Die ungarische Regierung verfolgt auch weiterhin das Ziel, das ungarische Investitionsumfeld attraktiver und berechenbarer zu gestalten. In diesem Bestreben rechne sie unverändert mit den deutschen Unternehmen, erklärte Wirtschaftsminister Mihály Varga am Montag vor dem Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft in Berlin.
Varga präsentierte in seinem Vortrag jenen Maßnahmenplan, mit dem die Orbán-Regierung die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums sicherstellen möchte. Mitteleuropa verfolge, so der Minister, das gemeinsame Anliegen, der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in der Europäischen Union zu sein. Varga wiederholte die bereits in Győr bei der Berufsbildungskonferenz von Audi Hungaria und DUIHK vorgestellten vier Punkte (siehe BZ Magazin 43/2015), mit denen die Regierung die Nachhaltigkeit des Wachstums gewährleisten will: beschleunigte Inanspruchnahme von EU-Fördermitteln, Stärkung des Kreditgeschäfts, Ausgestaltung eines flexiblen Arbeitsmarktes und Stimulierung von Investitionen. Zu letzterem Punkt fügte er neu hinzu, dass darunter auch der Wohnungsbau und die Modernisierung des Wohnungsbestandes zu verstehen seien.
Das ist insofern interessant, als Kanzleramtsminister János Lázár dieser Tage wiederholt erklärte, EU-Fördermittel dürften für die Modernisierung von Privathaushalten keine Verwendung finden. Dies stehe im Widerspruch zu EU-Recht, wonach staatliche Zuwendungen keinen privaten Zwecken dienen dürfen. Diese Argumentation erscheint schon deshalb unlogisch, weil Brüssel die betreffenden Operativprogramme längst abgesegnet hat, die von der Regierung vor Monaten mit dem konkreten Anliegen eingereicht wurden, der extremen Energieverschwendung im privaten Bereich infolge völlig veralteter Wohngebäude ein Ende zu setzen.
Varga betonte in seinem Vortrag vor deutschen Wirtschaftsvertretern, Deutschland bleibe politisch wie wirtschaftlich der wichtigste strategische Partner Ungarns. Das Land wolle attraktiv für Investoren sein, weshalb Reformen umgesetzt wurden, die ein BIP-Wachstum von 3,7 Prozent im Vorjahr generierten. Nach der Konferenz führte er bilaterale Gespräche mit Vizekanzler, Bundeswirtschafts-und Energieminister Sigmar Gabriel. Sie kamen darin überein, dass der Schlüssel für die Verbesserung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit die engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Visegrád-Ländern sein könnte. Deutschland betrachtet die Region als strategischen Wirtschaftspartner. Die ungarische und deutsche Regierung wollen eine gemeinsame digitale Plattform zur Verbreitung der wirtschaftlichen Anwendung von digitalen Technologien erarbeiten.
Übereinstimmung gab es zwischen Gabriel und Varga auch hinsichtlich der Beurteilung der wirtschaftlichen Rolle Russlands. Beide Minister stimmten auch darin überein, dass die Einhaltung des Abkommens von Minsk die grundlegende Erwartung gegenüber der Ukraine und Russlands bzw. die Grundvoraussetzung dafür sei, um die Sanktionen gegen Russland eventuell neu zu überdenken.
Bei der Lösung der Flüchtlingskrise sei Russland erforderlich. Trotz der Meinungsunterschiede zwischen beiden Ministern in Fragen der Einwanderung waren sich Varga und Gabriel einig, dass eine Lösung auf europäischer Ebene nötig sei. Dafür sei wiederum die Kontrolle des Flüchtlingsstroms die Voraussetzung.
Zudem traf Varga auch mit Finanzminister Wolfgang Schäuble zusammen. Bei diesen Gesprächen ging es unter anderem um die Europäische Währungsunion, die Auswirkungen der Migration auf Wirtschaft und Staatshaushalt. Varga hatte nach den Gesprächen den Eindruck, dass auch bei den deutschen Regierungspolitikern sich immer mehr die Vorstellung durchsetze, die EU-Außengrenzen zu verstärken.