Am 29. und 30. September richtete die Andrássy Universität zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem József Antall Wissenszentrum eine Konferenz zum Thema ‚Deutsch-Ungarische Beziehung im Kontext der deutschen Einheit‘ aus. Ziel der Konferenz war es, die deutsch-ungarischen Beziehungen zu analysieren und dabei einen Diskurs anzustoßen, der die Zusammenarbeit beider Länder weiter vertieft.

Minister Zoltán Balog: „Wir müssen entscheiden, wer willkommen ist und wer nicht.“ (BZT-Fotos: Nóra Halász)
Die Andrássy Universität, die Konrad-Adenauer-Stiftung und das József Antall Wissenszentrum haben anlässlich des 25. Jahrestages der Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober und dem „Jahr der Deutsch-Ungarischen Freundschaft“ die vielschichtigen kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert.

Rektor der Andrássy Universität Budapest, Prof. Dr. András Masát (o.) und Leiter des Budapester Auslandsbüros der
Adenauer-Stiftung Frank Spengler (u.) begrüßten die Gäste und erinnerten an die traditionsreiche deutsch-ungarische Freundschaft.
Grußwort von Prof. Dr. András Masát, Péter Antall, Frank Spengler und Dr. Heinz-Peter Behr
Die zweitägige Konferenz startete mit einem kurzen Film, der die bedeutendsten historischen Momente der deutsch-ungarischen Freundschaft von 1961 bis heute zeigte. Zu sehen waren unter anderem das Paneuropäische Picknick 1989, die Eröffnung des Audi-Werks in Győr 1994 und der Beitritt Ungarns zur Europäischen Union 2004.
Im Anschluss begrüßte Prof. Dr. András Masát, Rektor der Andrássy Universität in Budapest, die Gäste und bedankte sich bei den Referenten, Moderatoren und allen Anwesenden für ihr Kommen. Es folgten die Grußworte von Frank Spengler, dem Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, Péter Antall, Direktor des Jósef Antall Wissenszentrums und Dr. Heinz-Peter Behr, dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn.
Eröffnung durch Zoltán Balog, Minister für Humanressourcen
Nach den Begrüßungen wurde die Konferenz durch Zoltán Balog, ungarischer Minister für Soziales, eröffnet. Auch Balog legte den thematischen Schwerpunkt der Eröffnung auf die sehr guten deutsch-ungarischen Beziehungen in der Vergangenheit und bezog sich unter anderem auf die „optimistische Vision der Wiedervereinigung“ von Helmut Kohl und József Antall.
Erinnerungen an die Mauer würden vor allem heute vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdebatte und der Errichtung eines Grenzzauns an der ungarisch-serbischen Grenze wieder stark in das Gedächtnis der Europäer gerufen werden. „Wir müssen entscheiden, wer willkommen ist
und wer nicht“, so Balog, „das ist kein politischer Alleingang“. Die Vergangenheit habe uns gezeigt, dass „Gesellschaftsrealitäten unterschiedlich sind“ – sich als Einheit „neu zu formieren“ bedeute deshalb auch „den Einzelnen die Freiheit bei Entscheidungen zu geben“. Der Schlüssel ist laut Balog, sich auf „Augenhöhe zu begegnen“.

Dr. Heinz-Peter Behr, Botschafter der Bundesrepublik
Deutschland: „Meinungsunterschiede sind auch
in Freundschaften nicht ausgeschlossen.“
Erstes Panel
Ungarisch-Deutsche Beziehungen im Kontext der deutschen Einheit
Im ersten Panel der Konferenz standen sich Historiker Prof. Dr. Andreas Oplatka und Geisteswissenschaftler Gergley Pröhle zum Meinungsaustausch gegenüber
Das erste Panel der Konferenz hatte das Thema „Das Annus Mirabilis“, was „Jahr der Wunder” bedeutet. Auch das Jahr 1989 wird als Wunderjahr betrachtet, da hier die Demokratisierungswelle in Europa ihren Höhepunkt fand. Prof. Dr. Andreas Oplatka, Kuratoriumsvorsitzender der Andrassy Universität, und Gergley Pröhle, stellvertretender Staatssekretär für internationale und EU-Angelegenheiten im Ministerium für Soziales, teilten ihre Gedanken zu diesem Thema mit dem Publikum. Moderiert wurde das Panel von Prof. Dr. Ellen Bos. Sie hat die Professur für Vergleichende Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa in der EU an der Andrássy Universität inne. In ihren einleitenden Worten beschrieb sie die rasanten politischen Veränderungen zu Ende der 1980er Jahre.

