Von A cenzor halott (Der Zensor ist tot)
RTL Klub scheint inzwischen tatsächlich das rechte Maß und die Orientierung verloren zu haben. Der Sender hat sichtlich Probleme, seinen Platz auf der Palette der ungarischen Öffentlichkeit zu finden. Die Macher von RTL Klub glauben fürwahr, dass sie in Ungarn über einen erheblichen Einfluss verfügen, nur weil in den Sendungen des Privatsenders die meisten umoperierten, aggressiven Verbrecher, Häfenbrüder, Freudenmädchen, Lüstlinge, primitiven, aufschneiderischen Roma, quäkenden Zicken und chronischen Alkoholiker zu sehen sind. Ach ja, und jedes Jahr wird vom „Fach” RTL Klub Chef Dirk Gerkens, der im Übrigen immer gequälter aussieht, zur einflussreichsten Medienpersönlichkeit gewählt.
Früher war es niemals Sache von RTL Klub, sich in die Schlammschlachten der ungarischen Politik einzumischen, schließlich seien die Zuschauer ohnehin nicht daran interessiert. Der Privatsender bevorzugte da schon viel eher Berichte über Massenkarambolagen oder -schlägereien, Messerstechereien oder Reportagen über zweiköpfige Schweine und Eintagsfliegen im Rückenflug. Nach der parlamentarischen Abstimmung über die Reklamesteuer indes wartete RTL Klub prompt mit einem todernsten Bericht über den „Statthalter” von Regierungschef Viktor Orbán in Felcsút (Orbáns Heimatgemeinde; Anm.), Lőrinc Mészáros, auf.
Kurz: Es wurde in dem Bericht all das zusammengefasst, was in den vergangenen vier Jahren bereits zutage gefördert worden war: dass er in sagenhaftem Tempo steinreich geworden ist und riesige Agrarflächen sowie etliche lukrative Trafikkonzessionen zugespielt bekommen hat. Die Pancho-Arena in Felcsút durfte bei der Aufzählung des Sündenregisters von Mészáros natürlich auch nicht unerwähnt bleiben.
All das wurde ganz offensichtlich im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung, der Pressefreiheit und Korrektheit ausgestrahlt. Zu guter Letzt wurde RTL Klub auch noch auf den Vater des Ministerpräsidenten, Győző Orbán, aufmerksam. Győző Orbán habe den Teileignern an seiner Grube viel zu hohe Prämien gezahlt, und überhaupt laufe das Geschäft des Alten verdächtig gut.
Die trotzige Racheaktion von RTL Klub versuchte der Programmchef des Privatsenders, Péter Kolosi, mit den Worten zu rechtfertigen, dass das Gesetz über die Reklamesteuer mit einer Ohrfeige zu vergleichen sei, die man ohne Vorwarnung und völlig grundlos bekomme. Der ach so arme Sender habe lediglich mit dem ihm eigenen Instrumentarium seine Aufgabe wahrgenommen.
Abgründiges Niveau
Das Problem liegt darin, dass die Privatsender – in deren Sendungen dieser Tage nur noch das Gebrüll irgendwelcher vulgären Celebrity-Roma zu hören ist – das Privatfernsehen auf ein erschreckend tiefes Niveau befördert haben. Dies ist mittlerweile auch schon den intelligenteren Individuen unter den Zuschauern von RTL Klub zu viel. Ganz zu schweigen davon, dass dem Privatsender wohl kein Mensch mit gesundem Menschenverstand abnimmt, dass er auf einmal seine investigative Ader gefunden hat.
Mit anderen Worten: Es ist unübersehbar, dass die jüngsten regierungskritischen Berichte von RTL Klub Teil eines Rachefeldzugs sind. Stellt sich die berechtigte Frage: Warum hat RTL Klub nicht schon viel früher mit den kritischen Berichten begonnen, als die Reklamesteuer noch kein Thema war. In Zeiten, in denen die expansive Werbung und die zudringlichen Vorschauen jeden Film und jede Serie, ja sogar ein schicksalhaftes Handballspiel zerstören, sollte sich RTL Klub besser nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen und seine Muskel spielen lassen. Die Zuschauer haben nämlich schon die Nase voll.
Der hier abgedruckte Text erschien am 17. Juni 2014 in der unabhängigen Wochenzeitung Nevem Senki.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar