingt es uns ja dieses Jahr, den Advent etwas bewusster zu leben?
Barbara von Nikomedien, 4. Dezember
Die Legende um die Heilige Barbara erzählt, dass sie sich zur Zeit der Christenverfolgung im 3. Jahrhundert gegen den Willen ihres Vaters taufen ließ. Dieser ließ sie in einen Turm und später in ein Gefängnis einsperren. Weil ihr Vater Sie nach grausamer Folter schließlich selbst mit dem Schwert enthauptete, wird sie oft mit diesem dargestellt, auch der Turm ist ihr Erkennungszeichen. Weil ihr Vater kurz nach ihrem Tod von einem Blitz erschlagen wurde, gilt sie unter anderem als Schutzpatronin der Artillerie.
Nikolaus von Myra, 6. Dezember
Nikolaus wurde um 270 in der Türkei geboren und war im 4. Jahrhundert Bischof von Myra. Als großer Wohltäter wurde er schon früh verehrt und ist heute einer der bekanntesten Heiligen der Christenheit. Zahlreiche Legenden ranken sich um sein Leben. So warf er einmal einer armen Familie nachts drei Goldklumpen durch das Fenster, um die drei Töchter vor dem Verkauf in die Sklaverei zu bewahren. In Bildern des Heiligen Nikolaus wurden die Goldklumpen später oft als Äpfel dargestellt, mit denen im Brauchtum die Kinder beschenkt wurden.
Lucia von Syrakus, 13. Dezember
Lucia wurde um 286 in Syrakus auf Sizilien geboren. Sie gelobte ewige Jungfräulichkeit, obwohl sie bereits verlobt war. Ihr Verlobter klagte sie daraufhin als Christin an, und sie wurde grausam gefoltert. Die Legende erzählt, dass ihr dabei auch die Augen ausgerissen wurden, Maria ihr aber sofort neue, noch schönere gab. Sie wird daher meist mit ihren Augen auf einer Schale dargestellt. In Skandinavien wird sie mit einem Lichterkranz auf dem Haupt dargestellt, weil sie in den Katakomben versteckten Christen Nahrungsmittel brachte – mit einem Lichterkranz auf dem Haupt um die Hände frei zu haben.
Traditionen des Advents
Auf dem Land ziehen Kinder oder junge Männer als Hirten verkleidet von Haus zu Haus und führen Krippenspiele auf. Dabei kann es auch lustig zugehen: traditionell ist einer der Hirten schwerhörig und missversteht seine Kollegen ständig. Oft wird dabei um kleine Spenden für arme Leute gebeten, ähnlich wie es in den deutschsprachigen Ländern die Sternsinger tun. In der Stadt werden solche Krippenspiele oft nur noch in den Kindermessen aufgeführt.
Am 13. Dezember sollte jeder Mann damit beginnen, einen Lucia-Stuhl zu bauen. Dieser bestand genau aus 13 Teilen aus 13 Hölzern, von denen jeden Tag bis zum 25. Dezember eins angefügt wurde. Daher lautet eine ungarische Redewendung für etwas, das sehr viel Zeit braucht: „Das dauert so lange wie der Lucien-Stuhl“. Wer sich am Weihnachtsabend während der Mitternachtsmesse auf diesen Stuhl stellt, der soll der Sage nach erkennen können, wer der Anwesenden eine Hexe ist.
Die Legende der Heiligen Barbara erzählt, dass sich auf dem Weg ins Gefängnis der Zweig eines Kirschbaums in ihrer Kleidung verfing, den sie in ihrer Zelle in einen Krug mit Wasser stellte. An dem Tag ihrer Verurteilung zum Tode erblühten die Knospen, woraufhin sie gesagt haben soll: „Du scheinst wie tot, aber du bist aufgeblüht zu schönerem Leben. So wird es auch mit meinem Tod sein. Ich werde zu neuem, ewigen Leben aufblühen.“ Im Volksglauben bedeuten große Blüten eine große Ernte im neuen Jahr.
Auf einen Teller oder in einen Blumentopf legt man Weizen, Gerste oder Maiskörner und begießt sie jeden Tag. Zu Weihnachten sind die Triebe etwa 15-20 cm hoch. Um dieses Grün bindet man ein weißes oder buntes Band und stellt es unter den Weihnachtsbaum. Früher wurde er danach an die Hühner verfüttert. Nach altem Volksglauben kann man aus der Länge der Triebe auf die Ernte des kommenden Jahres schließen.