Brüssel gibt kein Geld für energietechnische Modernisierungen von Wohngebäuden. Jedenfalls behauptet so etwas neuerdings das Ministerpräsidentenamt. Der Hintergedanke des plötzlichen Kurswechsels ist nicht bekannt.
Anfang Oktober schon ließ der das Ministerpräsidentenamt leitende János Lázár die Bombe platzen: Auf einer Fachkonferenz erklärte er, es werde kein Programm zur energietechnischen Gebäudemodernisierung für Privathaushalte aus EU-Geldern geben. Die Fachleute schüttelten nur die Köpfe, der Energieklub warnte vor einem „riesigen nationalstrategischen Fehler“. Das über die Vergabe der EU-Fördermittel herrschende Ministerium ließ das Trommelfeuer der Kritiker auf sich einprasseln.
Dann kam das neue Sprachrohr der Regierung zum Zuge; an diesem Montag ließ die bestens informierte Tageszeitung „Magyar Idők“ wissen, die „Richtlinien der Europäischen Union erlauben keine private Nutzung der EU-Gelder, weshalb die energietechnische Modernisierung ausschließlich bei öffentlichen Einrichtungen möglich wird“. Die ungarische Regierung hätte alles versucht, um Brüssel umzustimmen und die Bevölkerung in das Programm einzubeziehen, doch habe „die EU dies – ebenso wie schon früher – auch in Verbindung mit dem Haushaltszyklus 2014-2020 nicht gestattet“. Erklärend wird nachgeschoben, dass die einschlägigen Programme im vorigen Haushaltszyklus aus ungarischen Haushaltsmitteln bzw. aus Erlösen des Emissionsquotenhandels finanziert wurden.
Das mag sein, doch erscheint es wenig sinnvoll, die Vergangenheit heraufzubeschwören, wenn die EU-Kommission Ungarn in ihrem länderspezifischen Bericht im Vorjahr aufforderte, die Energieeffizienz insbesondere von Wohngebäuden zu erhöhen. Denn die Energieintensität der ungarischen Privathaushalte weise innerhalb der EU mit die schlechtesten Werte auf. Ganz im Einklang mit diesen Empfehlungen reichte die ungarische Regierung im Herbst 2014 zwei Operativprogramme ein, die schwere Milliardenbeträge für die energietechnische Modernisierung – sowohl für Wohn- als auch für öffentliche Gebäude – veranschlagen. Darin wurden ausdrücklich staatliche Zuschüsse für Privatpersonen ausgewiesen, die der Energieverschwendung in ihren vier Wänden Einhalt gebieten wollen.
Ganz in diesem Sinne erklärte der Fachstaatssekretär des Entwicklungsministeriums noch im August, dass schon im Frühjahr 2016 die ersten Ausschreibungen veröffentlicht werden, um veraltete Einfamilienhäuser zu modernisieren. Konkret nannte er die Summe von 150 Mrd. Forint (knapp 500 Mio. Euro). Nahezu utopisch mutete an, dass mit diesem Geld bis 2020 bis zu drei Millionen Häuser auf Vordermann gebracht werden könnten – der Wohnungsbestand in Ungarn umfasst insgesamt rund vier Millionen Wohneinheiten.
Erst in diesem Jahr verabschiedete die Regierung eine „Nationale Strategie für Gebäudeenergetik“. Darin steht, dass die Wohngebäude ungefähr ein Drittel des Primärenergiebedarfs Ungarns von ca. 1.000 PJ verschlingen. Bis 2020 soll dieser spezifische Energieverbrauch um 38 PJ gesenkt werden, also um ein gutes Zehntel. Und jeder einzelne Prozentpunkt spart zweieinhalb Prozentpunkte bei den Erdgasimporten ein.
Minister János Lázár hat wiederholt öffentlich beklagt, welche Verantwortung auf seinen Schultern lastet, weil er praktisch uneingeschränkt über die EU-Gelder verfügt. Warum er dieser Tage lange abgestimmte Strategien über den Haufen wirft, kann er wohl erklären, logischer wird sein Verhalten dadurch aber nicht. Immerhin zeigt er – dem Entwicklungsministerium –, dass er in der Tat die Verfügungsgewalt über die Fördermittel aus Brüssel besitzt. Leider bleibt es dabei, dass diese Regierung keine Konsistenz zu wahren vermag. Weil Transparenz Fehlanzeige ist, versteht niemand die Beweggründe im Hintergrund. Da helfen auch keine Erklärungsversuche à la „Magyar Idők“.