
Kronprinzen Rogán und Lázár: Während andere Minister unter einer übermäßig aufgeblähten Aufgabenlast ächsen, können sich beim – als Ministerium fungierenden – Kanzleramt jetzt zwei Minister die Aufgaben teilen. Foto: MTI
Premier Orbán ist ein Großmeister in Sachen unkonventioneller, pragmatischer Lösungen. Ob nun beim Umgang mit ausländischen Investoren oder derzeit halt den „Invasoren“. Auch bei der Gestaltung seiner ministeriellen Landschaft tut sich Premier Orbán keinerlei Zwang an und lässt sich auch von internationalen Gewohnheiten nicht bremsen. Je länger er an der Macht ist, umso mehr formt er sich den ministeriellen Machtapparat nach seinem Gusto um.
In seiner ersten Amtszeit (1998-2002) legte Orbán diesbezüglich erst wenig Veränderungsdrang an den Tag. Neben den zwölf übernommenen Ministerien schuf er lediglich ein neues, nämlich das „Ministerium für Nationales Kulturerbe“, also praktisch ein Kulturministerium, wobei Orbán mit dieser originellen Namensgebung schon damals erahnen ließ, welche Schöpferkraft in Sachen Ministerien in ihm steckt.
So richtig interessant wurde es aber erst unter seiner zweiten Regierung (2010-2014), als er von den übernommenen zwölf Ministerien gleich einmal vier Ministerien wegfusionierte, darunter sogar das Finanzministerium. Der größte Wurf gelang Orbán aber sicher mit der Schaffung des „Nationalen Kraftquellenministeriums“, das 2012 zwar sicher immer noch so national war wie zuvor, der Präzision halber jedoch in „Ministerium für menschliche Kraftquellen“ umgetauft wurde, denn schließlich beschäftigt sich das Ministerium nicht mit der Verwaltung von Kohle oder Stahl, sondern von Menschen. Dabei deckt es praktischerweise ganz allein ein Gebiet ab, um das sich sonst diverse Kultur-, Bildungs-, Sport-, Gesundheits-und Arbeitsminister kümmern müssen.
Zu Beginn der dritten Orbán-Regierung (2014-) geschah in Sachen ministerieller Neuschöpfungen zunächst vergleichsweise wenig: das Ministerium für Öffentliche Verwaltung und Justiz schrumpfte wieder zu einem einfachen Justizministerium, während dem klassischen Außenministerium die Außenwirtschaft zugeschlagen wurde. Sonst setzte sich lediglich der bereits 2010 begonnene Trend fort, den Apparat der Staatssekretäre und Unterstaatssekretäre noch unüberschaubarer aufzublähen. Auch das Kanzleramt, das mittlerweile von einem Orbán-Vertrauten in Ministerrang geführt wurde, wuchs weiter, personell wie auch mit Blick auf die ihm übertragenen Aufgaben.
Inzwischen hat das Kanzleramt offenbar solche Dimensionen angenommen, dass es seit diesem Herbst nicht mehr nur von einem, sondern sogar von zwei Ministern geführt werden muss, nämlich von den „Kronprinzen“ Lázár und Rogán. Was für ein angenehmer Nebeneffekt, dass sich beide genauso spinnefeind sind, wie sie eines Tages gerne Orbáns Stuhl einnehmen würden. Damit vielleicht aber gerade das nicht passiert, hat der Premier nun eine Struktur geschaffen, in der sich die beiden Aspiranten nun höchstwahrscheinlich mehr miteinander, als damit beschäftigen werden, ihren obersten Dienstherren zu beerben. Und wenn sie Orbán doch einmal nahe treten sollten, dann jetzt wohl eher beim Versuch, sich gegenseitig beim Buhlen um dessen Gunst zu übertreffen.
Zunächst heißt es für die beiden jedoch, die Macht im Superministerium Kanzleramt abzustecken. Schließlich ist anzunehmen, dass sich Orbán beim Festlegen der Ressort-Grenzen aus gutem Grund nicht gerade überanstrengt hat. Und wo es bereits Grenzen gibt, können sie ja auch revidiert werden… Gut möglich, dass wir jetzt einen ähnlichen Konflikt erleben werden wie ab 2010 zwischen dem damaligen Volkswirtschaftsminister Matolcsy und Entwicklungsminister Fellegi, die sich beide über Monate hinweg und ohne Rücksicht auf volkswirtschaftliche Verluste tüchtig beharkten. Macht ist halt Macht. Und je mehr man davon besitzt, umso sicherer ist die eigene Position und umso verwundbarer der Rivale.
Ansonsten ist bei den Ministerien alles beim Alten:
Das Personalkarussell kreist insbesondere bei der für Investoren wichtigen Arbeitsebene der Unterstaatssekretäre in einem Tempo, dass die Top-Manager angesichts der Notwendigkeit, die neuen Verantwortlichen kennenzulernen und laufende Angelegenheiten fortzuführen, schon mal ein paar zusätzliche Termine einplanen sollten.
Super-Minister Balog beackert weiterhin ein Feld, das in weniger effizient geführten Ländern von mindestens fünf Ministern bestellt wird.
Der Wirtschaftsminister im Außenministerium Szijjártó muss bei seinen löblichen wirtschaftsdiplomatischen Anstrengungen immer wieder innehalten, um renitenten Regierungsvertretern insbesondere der Nachbarländer die Leviten zu lesen. (Immerhin hat diese Personalunion den angenehmen Nebeneffekt, dass bei wichtigen Ereignissen der Auslandsinvestoren häufig auch der Außenminister höchstpersönlich mit dabei ist. So einer Wertschätzung können sich noch nicht einmal die Firmen im Exportweltmeisterland Deutschland erfreuen!)
Und unverändert gibt es die Ministerien für Verteidigung, Inneres, Wirtschaft, Landwirtschaft, Justiz und Entwicklung. Bisher noch!