Seit Jahr und Tag wird die Ankurbelung des Kreditgeschäfts als eine wichtige Stütze des nachhaltigen Wirtschaftswachstums angemahnt. Doch noch immer handelt es sich um ein Wunschdenken; die von der Orbán-Regierung verfolgte Wirtschaftspolitik und die Geldinstitute scheinen allen Partnerschaftsmanifestationen zum Trotz auch weiterhin nicht an einem Strang zu ziehen.
Dabei können die Meinungsverschiedenheiten nicht einmal mehr den „bösen Multis“ in die Schuhe geschoben werden, hat Ungarn die Mehrheitsverhältnisse im Bankensektor im Zuge mehrerer waghalsiger und kostspieliger Transaktionen doch umzukehren vermocht: Heute sind ausgehend von der Bilanzsumme rund 55 Prozent des Sektors in ungarischer Hand. Das war 2013 noch genau umgekehrt, und zur Zeit der Weltwirtschaftskrise hielten die ausländischen Institute sogar nahezu zwei Drittel der Anteile am Sektor.
Experten haben immer wieder darauf verwiesen, dass der hohe Auslandsanteil ein ausgesprochener Glücksfall war, denn viele westliche Großbanken wollten den ungarischen Markt auch in der Krise nicht aufgeben und stockten das Kapital lieber mit Millionen Euro auf. Damit aber ging das Kalkül der von Ministerpräsident Viktor Orbán verfolgten unorthodoxen Wirtschaftspolitik auf, die „reichen“ ausländischen Unternehmen stärker zur Kasse zu bitten, die als Reaktion auf die Bankensondersteuer ja genauso gut dem Land hätten den Rücken kehren können. Inmitten der Krise hätte der Staat für diese Verluste aufkommen müssen, der im Nachfeld wiederum kostengünstiger an ausgeblutete Institute gelangen konnte.
Große Fische wurden 2014 gefangen
Zunächst gaben die Eigentümer ausländischer Banken auf, die hierzulande nie maßgebliche Positionen erlangen konnten oder wegen der Krise die eigenen Bilanzen zu bereinigen hatten. Nach 2008 zogen sich aus deutscher bzw. österreichischer Sicht nacheinander die WestLB, die Allianz, die Volksbank und die DZ Bank (Takarékbank) zurück. Die letzteren beiden galten immerhin als mittelgroße Banken in Ungarn, wobei die Volksbank privat an die russische Sberbank veräußert wurde, während es bei der Takarékbank bereits um eine verstärkte Positionierung des ungarischen Staates – hier konkret durch die Übernahme der Kontrolle im Sparkassensektor – ging.
Die großen Fische sollte der ungarische Staat aber 2014 fangen. Zu jener Zeit war neben den Sparkassen und der neuen Postbank (FHB) bereits die Konsolidierung kleinerer ungarischer Geldinstitute im vollen Gange, deren Oligarchen sich beim wilden Wachstumskurs verhoben hatten. Mit dem Kauf der MKB Bank mochte Orbán aller Welt zeigen wollen, dass der ungarische Staat mittlerweile stark genug sei, die Geschicke auch im Bankensektor in die eigenen Hände zu nehmen. Diese Bank war zweieinhalb Mal so groß wie das Ungarngeschäft der Citibank, welches soeben durch die Erste übernommen wird. Die Bilanzsumme von annähernd 2.000 Mrd. Forint war bereits inmitten eines schmerzlichen Konsolidierungsprozesses zu verstehen, in dessen Verlauf der vormalige Eigentümer BayernLB rund 2 Mrd. Euro verbrannte, während beispielsweise die Kreditausreichungen halbiert wurden. Billig bekam Orbán die MKB sicher nicht, denn die wirklich bescheidene Ablösesumme von 55 Mio. Euro kann die Leichen im Schrank nicht vergessen machen (laut Finanzaufsicht MNB soll das Portfolio an faulen Krediten noch immer 700-750 Mio. Euro betragen).
Wo bleibt das erhoffte Einvernehmen?
Mit Blick auf die momentane Finanzlage des ungarischen Staates erst recht unverständlich erschien der Kauf der Budapest Bank (BB). Für dieses von GE Capital straff und effizient geführte Institut legte Orbán doch glattweg 700 Mio. Dollar auf den Tisch. Im I. Halbjahr 2015 verdiente somit bereits der ungarische Staat die frisch ausgewiesenen 16 Mrd. Forint Gewinn. Sieben Jahre würden also genügen, um die Kaufsumme wieder einzuspielen, allerdings müssten diese für die Bank mindestens so gut ausfallen wie dieses Jahr.
Was die wahren Absichten Orbáns für den teuren Zukauf waren, bleibt ein Rätsel. Das Haushaltsdefizit hält er seit Jahren streng unter dem Limit des Maastricht-Kriteriums, dabei hätte er sich ein, zwei Jahre des Sparens beispielsweise im Gesundheitswesen ohne den Kauf der Budapest Bank schenken können. Es wurde gemunkelt, MKB und BB würden zu einer Superbank geformt – auf diese Weise ließen sich die Bilanzen schonender „ausgleichen“. Das hätte mit einer Bilanzsumme von knapp 3.000 Mrd. Forint die zweitgrößte Bank im Ungarnland generiert, noch vor den fünf großen ausländischen Instituten (K&H, UniCredit, Raiffeisen, Erste und CIB), die offenbar mit unerschütterlichem Optimismus auf das große Einvernehmen mit der Regierung hoffen.
