Nach dem vorzeitigen Weggang von Lieselore Cyrus in diesem Juli ist die Spitze der deutschen Botschaft seit Anfang September wieder besetzt. Gegenüber der Budapester Zeitung erklärte Botschafter Dr. Heinz-Peter Behr unter anderem, wie es dazu kam, dass er zum zweiten Mal in seiner diplomatischen Laufbahn an der Deutschen Botschaft Budapest tätig ist.
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Botschafter Dr. Heinz-Peter
Behr: „Es gibt wenige Städte,
die eine so positive Atmosphäre
ausstrahlen wie Budapest.“ (BZT-Fotos: Jan Mainka)Sie kamen 1989 bereits als „Betreuer für DDR-Flüchtlinge“ an die Deutsche Botschaft nach Budapest?
Ursprünglich kam ich im Februar 1989 zunächst als Leiter des Wirtschaftsreferats an die Botschaft. Durch die Entwicklungen vor Ort hatte ich aber, ab etwa Mai 1989, auch noch diese andere Aufgabe. Diese versah ich bis in den Spätherbst hinein, also bis alles abgewickelt war.
- Waren Sie in dieser Funktion auch an den Verhandlungen mit der ungarischen Seite beteiligt?
Die Geheimverhandlungen wurden damals von einem Sonderbeauftragten von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher geführt. Mir oblag die praktische Umsetzung der Verhandlungsergebnisse. So etwa bei der großen Ausreiseaktion für die Botschaftsflüchtlinge Ende August, in deren Rahmen wir die Flüchtlinge nachts mit einem Charterflugzeug außer Landes bringen durften. Die Entscheidung wurde dem Botschafter mitgeteilt, der dann wiederum mich ins Vertrauen zog. Wir mussten damals sehr vorsichtig vorgehen, damit in den Tagen vor der Aktion möglichst keine Informationen darüber nach draußen drangen. Auch die Flüchtlinge wussten bis kurz vor der Abfahrt nichts. In der betreffenden Nacht habe ich sie dann selber geweckt und bis zu den Bussen begleitet, die vor unserer Botschaft aufgefahren waren. Auch dabei mussten wir äußerste Vorsicht walten lassen, um das Störpotenzial seitens der auch vor Ort aktiven Stasi möglichst gering zu halten. Schräg gegenüber unserem damaligen Botschaftsgebäude befand sich zudem noch die rumänische Botschaft. Im Endeffekt ist aber alles gut gegangen. Die Zusammenarbeit mit der ungarischen Seite war damals ausgezeichnet.
- Haben Sie noch Kontakte zu einigen Exponenten von damals?
Im letzten Jahr, als ich zusammen mit dem Bundespräsidenten an den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in Leipzig teilnahm, habe ich Pater Imre Kozma, den Leiter des ungarischen Malteser Hilfsdienstes wiedergetroffen. Es war für uns beide ein sehr freudiges Wiedersehen.
- Wie kamen Sie erneut nach Budapest?
Nach drei Jahren beim Bundespräsidenten stand für mich wieder eine Versetzung an. Da fragte mich der Bundespräsident, wen ich ihm als Nachfolger empfehlen würde. Wir haben ihm mehrere Namen mit Lebensläufen vorgelegt. Unter anderem auch den von Frau Cyrus. An Frau Cyrus erinnerte er sich sofort. Aus ihrer Zeit als Botschafterin in Äthiopien. Das war für ihn eine ganz beeindruckende, positive Reise gewesen. So entschied er sich schließlich für Frau Cyrus. Nachdem dies entschieden war und Frau Cyrus zugestimmt hatte, bot sich halt für mich die Möglichkeit, den Finger für die demnächst vakante Botschafterposition in Budapest zu heben. Da habe ich nicht lange gezögert.
In erster Linie wegen der sehr guten Erinnerungen an damals. Aber auch wegen der Heimatnähe, muss ich hinzufügen. Ich finde auch die Region und ihre Entwicklung sehr spannend. Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden uns hier noch einmal entscheidend weiter bringen. Also was das Zusammenwachsen anbelangt – das ist zumindest meine Hoffnung. Schließlich hat es mich auch gereizt, die ungarische Sprache noch einmal in Angriff zu nehmen. Das habe ich damals bereits versucht. Durch die DDR-Flüchtlings-Krise blieb es aber nur beim Versuch. In meinem ersten halben Jahr bin ich damals so gut wie gar nicht zum Ungarischlernen gekommen, danach hieß es dann schon bald, wieder die Koffer zu packen. Jetzt werde ich versuchen, ein Niveau zu erreichen, dass ich ein wenig kommunizieren und auch die Zeitung halbwegs lesen kann.
