Man mag zu Kanzleramtsminister János Lázár stehen, wie man will. Eines ist jedoch sicher: Der Berufspolitiker hält sich keineswegs an das alte Sprichwort, nicht die Hand zu beißen, die einen füttert. Ganz im Gegenteil. Der Chef des Amtes des Ministerpräsidenten ist in den vergangenen Monaten immer wieder durch offen kritische Kommentare und fast schon oppositionelle Meinungsäußerungen aufgefallen. Sehr zum Missfallen der Parteispitze, wie es scheint.
Bereits im Frühjahr richteten sich viele Blicke verwundert auf János Lázár, als er Premier Orbán offen in Sachen Fußball-Subventionen widersprach. Lázár sagte noch im Frühjahr, er würde nicht so viel in diesen Sport investieren. Auch an anderer Stelle stellte er sich gegen das Regierungsoberhaupt. Auf den Beschluss, Sándor Csányi für seine maßgebliche Rolle im Finanzsektor mit der höchsten staatlichen Auszeichnung zu ehren, reagierte Lázár ebenfalls verschnupft und bezeichnete die Ehrung des „größten Wucherers“ als falsch. Und noch eine Herzensangelegenheit des Premiers kritisierte der lange als Orbán-Nachfolger gehandelte Minister offen: Die auffällig schnelle und über die Maßen üppige Bereicherung des Bürgermeisters von Felcsút, der Heimatgemeinde Orbáns, Lőrincz Mészáros. Zuletzt erlaubte sich Lázár einen bissigen Kommentar, als Staatsskeretär Giró-Szász zurücktrat. Zwar hielt sich Lázár seither mit allzu offener Kritik zurück, doch von Vergeben und Vergessen kann nicht die Rede sein. Auf der letzten Präsidiumssitzung des Fidesz wurden Lázárs rhetorische „Fehltritte“ in einem gesonderten Punkt auf die Tagesordnung gesetzt.

Antal Rogán wird in seiner neuen Position spöttisch (auch von János Lázár) als „Propagandaminister“ bezeichnet.
Nicht das erste Mal in der Kritik
Auf die Tagesordnung wurde das Ganze von Parlamentspräsident László Kövér gesetzt, schreibt das Nachrichten- und Meinungsportal vs.hu. Kövér soll das Verhalten und die Äußerungen seines Parteikollegen als „nicht hinnehmbar“ bezeichnet haben. Lázár sei innerhalb der Partei inzwischen mit jedem aneinandergeraten, dies habe Spannungen und Zerwürfnisse zur Folge.
Dies war jedoch keineswegs das erste Mal, dass Kanzleramtsminister Lázár von Kövér offen angegangen wurde. Doch bisher war es immer Regierungschef und Parteivorsitzender Viktor Orbán selbst, der jegliche Kritik an seiner rechten Hand abbügelte. Ja, sein Ton sei rau, allerdings arbeite Lázár so viel und hart, dass er sich solche Querschüsse schlicht erlauben könne. Die innerparteiliche Kosten-Nutzen-Rechnung scheint sich jedoch langsam zu Ungunsten Lázárs zu verschieben, denn diesmal gab es keine Intervention Orbáns. Mehr noch, sein politischer Ziehvater und bisher größter Fürsprecher nannte Kövérs Anmerkungen geradeheraus „bedenkenswert“, denn mittlerweile störe es auch Orbán selbst, dass Lázár sich schlicht nicht zügeln könne, zitiert vs.hu Fidesz-Kreise. Dass Lázár dem Fidesz zu viel geworden zu sein scheint, zeigt sich noch an anderer Stelle deutlich: dem frischgebackenen Minister Antal Rogán.
„Teile und herrsche“
Die Ernennung Antal Rogáns, das machte János Lázár mehrfach deutlich, dürfte einer der größten Konfliktherde innerhalb der Spitze des Fidesz sein. Denn während Lázár lange (auch teils von deutscher Seite – die Budapester Zeitung berichtete) als Nachfolger gehandelt wurde, zog er immer mehr Aufgaben an sich oder bekam sie zugeteilt. Überraschend kommt es daher keineswegs, dass Premier Orbán nun versucht, seinen übermächtig gewordenen Kanzleramtschef wieder zurechtzustutzen. Vs.hu zitiert einen Vertrauten Orbáns, der halb im Scherz oft sehnsüchtig an die Zeiten zurückdenkt, in denen der Technokrat und jetzige Volkswirtschaftsminister Mihály Varga zwischen 2010 und 2012 das Kanzleramt führte. Damals hätte es vor jeder zu fällenden Entscheidung zwei „hübsch ausgearbeitete Versionen A und B gegeben, mitsamt den absehbaren Konsequenzen“. Jetzt hingegen könnte Orbán kaum noch Schritt halten mit Lázár, der gar teils eigenmächtig Entscheidungen fällen würde.
Doch all dies hätte Regierungschef Orbán vielleicht noch hingenommen, war er bislang doch äußerst nachsichtig mit seinem potenziellen Nachfolger. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, dürfte wohl der Disput mit Antal Rogán gewesen sein. Im Rahmen dessen ging János Lázár gar so weit, mit seinem Rücktritt zu drohen, sollte seinen Forderungen in Hinblick auf die Ausgestaltung des neuen Aufgabenfeldes Rogáns nicht nachgekommen werden.
Obwohl diesen Forderungen zum Teil nachgekommen wurde und János Lázár noch immer im Amt ist, sehen Kenner der Partei Lázárs Schicksal mittelfristig jedoch als besiegelt, zitiert vs.hu. Denn mit dem neu geschaffenen „Propagandaministerium“, wie János Lázár das neu geschaffene Ressort seines parteiinternen Rivalen bezeichnete, dürfte die Rolle des Kronprinzen demnächst wohl an den neuen Minister Rogán gehen.
Seit vergangenem Montag kann sich Antal Rogán nun daran machen, diese neue Rolle zu verfestigen, wurden doch die Befugnisse seines neuen Ministeriums per Verordnung beschlossen. Zsolt Semjén zeichnet verantwortlich für die Verordnung, wonach Rogán von nun an im Kabinettbüro des Ministerpräsidenten für die Organisation, Überprüfung und Koordinierung der allgemeinen Politik verantwortlich ist. Des Weiteren kann der neue Minister jederzeit auch den Status Quo der Umsetzung der Regierungspolitik von den ausführenden Stellen für das Regierungsoberhaupt einfordern. Rogán wird von nun an als Orbáns Sprachrohr in Richtung der Minister und Regierungsbehörden fungieren. Zu den Kommunikationsaufgaben Rogáns wird es weiterhin gehören, die Webpages der Regierung zu vereinheitlichen, außerdem ist er für alle Protokollfragen des Ministerpräsidenten zuständig, sowohl bei Auslandsfahrten als auch bei Staatsbesuchen. Rogáns „Kommunikationsministerium“ ist das zehnte Ressort der Regierung. Scharfe Kritik kommt derweil aus Oppositionskreisen. Warum der Premierminister gleich zwei Ministerien braucht, die ihn unterstützen, dafür aber essentielle gesellschaftliche Bereiche wie das Gesundheits- oder Bildungswesen kein eigenes Ressort haben, ist fürwahr mehr als fragwürdig.