Bereits im März stattete Premier Viktor Orbán seinem ehemaligem Fachkollegium einen Besuch ab, und hielt dort eine nicht-öffentliche Rede. Das Onlineportal 444.hu veröffentlichte nun Ausschnitte aus dieser Rede, in der es nicht nur eine Erklärung dafür gibt, warum die ungarische Regierung ein reiner Männer-Club ist, sondern in welcher der Premier selbst über seinen Nachfolger spekuliert.
„Es gibt talentierte Damen, die vielleicht fähig wären (zur Ministerin – Anm), aber ich wundere mich nicht, dass sie sich nicht für diese Aufgaben melden“, erklärte Premier Orbán im März im Bibó-Fachkollegium. Schließlich sei die Politik in Ungarn ein beinhartes Geschäft, das vorrangig auf „Charaktermord“ baue. Dies könnten Frauen schlicht nicht ertragen, so das Regierungsoberhaupt. Dabei sieht er durchaus Bedarf an Frauen in der Politik, denn „Frauen und Männer gehen an dasselbe Problem von ganz anderer Seite heran. Das ist nicht nur berechtigt, sondern nützlich.“ Trotzdem hat es keine Frau an die Spitze eines der nunmehr zehn Ministerien der dritten Orbán-Regierung geschafft, mehr noch, auch unter den 52 Staatssekretären finden sich lediglich sieben Damen.
Doch nicht nur über die (fehlende?) Eignung der Damen wurde gesprochen. Auch über einen potenziellen Nachfolger sinnierte Orbán vor seinen Zuhörern.
Fünf-Punkte-Checkliste für Nachfolger
Ob aus langsam einsetzender Amtsmüdigkeit oder taktischen Erwägungen, um schon jetzt den Rückhalt für eine erneute Aufstellung als Spitzenkandidat bei den Parlamentswahlen 2018 zu sichern, ist nicht bekannt, doch Viktor Orbán macht sich schon jetzt Gedanken, wer ihn als Ministerpräsident beerben könnte. „Ein paar Liegestütze kann ich schon noch machen“, aber mit seinen 52 Jahren habe er noch ein-zwei gute Jahre vor sich, und so arbeite er schon jetzt daran, seinen Nachfolger zu finden. Fünf Eigenschaften nennt er, die der neue Ministerpräsident seines Erachtens erfüllen muss.
Da wäre zum einen die charakterliche Standfestigkeit, die angesichts des ständigen Rufmords am Ministerpräsidenten im politischen Alltag unerlässlich sei. Politik sei eben eine Schlacht, wer diese nicht ertrage und daraus ein moralisches Dilemma mache, der sei schlichtweg ungeeignet. „Wenn ich draußen auf einer Wiese stehe“, zitiert 444.hu den Regierungschef in seiner gewohnt kriegerischen Rhetorik, „mit einem großen Schwert in der Hand und drei Leute auf mich zu stürmen, dann moralisiere ich nicht, denke nicht nach. Dann gibt es eine Aufgabe, nämlich dass ich diese drei niedermetzeln muss. Und Schluss.“ Dies sei eine Gabe, so Orbán weiter und nicht erlernbar.
Ebenso wichtig wie die Entschlossenheit sei aber auch der Mut seines Nachfolgers. Ungarn sei nach dem Vertrag von Trianon seiner natürlichen Ressourcen beraubt worden, allein Rumänien zähle doppelt so viele Einwohner wie Ungarn, schlössen sich die Slawen zusammen, seien auch sie massiv in der Überzahl. Auch sonst sei Ungarn in allen Richtungen von potentiellen Feinden umgeben. Sollten sich die „Halbmondler“ oder Deutschen tatsächlich in Marsch begeben, müsste Ungarn durch jemanden gelenkt werden, der den Drang nach einer „souveränen Politik“ in sich trägt.
Ebenso auf der Wunschkandidaten-Liste steht für Viktor Orbán „Köpfchen“. Natürlich seien Fremdsprachenkenntnisse enorm wichtig, noch wichtiger sei aber die Gerissenheit. Dies zeige sich vor allem beim Kartenspiel „Ulti“, so das Regierungsoberhaupt.
Weniger wichtig, ja geradezu vernachlässigbar sei allzu spezifisches Fachwissen, dafür seien schließlich die Ministerien und Ämter da. Viel entscheidender sei die Fähigkeit, sich zwischen den Fachgebieten sicher bewegen zu können.
Zu guter Letzt wäre da noch der Punkt, bei welchem Politiker des Regierungslagers all diese Eigenschaften denn zu finden seien: Laut Viktor Orbán nur bei „ordentlichen ungarischen Menschen, die nicht darüber philosophieren, ob sie Ungarn sind, was Nation bedeutet und ob es so etwas wie Heimat gibt.“ Dies sei a priori selbstverständlich.
Kein Plan, eher Ansporn
Innerhalb des Fidesz sieht man indes noch keinen Grund, sich auf einen Rückzug Orbáns einzustellen. Schließlich habe er bereits auf mehreren internen Foren klargestellt, dass er auch 2018 bei den Wahlen als Spitzenkandidat antreten wolle. Das Nachrichtenportal origo.hu zitiert aus Fidesz-Kreisen, dass die Rede Orbáns im Bibó-Kollegium keinesfalls als in Aussicht gestellter Rückzug des Ministerpräsidenten interpretiert werde, sondern vielmehr als ein Ansporn für alle Parteimitglieder.
Und wer ist es, der Viktor Orbán, der seit ihrer Gründung 1988 unangefochten an der Spitze der Regierungspartei Fidesz steht, beerben könnte? Die Spekulationen konzentrieren sich derzeit vor allem auf das Duo Antal Rogán und János Lázár. Beide sind jung, auf ihrem Gebiet erfolgreich, und sie gehören zu Viktor Orbáns engstem Kreis. Allerdings fehlt es ihnen innerparteilich an Rückhalt, gerade János Lázár dürfte mit seinen Machtallüren nicht ganz unumstritten sein. Ebenfalls im Gespräch aus der Riege der Jung-Berufspolitiker ist Außenminister Péter Szijjártó. Zumindest bringt er die erforderlichen Sprachkenntnisse mit. Da aber auch Finanzminister Mihály Varga und auch Sozialminister Zoltán Balog immer wieder als mögliche Orbán-Nachfolger gehandelt werden, ist eine klare Präferenz schwer zu erkennen. Festzustehen scheint: 2018 heißt der Spitzenkandidat des Fidesz weiterhin Viktor Orbán.