Dass deutsch-ungarische Kooperationen Erfolg versprechen, sehen wir dieser Tage an der Qualifizierung der ungarischen Nationalmannschaft für die Europameisterschaft 2016. Doch auch im Bereich Unternehmensgründungen gibt es noch viel Potential für länderübergreifende Zusammenarbeit: Bei der Start-up-Konferenz des Deutsch-Ungarischen Jugendwerks e.V. am 16. November stellten sich mehr als 20 junge Unternehmen aus Deutschland und Ungarn vor.
Eine Live-Schalte zwischen Budapest, Berlin und Frankfurt – und das beinahe ohne technische Störungen. So modern und technikaffin präsentierte sich die Start-up-Konferenz diesen Montag dem Fachpublikum. In der ungarischen Hauptstadt diente das Design Terminal am innerstädtischen Erzsébet tér als Veranstaltungsort für die Übertragung.
London ist die Start-up-Hauptstadt Europas – so viel ist unlängst bekannt. Laut Katalin Morgós, die von Budapest aus die Diskussionsrunde zum Thema „Set-up Ideas & Seedfunding“ moderierte, sind jedoch auch Berlin und Frankfurt für junge Unternehmer ideale Standorte für Unternehmensgründungen. Doch auch Budapest hat eine lebendige und vor allem aktive Start-up-Szene, weiß Vorstandsmitglied des Deutsch-Ungarischen Jugendwerks Zoltán Lambert.
Deutsch-Ungarische Innovationen
Mit der Start-up-Konferenz sollte die Gründerszene beider Länder an Selbstvertrauen gewinnen und näher zusammenrücken: Dazu wollte man deutsche und ungarische Gründer miteinander vernetzt, ihnen die Möglichkeit geben, sich mit ihren innovativen Ideen und Geschäftsmodellen zu präsentieren und über die Arbeits- und Investmentkultur beider Länder informieren. Dies ist am Montag mit den mehr als 20 teilnehmenden Jungunternehmen und über zehn fachkundige Referenten aus Bereichen wie Gründung und Finanzierung, aber auch Recht, Steuern sowie Politik auch umfänglich gelungen.
Dabei hätten die vorgestellten Ideen der Start-ups kaum unterschiedlicher sein können: Von Konzepten für ein dezentrales Energiemanagement (Beegy), über Mülleimer, die Recyceln zum Spaß machen (Binee) bis hin zur Sharing-Economy-App, die am Flughafen abgestellte Autos zu Geld macht (BeeRides). Beinahe alle Ideen haben eins gemeinsam: Sie sind innovativ, brauchen Investoren und ihr Erfolg ist nicht garantiert.
Welche der vorgestellten Unternehmen es schaffen werden und welche es davon auch noch in zehn Jahren geben wird, das hängt von vielen Faktoren ab. Der ungarische Geschäftsmann und ehemalige Finanzminister Péter Oszkó rät Start-up-Gründern zu viel Geduld. Manchmal dauert es Jahre, bis sich der Erfolg einstellt und selbst dann liegt vor den meisten noch ein langer Weg. Auch rät er, nicht ausschließlich alle Ressourcen auf das Schreiben von Businessplänen und das Jagen nach Investoren zu verwenden. „Entwickelt eure Ideen! Ihr wollt Märkte erobern, nicht Investoren.“, appelliert Oszkó an Jungunternehmer.
Und noch weitere Ratschläge hat Oszkó: Wer mit seinem Start-up erfolgreich sein wolle, der müsse nicht nur fest an seine Idee glauben, sondern auch an seinen Präsentationsfähigkeiten arbeiten. Nur wer seine Idee gut verkaufen kann, findet auch andere Leute, die an sie glauben. Zu guter Letzt preist Oszkó die Fähigkeit zum Scheitern. Denn dass, so der erfahrene Unternehmer, gehöre auch dazu. Dann ist es wichtig, sich selbst wiederaufzurichten und einfach die nächste Idee zu verwirklichen.
Das Deutsch-Ungarische Jugendwerk
„Mittler zwischen den jungen Menschen in Ungarn und Deutschland“
Im März 2015 wurde das Deutsch-Ungarische Jugendwerk auf Initiative von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft sowie Kultur und Sport gegründet. Im Vergleich zum Deutsch-Französischen und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk handelt es sich beim Deutsch-Ungarischen Jugendwerk nicht um eine zwischenstaatliche Einrichtung, sondern um einen eingetragenen Verein. Dieser versteht sich laut der Vereinsvorsitzenden Maren Schoening „als Mittler zwischen den jungen Menschen in Ungarn und Deutschland in allen Lebensbereichen“. Man wolle nicht nur Jugendliche ansprechen, sondern junge Erwachsene bis Ende dreißig. An diese Gruppe richtet sich auch die Start-up-Veranstaltungsreihe.
