Wie steht es aktuell um die Situation der Berufsausbildung in Ungarn, besonders der erst in diesem Jahr eingeführten dualen Ausbildung nach deutschem Vorbild? Welchen Stellenwert messen ihr Wirtschaft und Politik bei? Und wie steht es um die rechtlichen Rahmenbedingungen und staatlichen Fördermaßnahmen? All diesen Fragen ging man auf der ersten Berufsausbildungskonferenz bei der Audi Hungaria Motor Kft. in Győr nach.
Die im Audi Projekt- und Trainingscenter ausgerichtete Konferenz unter dem Motto „Chancen der dualen Ausbildung in Ungarn“ wurde von Audi Hungaria gemeinsam mit der Deutsch-Ungarischen Industrie-und Handelskammer (DUIHK) organisiert sowie von der Deutschen Botschaft in Budapest und der ungarischen Regierung unterstützt. Sie bot Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer zwischen Vertretern der ungarischen Regierung (genauer: dem Ministerium für Nationale Wirtschaft, NGM), Vertretern der Wirtschaft, Berufsbildungs-Experten aus beiden Ländern und ungarischen Berufsschulen.
„Rasche Integration in die Arbeitswelt“
In ihrem Grußwort betonte sogleich Elisabeth Knab, Geschäftsführerin Personalwesen bei der Audi Hungaria, die Vorzüge der in Deutschland entwickelten und erfolgreichen dualen Ausbildung: „Die duale Ausbildung ist ein deutscher Exportschlager. Dank der engen Verbindung zwischen Theorie und Praxis können die Auszubildenden sehr rasch in die Arbeitswelt eintreten.“ Seit 2001 bilde man im Projekt- und Trainingscenter der Audi Hungaria aus, ganze 90 Prozent der gesamten Absolventen seien bei der ungarischen Tochter des deutschen Automobilherstellers angestellt. „Wir wollen solche besonders positiven Beispiele für eine erfolgreiche Berufsausbildung vorstellen und bekannt machen. Denn bestens qualifizierte Mitarbeiter sind der Schlüssel für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens“, schloss Knab.
„2015 startete eine neue Zeitrechnung“, begann hernach Wirtschaftsminister Mihály Varga seine Rede. „Durch die Steuerung der Berufsausbildung in Ungarn durch das NGM und die Ungarische Industrie- und Handelskammer hoffen wir, noch schneller auf die Nöte der Wirtschaft reagieren zu können.“ Er danke hierbei auch der DUIHK für den regelmäßigen Austausch, wo man etwa vierteljährlich die Fortschritte auf dem Gebiet der Berufsausbildung in gemeinsamen Arbeitsausschüssen auswerte. Die ungarische Wirtschaft brauche laut Varga gut ausgebildete Arbeitskräfte; in diesem Zusammenhang habe man etwa auf Unternehmen wie Audi Hungaria immer zählen können, er sei sich sicher, dass man dies auch weiterhin tun könne.
„System der dualen Ausbildung weltweit gefragt“
Der Botschafter Deutschlands in Ungarn, Dr. Heinz-Peter Behr erklärte, dass die besten Geldanlagen Investitionen in Wissen, Bildung und die Jugend seien. „Die Konferenz verspricht viele entsprechende zukunftsweisende Impulse zu senden. Sie ist zugleich ein Zeichen dafür, dass nicht nur deutsche Produkte weltweit gefragt sind, sondern auch das System der dualen Ausbildung.“ Die deutschen Unternehmen und die DUIHK seien Ungarns Partner bei deren Ausgestaltung hierzulande. „Sowohl die deutschen Betriebe, als auch die Kammer sind vielfältig, aber dennoch gemeinschaftlich in dieser Sache engagiert“, betonte der Botschafter. Offene, vertrauensvolle Gespräche würden dabei die entsprechende Atmosphäre zur Kooperation schaffen.
Von Seiten der Kammer hob Ildikó Jakabucz, die für Berufsbildung verantwortliche DUIHK-Vizepräsidentin, hervor: „Die Berufsausbildung in Ungarn ist eine wichtige Frage, was bereits die hohe Teilnehmerzahl bei dieser Konferenz zeigt.“ Sie habe vor Jahren einen persönlichen Traum gehabt, nämlich dass eines Tages die duale Ausbildung in Ungarn eingeführt wird. „Mit der heutigen Konferenz wurde dieser Traum wahr. Künftig träume ich davon, dass wir endlich ein Ende des Ingenieursmangels in Ungarn vermelden können.“ Für deutsche Unternehmen sei es wichtig und auch selbstverständlich, dass Auszubildende auch Praxisunterricht erhalten. Die Regierung habe nun den Rahmen dafür geschaffen, dass dies auch in Ungarn so wird. „Denn nur mit gut ausgebildeten Arbeitskräften kann Ungarn wettbewerbsfähig sein. Die DUIHK hat seit Anfang an die strategische Aufgabe, dabei mit zu wirken“, schloss Jakabucz.
„Regierung offen für Anregungen seitens der Wirtschaft“
In seinem Impulsvortrag verkündete László Odrobina, stellvertretender Staatssekretär im NGM, dass die Politik „nur schlau sein kann, wenn die Wirtschaft ihre Schlauheit mit uns teilt.“ Ein Schritt in Richtung weiteres Wirtschaftswachstum könnte die Reform der Berufsausbildung in Ungarn darstellen, da oft die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Arbeitskräften bei Investitionsentscheidungen ausschlaggebend sei. Erste Tendenzen der Besserung seien bereits sichtbar, die Beschäftigung unter den Ungarn mit Berufsausbildung steige seit 2013 deutlich Richtung EU-Durchschnitt. „Wir müssen diese Zahl und die Anzahl der Berufsausbildungs-Teilnehmer steigern, genauso das Niveau des Unterrichtes“, erklärte Odrobina. Man sei bezüglich weiterer Maßnahmen offen für Rückmeldungen seitens der Unternehmen, zum Beispiel auch bei Wegen zur Steigerung der Zahl junger Arbeitskräfte mit mindestens mittleren Kenntnissen einer Fremdsprache wie Deutsch.
Im weiteren Verlauf der Konferenz gab es neben Expertenvorträgen auch thematische Workshops mit Vertretern von regionalen Industriekammern, Berufsschulen, Unternehmen, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages und der IHK München und Oberbayern. Parallel präsentierten sich die mitwirkenden Organisationen, aber auch Unternehmen wie die Siemens Zrt. und FAG Magyarország sowie der Deutsche Wirtschaftsclub Ungarn an Ständen interessierten Besuchern. Die Veranstaltung schloss mit einem Podiumsgespräch, bei dem dessen Teilnehmer Themen nachgingen wie „duale Ausbildung als Erfolgsfaktor gegen Arbeitslosigkeit“, neue Formen des Lernens, Zukunft der Ausbildung/ Ausbilder, Azubi wird Mitarbeiter und Entwicklungswege nach der Berufsausbildung.