Die Erste Bank lud den ungarischen Staat sogar ein, 15 Prozent ihrer Aktien zu übernehmen. Gut, dieser Deal wurde nur unter Vermittlung der EBRD möglich, die ebenfalls mit 15 Prozent einsteigen wollte. Das wurde im Februar mit großem Lamento angekündigt, seither ist nicht viel in der Angelegenheit zu hören. Der Einstieg des Staates war nur ein Teil eines ungewöhnlichen Pakets, welches die vielleicht noch ungewöhnlicheren Partner da gemeinsam geschnürt hatten. Entscheidend für den gesamten Sektor war, dass sich die ungarische Regierung in einer Absichtserklärung dazu verpflichtete, die Bankensondersteuer in zwei Stufen 2016 und 2017 ungefähr zu halbieren. Allein Erste und Raiffeisen hatten über die Sondersteuer zusammen rund 1,5 Mrd. Euro verloren – wie Premier Orbán meinte, immer noch weniger, als sie zuvor an extraorbitanten Gewinnen insbesondere durch Ausreichung der Fremdwährungskredite hatten einstreichen können.
Nicht einmal der „Nullkredit“ schlug ein
Natürlich verteilt die Regierung nicht in einem Anflug der Nächstenliebe ausgerechnet an die Banken Geschenke: Orbán forderte im Gegenzug ein deutlich angekurbeltes Kreditgeschäft. Allein die Erste wollte binnen drei Jahren 550 Mio. Euro an frischen Geldern verleihen, so etwa für das Thema Energieeffizienz, den Agrarsektor und für die Beamten. Denn so sehr der Fidesz auch die Bevölkerung gegen die Banken aufputschte, mit der Zeit setzte sich wohl die Erkenntnis durch, welche Katalysatorfunktion den Geldinstituten zukomme, wie sehr Kredite als Ölung des kapitalistischen Wirtschaftsgefüges vonnöten sind.
Die Ungarische Nationalbank (MNB) hat längst eine Schwemme billiger Kredite entfacht, im Rahmen ihres Kreditprogramms für Wachstum (nhp) stellte sie in den vergangenen Jahren zwischen 2.000 und 3.000 Milliarden Forint bereit. Bei einem auf maximal 2,5 Prozent im Jahr fixierten Zinssatz wurde aber selbst dieses in zwei Etappen dem Marktbedarf angepasste Programm bisher nur zu 1.700 Mrd. Forint ausgeschöpft. Das Programm läuft zum Jahresende aus, momentan ist von einer Fortsetzung keine Rede. (Vermutlich schon allein deshalb, um die Nachfrage nach der Konstruktion vor Toresschluss zu intensivieren, denn bisher nutzten lediglich 26.000 Unternehmen die einmalige Gelegenheit.)
Realwirtschaft beurteilt Wachstumsaussichten weniger optimistisch
Die Handelsbanken klagen ganz in diesem Sinne, dass sie längst imstande und bereit wären, wieder Kredite im großen Stil auszureichen – nur findet sich kaum ein Firmenkunde, der unter den heutigen Rahmenbedingungen kreditfähig wäre und gleich noch einen Kredit aufnehmen wollte. Der große Investitionsboom von 2014 fand keine Fortsetzung, die Wirtschaft dümpelt von einigen Produktivitätsinseln abgesehen eher vor sich hin.
Der Wirtschaftsprofessor László Csaba übte im Interview mit der Tageszeitung Magyar Hírlap denn auch unverblümte Kritik am ungarischen Unternehmenssektor: „Ich weiß von jeder Menge Instrumenten der Banken mit günstiger Verzinsung. Die Interessenvertreter – insbesondere kleinerer Firmen – warten aber wohl auch weiterhin auf Alimente.“ Diese Mentalität trifft auf eine Philosophie der Wirtschaftsbelebung, die von den Firmen mehr Eigeninitiative und Risiko verlangt. Zu letzterem merkte der Professor vermutlich richtig an, in der Realwirtschaft würden die Wachstumsaussichten halt weniger optimistisch beurteilt, als das in Regierungskreisen der Fall ist.
Soll die Realwirtschaft also so dynamisch investieren wie von der Regierung erwartet, dann scheinen die Wirtschaftsakteure zu erwarten, dass sich der Staat noch stärker als bisher an den entsprechenden Risiken beteiligt. Mit billigen Krediten allein scheinen viele noch nicht ausreichend für neue Investitionen motiviert zu sein.
Ausländer bei der MKB willkommen
Der ungarische Staat möchte ausländische Investoren in die bis Jahresende geplante Reprivatisierung der MKB Bank einbeziehen. Die Ungarische Nationalbank als Verkäufer „präferiert eine Eigentümerstruktur, die sicherstellt, dass die MKB ein starker und unabhängiger Akteur des ungarischen Bankensektors bleibt und nicht in einer Fusion aufgehen wird“, erklärte MKB-Vorstandschef Ádám Balog. Ein gewisser ausländischer Eigentumsanteil sei ausgesprochen wünschenswert. Der Staat will mindestens 10-20 Prozent, jedoch maximal 49 Prozent an der Handelsbank behalten.