Ist Ihnen der hellblaue Adapter an manchen knallroten Hydranten auch schon aufgefallen? Mit dem „Ivócsap“ wird jeder beliebige Hydrant zu einem öffentlichen Wasserspender. In diesem Sommer waren in Budapest erstmals 43 Hydranten damit ausgerüstet. Wir sprachen mit Initiatorin Zsófia Zoletnik über den langen Weg dorthin.

Wasser, marsch! Mit einem einfachen Druck auf den Ivócsap kommt etwas
ein Glas Wasser heraus. Gerade an heißen Tagen eine Wohltat.
Fast sechs Jahre hat es gedauert bis aus einer guten Idee endlich Realität wurde. In einem Budapester Café treffen wir Zsófia, die damals das Projekt mit einigen Kommilitoninnen aus dem Architekturstudium initiiert hat. Die drahtige Mittzwanzigerin mit dünnen braunen Dreadlocks ist außerdem nebenbei Artistin in verschiedenen Ensembles. Gar nicht zu ihrem Ronja-Räubertochter-Style passen, will ihr Rauhaardackel Simon. Steht diesem vielgeschmähten Wesen etwa eine Renaissance als Hipster-Hund bevor? Simon bekommt jedenfalls auch eine Schale Wasser, womit wir beim Thema wären. Während ihrer Studienzeit sollte Zsófia gemeinsam mit drei anderen Kommilitoninnen ein Projekt entwickeln zum Thema „Wasser und Stadt“. Zuerst wollten sie öffentliche Design-Trinkbrunnen aufstellen, bis ihnen die logistischen Schwierigkeiten bewusstwurden: Man musste einen eigenen Wasseranschluss erst legen – oder einen Hydranten anzapfen.
So simpel, dass man sich fragt: warum gibt es das nicht schon längst?
So entstand die Idee zum Ivócsap: Einfach den Hydranten direkt zum Trinkbrunnen umwandeln! Mit dieser Idee gewannen sie einen ersten kleinen Wettbewerb. Danach traten Sie mit der Idee an die Budapester Wasserwerke heran, doch die winkten ab. Kein Interesse. Doch die Idee ließ sie nicht los. 2012 bauten sie von eigenem Geld einen Prototyp. Diesen testeten sie auf einem kleinen Festival, wo die Kooperation mit den Behörden unkomplizierter war als im großen Budapest. 2013 gewannen sie dann mit ihrer Idee auf der Budapester Design Hét einen Preis der mit zwei Millionen Forint dotiert war. Jetzt wurden die Wasserwerke – aufgeweckt vom Stadtmarketing – doch endlich aktiv. Mit dem Ivócsap lässt sich die unsichtbare Infrastruktur welche die Wasserwerke so aufwändig unterhalten, auf einmal sichtbar und erlebbar machen. Wer achtet sonst schon auf Hydranten, außer wenn sie im Weg sind?
Das Preisgeld investierte die Gruppe in elf neue Prototypen, die bei der Design Hét 2014 erstmals zum Einsatz kamen. Vorher gab es allerdings noch einige Probleme zu lösen: Wie sollte zum Beispiel die Qualität des Wassers sichergestellt werden, wenn eine Zeit lang niemand davon getrunken hat und es in dieser Zeit im Hydranten steht? Inzwischen hatte die Idee allerdings prominente Unterstützung gewonnen: Der Chef der Budapester Wasserwerke, so erzählt Zsófia, hatte ein ganzes Jahr lang einen Ivócsap auf seinem Schreibtisch stehen und erklärte jedem Besucher begeistert das Prinzip. Und wie so oft in Ungarn gilt: wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, so dass die Prototypen pünktlich zur Design Hét angeschlossen wurden.