FORMA: Maßgeschneiderte Brillen für den perfekten Durchblick
Auch FORMA gehörte zu den Start-ups, die sich am Montag dem Publikum in Berlin, Frankfurt und Budapest vorstellten. Das junge ungarische Unternehmen nutzt die moderne Technik des 3D-Scanners für die Maßanfertigung von Brillen. Die Budapester Zeitung sprach mit Mitgründer und Geschäftsführer Richárd Nagy über neue Innovationen, Schwierigkeiten und Zukunftsvisionen.
Was unterscheidet FORMA von anderen Brillenherstellern?
FORMA stellt die Rahmen der Brillen individuell für den Kunden her. Dazu nutzen wir im ersten Schritt einen 3D-Scanner, mit dem wir den Kopf des Kunden messen. So erhalten wir 50 Parameter des Gesichts, die wir benötigen, um das perfekt passende Brillengestell zu designen. Unsere Brillen sitzen deshalb wie ein maßgeschneiderter Anzug.
Auf der Grundlage der Messungen werden die Einzelteile der Brille gefertigt. Hierzu nutzen wir einen 3D-Drucker. Der Steg und der Rahmen der Brille sind aus 3D-gedrucktem Karbon, die Bügel sind aus Aluminium. Wir verwenden diese Materialien, weil sie sehr robust und gleichzeitig leicht sind. Bei den Gläsern experimentieren wir derzeit noch – sie werden noch nicht im 3D-Drucker hergestellt.
Wie sind Sie zu der Idee für die Brillen gekommen?
Ich selbst bin schon seit meiner Kindheit Brillenträger. Beim Optiker habe ich nie eine Brille gefunden, die perfekt zu meiner Kopfform passte – der Rahmen war meist etwas zu breit oder der Steg war zu schmal für meine Nase. Ein befreundeter Designer, der jetzt auch bei FORMA arbeitet, hat mir dann meine erste perfekt passende Brille gefertigt. So wurde die Idee geboren.
Gemeinsam haben wir dann experimentiert: Welche Materialien eignen sich für Brillen? Welche Herstellungstechnik bietet sich an? Dann hatten wir die Idee, mit den 3D-Druckern aus einer Universität in unserer Nähe zu arbeiten.
Wie kam es dann zur Gründung von FORMA?
Wir starteten FORMA zu viert im letzten Jahr mit dem Programm „Start-up Chile“ in Südamerika. Bei dem Programm wurden wir ein halbes Jahr lang unterstützt und mit 40.000 US-Dollar von der chilenischen Regierung gefördert. In dieser Zeit konnten wir wertvolle Kontakte knüpfen. Zusammen mit drei Freunden habe ich in Chile dann auch unseren ersten Standort aufgebaut, und einige Zeit später folgte der zweite in London. Hier arbeiten wir mit einem Optiker in der Nähe des Piccadilly Circus. Jetzt haben wir eine erste Anlaufstelle in Budapest.
Welche Hürden mussten Sie als Start-Up-Gründer bis jetzt überwinden?
Wir hatten mit dem Start von FORMA eine klare Vision, wie das Unternehmen strukturiert und aufgebaut werden soll. Deshalb konnten wir immer effizient arbeiten – das hat uns größere Hürden erspart.
Kleinere Schwierigkeiten gibt es manchmal mit der Kommunikation: Wir vier haben zwar alle ungarische Wurzeln, leben aber in verschiedenen Ländern. Einer meiner Kollegen lebt sogar noch in Chile. Das heißt Besprechungen finden überwiegend via Skype statt. Die Zeitverschiebung von vier Stunden kann bei dringenden Themen lästig werden.
Der Faktor Geld ist bei vielen Start-ups ein großes Thema, weil man vor allem am Anfang nur eine geringe finanzielle Grundlage hat. Auch bei uns war die Finanzierung zwischenzeitlich problematisch. Mittlerweile haben wir Investoren in Österreich und Belgien.
Was sind die Pläne für die Zukunft?
Wir experimentieren sehr viel und wollen unsere Brillenmodelle weiterentwickeln. Es wäre zum Beispiel schön, wenn wir die Modelle in unterschiedlichen Farben herstellen könnten – daran arbeiten wir aktuell. In den nächsten Jahren könnte man eventuell auch die Brillengläser mit dem 3D-Drucker herstellen. Momentan ist dieses Verfahren jedoch sehr kostenaufwendig; auch daran arbeiten wir.
Natürlich arbeiten wir auch, neben der Zusammenarbeit mit Optikern in Budapest und London, an weiteren Standorten, zum Beispiel in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und außerhalb von Europa.
Das Interview führte Ina Baier.