Im Oktober 2010 traten fast eine Million Kubikmeter giftigen Rotschlamms aus einem geborstenen Auffangbecken des Aluminiumwerks MAL AG in der Nähe der Gemeinden Kolontár und Devecser aus. Ein Unfall der in kürzester Zeit einen ganzen Landstrich verwüstete und nachhaltig schädigte. Fünf Jahre später erinnert das Capa-Zentrum für zeitgenössische Fotografie mit der Fotoausstellung “Memento” von Péter Kollányi an Ungarns größte Umweltkatastrophe.
Péter Kollányis Fotografien besitzen eine melancholisch-poetische, fast traumhafte Qualität. In ihnen manifestieren sich Farbkontraste, die das Auge vielleicht aus expressionistischen Malereien, nicht aber der Wirklichkeit kennt. So zeigt eines von Kollányis Werken beispielsweise einen Apfelbaum zur Erntezeit, dessen Äste sich bereits vom Gewicht der Früchte zu Boden neigen. Auf der Erde vor dem Baum liegen neben einigen Äpfeln auch Treibgut wie alte Reifen und eine umgekippte Badewanne. Würde man eine Schwarz-Weiß-Aufnahme des Bildes sehen, könnte man wohl nichts besonderes daran finden. Die Farbaufnahme wiederum enthüllt das volle Ausmaß des Schreckens: Im krassen Kontrast stehen der blaue Himmel und die blaugrauen Zweige des Baumes zur blutroten Schicht toxischen Schlamms, die den gesamten Boden und alle sich auf ihm befindlichen Gegenstände überzieht. Beinahe 2.000 Hektar Land begrub der ausgetretene Rotschlamm 2010 unter sich.
Andere Bilder Kollányis zeigen das Innere von Wohnhäusern: Die Szenen ähneln dem Tatort eines Verbrechens, wirken die tiefroten Spritzer an der Wand doch wie Blut. Zwei Dörfer wurden damals umgehend evakuiert. Kaum jemand konnte zurückkehren. Viele der Gebäude – Räumlichkeiten, die einst für eine Familie der zentrale Bezugspunkt waren – mussten nach der Katastrophe abgerissen werden. Doch bevor dies geschah, hatte Kollányi Gelegenheit, die zurückgebliebenen Geisterdörfer fotografisch zu dokumentieren. Mehr als ein Jahr bewegte sich der Dokumentarfotograf in dieser unwirklichen Welt aus Chaos und Stille, in der kein Leben mehr vorhanden war.
Erschreckend schön
In gewisser Weise ist es Kollányi sogar gelungen, selbst in dieser post-apokalyptischen Welt noch Schönheit zu finden. Er porträtiert die Überreste einer Gemeinde, die mit getrocknetem Paprika an den Türen und Heuballen vor dem Haus zum traditionsverbundenen ländlichen Raum gehörte und von einem Tag auf den anderen obdachlos gemacht wurde. Aus der Vielzahl an Aufnahmen die Kollányi machte, fasste er anlässlich des 5. Jahrestages der Katastrophe die eindrücklichsten Bilder in einem Fotoband mit dem Titel “Memento” zusammen. Herausgegeben wird das Buch, zu dem der ungarische Schriftsteller Péter Nádas einige einleitende Zeilen beitrug, vom Capa-Zentrum für zeitgenössische Fotografie. In der gleichnamigen Ausstellung des Capa-Zentrums sind bis Ende Oktober viele der Werke zu sehen.
Ausstellung MEMENTO im Capa-Zentrum für zeitgenössische Fotografie
2. bis 21. Oktober 2015
Budapest, VI. Bezirk, Nagymező utca 8
Öffnungszeiten: täglich 11 bis 19 Uhr, freitags bis 21 Uhr
Eintritt: frei
www.capacenter.hu
Was fehlt, ist ein Hinweis auf die neuerbaute Siedlung für die Betroffenen in Devecser.
Ich war dort.
Fast alle sind zufrieden, ein alter Mann beklagte, daß seine alten Obstbäume weg sind, weil er nur seinem eigenen Palinka vertraut.