Seit mehr als einem halben Jahr ist das Gesetz zum Ladenschluss in Kraft, das es großen Geschäften verbietet, sonntags ihre Kunden zu bedienen. Bereits im Vorfeld gab es viel Kritik und bis heute scheint die Bevölkerung nicht vom verordneten freien Sonntag überzeugt zu sein. Gern würden Oppositionsparteien das Volk auch offiziell dazu befragen. Doch seit fast einem Jahr ist es schlicht unmöglich, beim Nationalen Wahlausschuss eine diesbezügliche Frage einzureichen – zumindest für Gegner des Gesetzes.
Das Nachrichtenportal 444.hu stellte die vergeblichen Versuche zusammen: Ganze 18 Mal wurde versucht, eine Volksabstimmung zum Sonntagsschluss zu initiieren. Dabei kam heraus, dass der Nationale Wahlausschuss stets ausgesprochen lang mit der Beurteilung einer Frage beschäftigt war. Mittels der Änderung des Wahlgesetzes kann aber immer nur eine Frage zu einem Thema vom Ausschuss begutachtet werden. Alle derweil eintreffenden Initiativen können mit Hinweis auf die gerade anhängige Frage abgelehnt werden. Letzten Endes wurde bisher immer festgestellt, dass die Fragen nicht richtig, oftmals nicht eindeutig genug gestellt wurden und deshalb abgelehnt werden mussten. Bisher war also niemand, keine Partei, keine Zivilperson in der Lage, eine Volksabstimung zu initiieren.
Entscheidung wäre eindeutig
Dabei kam es Ende Oktober zu einer kafkaesken Szene vor dem Nationalen Wahlausschuss. Für den 20. Oktober wurde mit Spannung der Entscheid der Kurie über die gerade anhängige Frage zum Sonntagsschluss erwartet. Die Sozialistische Partei (MSZP) hatte sich bereits morgens um sechs Uhr vor der Tür des Ausschusses positioniert. Ausgerüstet mit allen notwendigen Papieren erwartete Tamás Harangozó mit seinem Stab die Veröffentlichung des Entschlusses. Wie das Nachrichtenportal index.hu schreibt, ist dies zwar nicht gesetzliche Anforderung, jedoch ist es Rechtspraxis des Ausschusses, nur dann eine neue Frage zu einem Themenkreis anzunehmen, wenn der Entschluss der Kurie online abrufbar ist. Und so warteten die Sozialisten also mit diversen Mobilgeräten und andauernder „Aktualisieren“-Funktion im Browser auf den Entscheid. All dies vor der Tür, denn, so berichtet index.hu, der Ausschuss nimmt Fragen in zeitlicher Reihenfolge an. Als Zeitpunkt zählt der Eintritt ins Gebäude, gesichert durch ein Nummernsystem.
Und just in dem Moment, als das sehnlich erwartete Urteil endlich online erschien, trat eine nur wenige Minuten vorher eingetroffene Dame an den Sozialisten vorbei durch die Tür. Gabriella Gercsényi Simonné war die Glückliche, die scheinbar im selben Moment Einlass erhielt, als der Entscheid online ging – sie konnte ihre (für Fachleute uneindeutig formulierte) Frage zum Sonntagsschluss einreichen. So waren die Sozialisten wieder außen vor, eine Volksabstimmung weiterhin unwahrscheinlich bis unmöglich.
Dabei zeigen die Meinungsumfragen stabil, dass mindestens 60 Prozent der Ungarn den Sonntagsschluss weiterhin ablehnen. Ein Einlenken der Regierung ist jedoch nicht zu erwarten, egal, was das Volk sagt. Mehr noch, würde man jetzt, Monate nach der Einführung, doch noch einknicken, käme dies nicht nur einem Gesichtsverlust gleich, nach dem Scheitern der sogenannten Internetsteuer (unter dem Eindruck von landesweiten Massenprotesten verwarf die Regierung die Idee) wäre ein Einlenken obendrein ein gefundenes Fressen für die Opposition, aus der beträchtliches politisches Kapital geschlagen werden könnte. So es denn zum Volksentscheid kommt. Derzeit scheint das Glück jedoch nicht mit den Regierungsgegnern zu sein.