Im Moment sind die Adapter für den
Winter abmontiert, aber ab April werden
sie wieder überall in Budapest angebracht.
Es hat gedauert bis die Behörden den Wert der Idee erkannten
Das Feedback war so positiv, dass die Wasserwerke sich zusammen mit der Stadt entschlossen, 43 Ivócsap zu erwerben. Das aber nicht nur, weil das Stadtmarketing die innovative Idee aus Budapest vermarkten wollte, sondern weil das System handfeste Vorteile für die Wasserwerke bietet. Diese sind nämlich verpflichtet, an heißen Tagen Wasser kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn die Stadt es anfordert. Bisher wurden dann Verteilstellen eingerichtet in denen von Mitarbeitern der Wasserwerke in Trinktüten verpacktes Leitungswasser verteilt wurde. „Das war nicht nur teuer, sondern hat auch unendlich viel Müll verursacht“, erklärt Zsófia. „In Ländern wie Spanien und Italien wird dieses Problem meist durch ein dichtes Netz permanenter Trinkbrunnen gelöst. Das Problem von Trinkbrunnen weiter im Norden ist allerdings, dass im Winter ein bisschen Restwasser in der Leitung oft reicht, um den Brunnen kaputt zu machen. Den Ivócsap dreht man im Herbst ab und im Frühjahr wieder an. Fertig.“ Damit ist der Ivócsap attraktiv für viele Kommunen und Städte, die nur eine Zeit lang öffentliche Trinkwasserbrunnen einrichten wollen, zum Beispiel an besonders heißen Tagen. Auch wenn es nur für einige Tage ist, lohnt die Investition.
Benutzung ist besser als Wartung
Und Zsófia und ihr Team arbeiten an weiteren Verbesserungen, um die Wartung zu vereinfachen. Bisher spülen Mitarbeiter der Wasserwerke alle zwei Wochen die Hydranten durch um sicherzustellen, dass in keinem für längere Zeit das Wasser steht, weil er nicht benutzt wird. Ein kleiner Chip könnte dies in Zukunft melden. Wenn er auch noch über GPS verfügen würde, könnte man die Standorte ganz einfach in Karten einbauen. Außerdem soll er Diebe abschrecken; eine Furcht die Zsófia und ihr Team vom ersten Tag umtrieb, seit sie ihren ersten Prototyp anschraubten. „Er ist halt aus Metall!“, lacht Zsófia. Trotzdem ist ein Chip für Zsófia nicht die Ideallösung. Probleme mit der Wasserqualität entstehen nämlich gar nicht erst, wenn der Ivóscap regelmäßig benutzt wird. Deshalb sei es so wichtig, ihn weiter bekannt zu machen. In diesem Winter findet deshalb ein Designwettbewerb für „floor graphics“ statt, mit denen die Ivócsap-Hydranten im Stadtbild hervorgehoben werden sollen. Jeder anders, und jeweils passend zum Standort. Wie gesagt: wer achtet schon auf Hydranten?
Am meisten lernen die Menschen allerdings durch Beobachtung, glaubt Zsófia. Am Anfang der Aktion haben sie jeden Tag die Interaktion der Menschen mit den Hydranten beobachtet. Am Anfang kamen vor allem diejenigen, welche von der Aktion über die Design Hét oder das Internet gehört hatten. Viele Menschen, welche diese Pioniere trinken gesehen hatten, gingen danach selber hin, um das Gerät auszuprobieren. „Am Anfang haben wir beobachtet, wie manche den Ivócsap vorsichtig gestreichelt haben“, lacht Zsófia, „offenbar glaubten sie, das funktioniere mit Touch oder so. Aber so „Hightech“ sind wir nicht. Wir wollten bewusst nur einfache Technik einsetzen.“

Zsófia Zoletnik hatte mit drei anderen Kommilitoninnen die Idee zum Ivócsap.
Drei Jahre hat es bis zum ersten Protoyp gedauert. Noch zwei weitere bis
in Budapest 43 Hydranten damit ausgestattet sind.
Die Idee wird zum Erfolgsprojekt
Inzwischen wurden schon einige Geräte in andere Städte verkauft. Dafür haben sie eine kleine Firma gegründet. Aber Zsófia schätzt die Aussichten realistisch ein: „Wir werden sicher noch einige verkaufen, aber sie halten ja auch 10-20 Jahre.“ Gerne würden sie die Idee an Festivals vermarkten, vielleicht einen Mietservice einrichten. Aber die Festivals sind in einem Dilemma: bieten sie kostenloses Trinkwasser, gehen die Umsätze der Getränkeverkäufer zurück, deren Standgebühren eine Haupteinnahmequelle für die Festivals sind. Auch in Budapest gibt es diese Problematik. „Die Wasserwerke vermuten, dass Getränkeverkäufer für den Vandalismus an den Trinkbrunnen auf der Margareteninsel verantwortlich sind“, seufzt Zsófia. Der Ivócsap schafft also eine Konkurrenzsituation. „Aber auf der Straße sind Bänke, Mülltonnen und Bäume auch alle umsonst – Warum nicht Wasser? Diese Sachen sollten umsonst sein in einer Stadt.“ Sie hebt die Arme. „Aber da bin ich vielleicht zu idealistisch.“
Mülltonnen sind übrigens ihr nächstes Projekt. Denn in öffentlichen Mülleimern wird so gut wie nie der Müll getrennt. „Mal schauen, ob uns da nicht was einfällt“, schmunzelt Zsófia.