Von György Sebes
Die Flüchtlingskrise holt aus allen das Beste heraus. Das Staatsoberhaupt etwa erklärte, der Ministerpräsident sei bloß „in Bulgarien spazieren gewesen” (nachdem er selbst an einem Treffen teilgenommen hatte, an dem die Regierungschefs dreier Balkanländer zugegen waren). Der Regierungschef konterte daraufhin, dass der Staatspräsident in Brüssel so viel zu suchen habe „wie ein taubes Mädchen auf dem Tanzparkett” (schließlich war er bei einem Mini-Gipfel zur Behandlung der Flüchtlingskrise anwesend).
All diese Gefälligkeiten wurden freilich nicht hierzulande ausgetauscht, sondern in Rumänien. So ergeht es eben einem Land, wo die höchsten Würdenträger des Staates nicht aus einem Stall, pardon, einer Partei stammen. In unseren Breitengraden kann so etwas nicht vorkommen, und nicht nur deshalb, weil Áder und Orbán alte Waffenbrüder sind. Wie wir aufgrund der Plakate und Inserate wissen, herrscht in Ungarn nationale Eintracht: Die Menschen haben entschieden, das Land muss verteidigt werden. Wie viele darüber entschieden haben, tut nichts zur Sache, was letztlich zählt, ist, dass sich das Volk hinter dem weisen Premier des Landes geschart hat. Wer sich nicht hinter ihn gestellt hat, ist nicht Teil des Volkes. Basta.
Bei solch einer Unterstützung nimmt es kaum Wunder, dass Viktor Orbán sich beim Brüsseler Flüchtlingsgipfel am vergangenen Sonntag wie ein siegreicher Feldherr gerierte. Nachdem er einen Teil des Landes mit Zäunen abgeriegelt hatte, um die suspekten und gefährlichen Elemente, die sich verlogen als Flüchtlinge ausgeben, von Ungarn fernzuhalten, brachte er es auch fertig, den anderen bemitleidenswerten europäischen Staaten Ratschläge zu erteilen. Er machte es sich in dem von ihm geschaffenen Beobachterstatus bequem und teilte mit, dass die verquere Vorstellung offener Grenzen nicht mehr haltbar sei. Schließlich laufe sie dem Geist und der Praxis Schengens zuwider und zersetze die Union.
Orbánsche Flüchtlingspolitik setzt sich durch
Viktor Orbán hat wieder gesiegt. Mit dem Schüren von Fremdenfeindlichkeit und Hass innerhalb gut geschützter Grenzen hatte er schon einmal gewonnen. Dadurch hatte er die Aufmerksamkeit von den Problemen gelenkt und die Basis seiner Partei – und seiner Regierung – gestärkt. Jetzt konnte er neue Lorbeeren ernten, diesmal sogar auf EU-Ebene. Immer mehr Staats- und Regierungschefs artikulieren heute, was er bereits seit Langem betont. Die Völkerwanderung muss gestoppt werden, und wenn es anders nicht geht, dann eben mit dem Bau von Mauern und Zäunen, auf jeden Fall aber durch ein gemeinsames Vorgehen.
Davon sprach er beim Treffen der Regierungschefs dreier Balkanländer und dasselbe war auch in Brüssel – als Kassandraruf – zu vernehmen. Obwohl der Notfallplan des EU-Kommissionspräsidenten auch die Forderung beinhaltet, dass die EU-Staaten gegenüber den Flüchtlingen nicht gleichgültig sein dürfen, lief er dennoch darauf hinaus, wie der Einwanderung Einhalt geboten werden kann.
Die ungarischen Menschen haben sich über solche Fragen schon längst hinweggesetzt, was ihrem weisen und umsichtigen Ministerpräsidenten zu verdanken ist. Dieser hat sogar schon Zeit, die Briefe belgischer Kinder zu beantworten und ihnen zu schreiben, dass die schnöde europäische Politik der Grund allen Übels sei. Welch Glück, dass wir einen Viktor Orbán haben, und welches Pech, dass er nicht die Geschicke Europas lenkt. Er hätte den Kontinent schon längst aus dem Schlamassel gezogen.
Der Autor ist Kommentator der linken Tageszeitung Népszava. Der hier wiedergegebene Text erschien ebendort.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar