Das Wort „liberal“ ist im Sprachgebrauch der Regierung schon lange mehr Schimpfwort denn die Beschreibung einer politischen Richtung. Ex-Fraktionsvorsitzender Antal Rogán sah sein Feindbild dementsprechend auch bestätigt, als er am vergangenen Sonntag im staatlichen Kossuth Rádió davon sprach, die liberale Fraktion im EU-Parlament wolle einen Antrag auf ein Vertragsverletzungsverfahren stellen. Laut Rogán dringen die europäischen Liberalen darauf, Ungarn das Stimmrecht zu nehmen und im schlimmsten Fall sogar den Ausschluss des Landes aus der EU zu betreiben.
„Die einwanderungsfreundlichen Liberalen sind nicht damit einverstanden, dass Ungarn sich dafür entschieden hat, die Grenzen Europas und Ungarns zu verteidigen“, sagte er im Interview. Damit werde nur der von den Bürgern erteilte Regierungsauftrag erfüllt. Denn im Gegensatz zu einem Großteil der geistigen Elite hätte Premier Viktor Orbán „die Stimme der europäischen Bürger gehört und versteht ihre Meinung in Sachen Einwanderung“.
Unerwartete Hilfe
Ende der vergangenen Woche sah es also danach aus, dass gegen Ungarn ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 7 eingeleitet wird. Dies zumindest wollte die liberale Fraktion im EU-Parlament in Gang bringen, so Rogán. Dass dies aber nicht möglich ist, da Mitglieder aus der EU zwar austreten, aber nicht ausgeschlossen werden können, erwähnte er indes nicht. Die Ungarische Liberale Partei unter ihrem Vorsitzendem Gábor Fodor reagierte vehement: Antal Rogán lüge, wenn er sagt, die Liberalen wollen Ungarn aus der EU ausschließen. Mit dem Vertragsverletzungsverfahren wolle man Ungarn dazu zwingen, die fundamentalen Menschenrechte einzuhalten und anständig mit den Flüchtlingen umzugehen, heißt es in derselben Presseaussendung.
Am Montag dann die unerwartete Wendung. Obwohl Rogán sich bereits auf eine harte Verteidigungslinie eingestellt hatte, wird diese nicht nötig sein. Denn die Einleitung des Verfahrens wurde gar nicht erst auf die Tagesordnung des Fachausschusses für Menschenrechte gesetzt. Wirklich überrascht dürfte der ehemalige Fraktionsvorsitzende aber wohl gewesen sein, als er erfuhr, wer ihm da unverhofft zur Seite gesprungen war. Tatsächlich wurde der Vorschlag auf Anregung des sozialdemokratischen Koordinators abgeschwächt. Statt eines Vertragsverletzungsverfahrens soll Ungarn vielmehr schriftlich Stellung dazu nehmen, welche Schritte seit Juni unternommen wurden, um der Verletzung europäischer Grundwerte Einhalt zu gebieten.
Vierzehn Tage zur Erklärung
Am Dienstag bereits ging das Schreiben an Olivér Várhelyi, dem ständigen Vertreter Ungarns in Brüssel. Die linksliberale Tageszeitung Népszabadság zitiert in ihrer Onlineausgabe aus dem Schreiben, das sich vorrangig mit dem seit dem 15. September in Kraft befindlichen Einwanderungsgesetz und der Neueinführung der Strafbarkeit illegaler Grenzübertritte befasst. Matthias Ruete, Direktor für Einwanderungsfragen, und Paraskevi Michou, juristischer Hauptdirektor, zeichnen für das Schreiben verantwortlich und kritisieren unter anderem, das Gesetz widerspräche gleich mehrfach europäischem Recht. Dabei sind die Kritikpunkte wenig überraschend. Schon seit dem Ausbruch der Flüchtlingskrise bemängeln diverse Hilfsorganisationen, dass die ungarischen Informationsblätter für Migranten nicht in ihrer Muttersprache oder zumindest in Englisch verfasst sind, sondern ausschließlich in Ungarisch (die Budapester Zeitung berichtete). So ist der Zugang zu Informationen, wie beispielsweise das Asylverfahren abläuft und welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, de facto blockiert. Erschwerend, so die Autoren, komme hinzu, dass Hilfsorganisationen der Zutritt zu Auffanglagern nicht gestattet war und somit auch hier keine Aussicht auf Hilfe bestand.

(Sprach-)Barriere: Die EU fordert eine Stellungnahme unter anderem zur Strafbarkeit des illegalen Grenzübertritts. (BZT-Foto: Nóra Halász)
Den Punkt der fehlenden Übersetzung kritisieren die Autoren auch in Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren. Sie halten es für problematisch, dass Migranten nicht in ihrer Muttersprache über die ihnen zur Last gelegten Dinge informiert werden, oftmals bleibt der ungarische Staat auch die Übersetzung der Urteilsbegründung schuldig. Auch die Kürze der Verfahren sehen Ruete und Michou kritisch, ebenso wie die Tatsache, dass bei einer höherinstanzlichen Überprüfung keine neuen Beweise und Informationen ins Verfahren eingebracht werden können.
Die Népszabadság schreibt weiter, dass Ruete und Michou auch die Strafbarkeit des illegaler Grenzübertritte äußerst kritisch betrachten. In Ungarn seien die grundlegenden Menschenrechte und die Verhältnismäßigkeit von Tat und Strafe für Flüchtlinge nicht gegeben. Besonders scharf kritisieren die Autoren auch den Umstand, dass es schlicht keine Sonderregelungen für die zahllosen Kinder gibt, die allein oder mit ihren Eltern die Grenze übertreten.
Zwei Wochen hat die Regierung Orbán nun Zeit, um auf die Kritik zu antworten. Vielleicht kommt Antal Rogán ja doch noch dazu, seine Verteidigungsstrategie umzusetzen.
aus diesem offenen Brief an Frau Merkel wird einmal mehr deutlich das Herr Orbán sich in der Flüchtlingsfrage goldrichtig verhält: http://is.gd/Zl84JY
Gott sei Dank kräht kein Hahn nach diesem lächerlichen Brief vom Geschichtsrevisionisten Gerd Schultze-Rhonhof. Aber gut, wenn sich unser lieber Rentener langweilt, soll er gerne weiter solche nutzloses Zeug dahinschmieren.