Seit Mittwoch trägt im Stadtwäldchen ein kurzer Abschnitt des Városligeti körút Adenauers Namen. Dort wurde auch feierlich eine Büste enthüllt. Die Festredner Hans-Gerd Pöttering und Antal Rogán rangen in ihren Reden um das europäische Vermächtnis des ersten deutschen Bundeskanzlers.
„Auch nach Osten müssen wir blicken, wenn wir an Europa denken!“ Mit dieser Aussage des 91-jährigen Adenauers begann Mária Schmidt, Direktorin des Budapester House of Terror, ihre Würdigung Adenauers. Als erster Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland stand er nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg vor einer gigantischen Herausforderung: „Er musste ein neues Land gründen!“ Mit seiner entschlossenen Bindung an den Westen und seinem Bemühen um Aussöhnung legte er zugleich die Fundamente für die europäische Integration. Der „Vollblutpolitiker“ verlor dabei jedoch nie sein größtes Ziel aus den Augen: die Wiederherstellung der deutschen Einheit. Doch erst 30 Jahre später sollte Helmut Kohl „zu Ende führen, was sein Meister begann.“ Dass dies möglich wurde, so Schmidt, dazu habe Adenauer mit der sozialen Marktwirtschaft die Weichen gestellt: „Adenauer war überzeugt, dass ein freies und blühendes Deutschland wie ein Magnet auf den Osten wirken würde – und so kam es dann auch.“
Die Idee zu der Ehrung Adenauers entstand Anfang des Jahres auf einer Konferenz zum Erbe Helmut Kohls im House of Terror. Premier Viktor Orbán machte sich die Idee zu Eigen und beauftragte Sozialminister Zoltán Balog mit der Umsetzung, wozu dieser die Stiftung für ein bürgerliches Ungarn und Mária Schmidt mit ins Boot holte. Die Büste wurde gestaltet vom Debreziner Künstler Richárd Juha und trägt in Deutsch, Englisch und Ungarisch ein Zitat von Adenauer:
„Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“
Dementsprechend war Europa auch das Thema der beiden Festredner. Hans-Gerd Pöttering, Präsident des Europäischen Parlamentes a.D. und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, erinnerte daran, dass Deutschland seine Einheit auch dem Freiheitswillen der Ungarn und der anderen osteuropäischen Völker verdanke. Die EU verkörpere diesen Willen zur Freiheit und nur auf ihrer Grundlage werde Europa erfolgreich sein. Deshalb nehme die EU auch die Freiheit aller Einheiten ernst. „Brüssel ist nicht das neue Moskau!“ sagte er mit Blick auf eine entsprechende Äußerung Orbáns. Er mahnte an, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, auch wenn man sie nicht teile. Es gebe in Zukunft nicht mehr den ungarischen oder den deutschen, sondern nur noch den gemeinsamen Weg: Auch und gerade in der Flüchtlingskrise. Wo man unterschiedlicher Meinung sei, müsse man
miteinander reden und immer „das sagen, was man für die Wahrheit hält“. Ein Europa der Stacheldrähte und Wasserwerfer könne man aber nicht wollen. Wahr sei aber auch, dass wir nicht alle Menschen in Not zu uns holen können. Jede Lösung müsse allerdings der Menschenwürde gerecht werden.
Antal Rogán, Kabinettschef Orbáns, warnte dagegen vor einer europäischen „Supranationalität“ und vor „aufgezwungenen Lösungen“; diese seien ein Irrweg. Nötig sei dagegen eine Erneuerung Europas, was jedoch nicht zwingend die Erfindung von etwas Neuem sei. Rogán deutete die Reformation wie auch die Französische Revolution als Rückkehr zu christlichen Werten, die Europa immer schon ausgemacht hätten: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit seien urchristliche Prinzipien. Auch Adenauers Politik der Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg sieht er in dieser Kontinuität der Erneuerung durch Rückkehr zu den Wurzeln. In jeder Heiligen Mess werde „offerte vobis pacem“ (lat. „erbietet einander Frieden“) gesagt „und genau das haben die Völker getan“. Europa solle sich auch heute erneuern, indem es zu den eigenen Wurzeln zurückkehre. Zu Beginn seiner Rede hatte Rogán den Gedanken gestellt, dass Denkmäler gerade in Krisenzeiten zu reden begännen. In den Reden des Tages wurde eines ganz deutlich: Adenauer hätte sicher eine Menge zu sagen.