Ungarn hat viele bedeutende Schriftsteller hervorgebracht. Doch der Glanz rührt nicht nur aus vergangenen Tagen. Auch zeitgenössische Werke finden international Beachtung. So geschehen auch jüngst auf der Frankfurter Buchmesse. Die Budapester Zeitung sprach mit Dr. Dezső Szabó über die Messe.
- Wer vertrat Ungarn in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse?
Auf der diesjährigen Internationalen Frankfurter Buchmesse wurden an zwei Orten ungarische Werke von gleich drei Autoren vorgestellt: Am Freitag sprachen auf dem Open Stage Forum Autor György Dragomán und Katharina Raabe, Redakteurin beim Suhrkamp Verlag, über Dragománs jüngstes Werk „Scheiterhaufen”. In der Übersetzung von Torsten Hoffmann wurden auch Auszüge vorgelesen. Am selben Ort stellte am Sonntagmorgen Noémi Kiss ihr Werk „Schäbiges Schmuckkästchen” vor, wobei sie sich auch den Fragen von Lerke von Saalfeld stellte. Am frühen Nachmittag wurde dann im Lesezelt, genauer gesagt im zauberhaften Schloßzelt Autorin Krisztina Tóth zu ihrem Werk „Aquarium” von Lerke von Saalfeld befragt. Auszüge wurden von der Schauspielerin Sofie Alice Miller vorgelesen.
Das größte Interesse unter den ungarischen Veröffentlichungen erregte in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse jedoch Péter Gárdos´ Werk „Fieber am Morgen”, erschienen beim Hoffman und Campe Verlag. Der Autor wurde gleich auf mehreren Bühnen, unter anderem von der ARD und Die Welt, zu seinem Roman befragt. Auch auf das als Publikumsliebling bekannte „Blaue Sofa” schaffte es Gárdos mit dem Band. Am ungarischen Stand waren neben den ausgestellten ungarischsprachigen Bänden auch die frisch veröffentlichten ungarischen Werke in deutscher Übersetzung zu finden, hauptsächlich erschienen in den Verlagen Suhrkamp, Europa, Nischen und Rowohlt.
- Wie wurden die ungarischen Vertreter ausgewählt?
Das Programm und welche Autoren und Bücher Ungarn auf der Frankfurter Buchmesse vertreten, wurde vorrangig davon festgelegt, welche Neuerscheinungen wir dem deutschen (Fach-)Publikum präsentieren können. Es würde keinen Sinn ergeben, zwar wundervolle, aber nicht ins Deutsche übersetzte Autoren und ihre Werke in Frankfurt vorzustellen. Am Ende fällt jedoch die breite Jury des Publishing Hungary Kuratoriums die Entscheidung.
- Wie hat sich das Balassi Institut auf die Messe vorbereitet?
2013 und 2014 konnten der Verein ungarischer Verlage (MKKE) und das Publishing Hungary Programm des Balassi Instituts sich nicht auf einen gemeinsamen Stand in Frankfurt verständigen. So empfing das Publishing Hungary Programm seine Besucher und das Fachpublikum an einem eigenen Stand auf der Messe. Dies vertiefte aber nur die Differenzen innerhalb der Branche. 2015 setzte man sich wieder zu Gesprächen zusammen. Entstanden ist eine Kooperationsvereinbarung, in der gesondert der gemeinsame Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse festgehalten wurde. In diesem Jahr vertraten nun der MKKE, die anwesenden Verlage, das Balassi Institut und das Stuttgarter Ungarische Kulturzentrum gemeinsam Ungarn und seine Literatur. Dies war fantastisch, die Zusammenarbeit lief von Anfang an reibungslos, und für uns alle bedeutete diese Kooperation eine optimistische Synergie, über die wir sehr erfreut waren.
- Was war Ihre Aufgabe vor Ort?
Auf der einen Seite ist es unsere Aufgabe, die Besucher zu empfangen und über Neuerscheinungen zu informieren. Auf der anderen Seite führen wir dort auch Gespräche mit Vertretern des Fachpublikums. Dabei kann es beispielsweise konkret um die Übersetzung oder Herausgabe eines Werkes gehen, aber auch Gespräche mit Vertretern anderer Nationen über kommende internationale Buchmessen sind schon vorgekommen. So erhielten beispielsweise die ungarischen Herausgeber durch unsere Organisation die Möglichkeit, sich am 15. Oktober mit rund zehn taiwanesischen Herausgebern zu treffen, um ein gemeinsames Projekt als Ehrengast im kommenden Jahr zu besprechen. Die Rückmeldungen von beiden Seiten ließen erkennen, dass die Gespräche durchaus nützlich waren. Mit ähnlichen Anliegen traten auch die Organisatoren der Pekinger, Warschauer, Göteborger und Brüsseler Buchmesse an uns heran. Den Direktor der Leipziger Buchmesse wiederum haben wir aufgesucht, um Details einer Kooperation zu besprechen.
- Welche Rückmeldungen haben Sie von den Besuchern bekommen?
Sehr gute! Vor allem die vielfältige ungarische Auswahl – und darunter auch viele Neuübersetzungen bereits erschienener Werke – wurden gelobt. Aber ähnlich gespannt wurden auch die farbigen Kunstbände, touristische Bücher und gastronomische Veröffentlichungen erwartet. Hervorgehoben werden muss, dass insbesondere die Werke „Scheiterhaufen” von György Dragomán und „Fieber am Morgen” von Péter Gárdos außergewöhnlich erfolgreich waren und damit die Aufmerksamkeit auf die ungarische Literatur lenkten. Dafür sind wir ausgesprochen dankbar. Dank Daniel Kehlmans Aussagen in der Literatur-Sonderausgabe des Spiegel wurden auch Besucher angelockt, die vorher vielleicht kaum etwas über ungarische Literatur wussten. Laut Kehlman sollte man, wenn man nach einer literarischen Großmacht sucht, den Blick nicht in die USA, nach England oder Frankreich, sondern nach Ungarn wenden. Denn es gibt kein zweites Land, das gemessen an seiner geringen Einwohnerzahl in so großer Dichte so gute Autoren hervorbringt. Bessere Werbung hätten wir selbst auf Bestellung nicht bekommen können!
- Zwar nicht direkt zur Buchmesse, aber aus Interesse: Wie schwer ist es, oder eher wie können gute Übersetzter für ungarische Werke gefunden werden?
Dies ist wirklich eine schwierige Frage. Oft spielt auch einfach der Zufall mit, wenn es um die Entdeckung eines guten Übersetzers geht. Und natürlich sind auch die Herausgeber nicht untätig, wenn es darum geht. Das Balassi Institut ist seit Jahren mit seiner Literaturübersetzer-Ausbildung darum bemüht, so viele und so gute Übersetzer wie möglich auszubilden. Leider haben sich in den vergangenen Jahren immer weniger Schüler für die klassischen europäischen Sprachen – darunter auch Deutsch – gemeldet. Dies hat vorranging finanzielle Gründe. Deswegen möchten wir im Rahmen des Publishing Hungary Programms auch die Ausbildung zum Literaturübersetzer besser präsentieren, in der Hoffnung wieder mehr potentielle Bewerber anzulocken für diese wundervolle Aufgabe. Bis dahin versuchen wir unsere bereits fertigen und wahrlich hervorragenden Übersetzer mit Stipendien zu untersützen. Heike Flemming beispielsweise ist mehrfach preisgekrönt und hat ebenfalls bei uns studiert.