Frank Spengler, Dr. Heinz-Peter Behr, Prof. Dr. András Masát und Minister Zoltán
Balog verfolgten das Gespräch von Prof. Dr. Andreas Oplatka und Gergely Pröhle.
Prof. Dr. Andreas Oplatka beschrieb in seinem Redebeitrag, inwieweit Menschen und Zufälle die Wiedervereinigung Deutschlands und Europas bestärkten. In einer historisch untermauerten Rede verdeutlichte Oplatka, dass die Sowjetunion auch ohne äußere Einwirkungen zum Niedergang verurteilt war, da die marode sowjetische Wirtschaft die Versorgung einer Supermacht nicht länger hätte gewährleisten können. Dennoch sei es heldenhaft, dass der politische Umbruch ohne Blutvergießen und Einsatz des Militärs vollzogen werden konnte. Auch Ungarn trug einen großen Beitrag zum Mauerfall und zur Wiedervereinigung bei. Oplatka beschrieb den damaligen ungarischen Ministerpräsidenten Miklós Németh als eine der führenden Persönlichkeiten, die zum Fall des Eisernen Vorhangs beitrugen, da er ab Mai 1989 die Grenzanlagen an der Grenze zu Österreich abbauen ließ. So erhielten viele DDR-Bürger die Möglichkeit zur Flucht in den Westen. Nur so konnte die Wiedervereinigung ohne Blutvergießen, friedlich und unter Aufrechterhaltung der Versorgungs- und Zahlungsfähigkeit Ungarns geschehen. Mit den Worten „Persönliche Entscheidungen können von höchster Wichtigkeit sein. Manchmal können aber auch Zufälle hilfreich sein“, beendete Oplatka seinen Vortrag.
Gergley Pröhle stellte die Frage, wie Menschen, die direkt an der Wiedervereinigung beteiligt waren, über die damaligen Ereignisse heute sprechen und ihre eigene Rolle einschätzen, an den Anfang seiner Rede. „Vielleicht überschätzen sie sich oder reden heroisch über ihre Rolle“, mutmaßt er. Er selbst sieht die Rolle Ungarns zur Zeit der Wiedervereinigung kritischer als Oplatka. Er hält die Beteiligung Ungarns überschätzt und meint, „vom ewigen Schulterklopfen konnte man als Ungar kaum noch gehen“. Viel eher sollte das Publikum darüber nachdenken, wer einen größeren Beitrag zur Wiedervereinigung geleistet hat: Reformkommunisten oder Demokraten? Die Kommunisten waren von sich aus nicht so großzügig, da sie die revolutionäre Situation von 1956 noch immer im Gedächtnis hatten. Demnach konnten die Kommunisten „besser politische Macht in Wirtschaftsmacht umwandeln und Dokumente verstecken oder vernichten“. Zudem zeigten sie stets große Kompromissbereitschaft, was das Land jedoch erst in den letzten fünf Jahren zu spüren bekam. Letztendlich fehlt Ungarn heute eine umfangreiche Aufarbeitung der Vergangenheit. Die Demokraten wurden dagegen als unerfahren, unbekannt und tollpatschig angesehen.
Zusammenfassend beschrieb Prof. Dr. Ellen Bos den Beitrag Ungarns wie folgt: „Zufälle, große Entscheidungen, aber auch einzelne Persönlichkeiten“ trugen maßgeblich zur Wiedervereinigung bei. Im Anschluss an die Vorträge tauschten Oplatka und Pröhle noch einmal ihre Standpunkte in einer Diskussion aus und konkretisierten ihre Ansichten.