- Waren Sie zwischenzeitlich noch mal in Budapest?
Ja, mehrmals. Im letzten Jahr etwa habe ich meinen Freund Klaus Riedel [bis zu diesem Sommer der Gesandte der Deutschen Botschaft Budapest, Red.] hier besucht. Auch zum 10. Jubiläum der Grenzöffnung war ich in Begleitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder einmal hier. Ich erinnere mich noch gut an den großen Festakt im Parlament. Ungarn hat sich enorm weiterentwickelt. Nicht zuletzt ist das Land inzwischen Mitglied der EU und der NATO. All dies sind natürlich gewaltige Fortschritte im Vergleich zu damals.
- Und die Stadt selbst?
Verglichen mit meiner ersten Zeit an der Deutschen Botschaft ist sie natürlich noch viel lebenswerter geworden. Es gibt wenige Städte, die eine so positive Atmosphäre ausstrahlen wie Budapest. Und die auch so spannend sind. Egal, wo man hinkommt. Vorletztes Wochenende war ich auf der Pester Seite spazieren, ohne ein bestimmtes Ziel, einfach nur, um mich umzusehen. Das war faszinierend. An jeder Straßenecke gab es etwas zu entdecken. Die Stadt macht einfach Lust darauf, sie zu erlaufen.
- Welche der Ihnen von damals vertrauten und geschätzten Restaurants gibt es noch?
Etwa das Restaurant Margitkert in der Margit utca. Auch die Postkutsche gibt es noch. Und das Gundel natürlich. Es gibt inzwischen aber auch ein schier unüberschaubares Angebot an internationalen Restaurants. Ich habe auch gemerkt, dass die ungarische Küche besser als früher ist, weil inzwischen auch deren leichte Seite entdeckt worden ist. Heutzutage kann man in Budapest auch gut und leicht ungarisch essen. So etwas gestaltete sich damals deutlich schwieriger.
- Wo wollen Sie als Botschafter Schwerpunkte setzen? Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Ich werde mich natürlich um die weitere Intensivierung der engen politischen Beziehungen und um die hiesige Wirtschafts-Community kümmern, ebenso um die Ungarndeutschen. Ich hatte schon mehrere diesbezügliche Termine. In dieser Woche nehme ich an einem großen Treffen mit deutschen Wirtschaftsvertretern teil. Demnächst werde ich Ungarndeutsche in Pécs besuchen.
Zur Person
Dr. Heinz-Peter Behr wurde 1955 in Troisdorf geboren. In Bonn, Paris und Oviedo studierte er von 1976 bis 1982 Romanistik und Hispanistik. Nach weiteren Ausbildungen begann er 1985 seine diplomatische Karriere fürs Auswärtige Amt, zunächst in Deutschland. Nach seiner Promotion zum Dr. phil. ging er 1986 als Ständiger Vertreter an die Deutsche Botschaft Lilongwe (Malawi). Anschließend leitete er von 1989 bis 1990 das Referat Wirtschaft an der deutschen Botschaft in Budapest, wo er auch mit der Betreuung der DDR-Flüchtlinge betraut wurde. Unterbrochen von Tätigkeiten für das Auswärtige Amt in Deutschland folgten weitere Auslandsaufenthalte: 1993-1995 als Ständiger Vertreter im Informationsbüro in New York, 2000 als Leiter des Verbindungsbüros in Prizren (Kosovo), 2000-2003 als Botschafter in Antananarivo (Madagaskar), 2007-2010 als Leiter des Generalkonsulats in Sao Paulo (Brasilien) und 2010 bis 2012 als Botschafter in Den Haag. Vor seinem Dienstantritt in Budapest war er als Leiter der Abteilung Ausland und außenpolitischer Berater des Bundespräsidenten im Bundespräsidialamt tätig.