Von Zsolt Bayer
Sofern der Abgas-Skandal um Volkswagen überhaupt begriffen werden kann, ist eines festzustellen: Das Ende von Volkswagen ist in hohem Maße der unermesslichen Gier, der entfesselten Raffsucht und dem selbstzerstörerischen Geldhunger geschuldet, der für dieses verfluchte Zeitalter kennzeichnend war. Man pflegt diesbezüglich vom globalen und auf dem freien Wettbewerb basierenden Kapitalismus oder von der kapitalistischen Weltwirtschaft zu sprechen – wo der Wettbewerb über allem steht.
Zuerst verkommt der Wettbewerb zu seiner eigenen Parodie, später zu Selbstzerstörung und Schurkerei. (Ein gutes Beispiel sind die Olympischen Spiele: In den meisten Sportarten ist es mittlerweile schier unmöglich, unter fairen und lauteren Umständen ein gutes Ergebnis zu erreichen – unsere volle Achtung gilt natürlich den Ausnahmen. Deshalb hat sich der Spitzensport auf ein anderes Sportfeld verlagert, wo die Erzeuger von Dopingmitteln und deren Konsumenten mit den Dopingkontrolleuren wetteifern.)
Dieser Logik ist nun auch Volkswagen zum Opfer gefallen, der weltweit größte Autohersteller. Vergessen wir hier jedoch nicht: Es ist jetzt nicht nur von Volkswagen die Rede, sondern auch von Audi, Skoda und Seat. Der Konzern hat sich des Betrugs schuldig gemacht – mithilfe einer eingebauten Software. Diese wurde durch einen Sensor aktiv, als die Diesel-betriebenen Autos des Volkswagen-Konzerns auf dem Prüfstand standen. Die Software gaukelte jedes Mal vor, dass die erlaubten Stickoxid-Emissionen innerhalb der von den Umweltbehörden erlaubten Grenzwerte für Abgase seien. Sie waren es aber nur bei den Labortests, unter Straßenbedingungen überschritt der Stickoxidausstoß der VW-Dieselmotoren die erlaubten Grenzwerte um das Vielfache.
Merkwürdige Entwicklung der Geschehnisse
Dies ist eine Tatsache, die man nicht bezweifeln sollte. Doch ist es von nun an angebracht, alles infrage zu stellen! Ich bitte Sie, die Ereignisse einmal Revue passieren zu lassen. Binnen 24 Stunden wurde der weltweit größte Autoproduzent in die Knie gezwungen. Der Wert der VW-Aktien ist innerhalb eines Tages um nicht weniger als vierzig Prozent gefallen, wobei kein Ende des freien Falls in Sicht ist! Einen weiteren Tag später wird erklärt, dass neben Volkswagen auch Audi und Skoda vom Skandal betroffen seien (Die Wertpapiere fallen unterdessen weiter).
Daraufhin meldet sich in den Vereinigten Staaten eine Anwaltskanzlei zu Wort und fordert die Autobesitzer und Anleger auf, eine Sammelklage gegen den VW-Konzern anzustrengen. Wenn damit tatsächlich ernst gemacht wird – und daran besteht nicht der geringste Zweifel, ist es doch in Amerika ein Nationalsport zu klagen – hätte das mit Blick auf die ohnehin bereits erschütterte finanzielle Situation von Volkswagen unabsehbare Folgen. Derweil ist natürlich auch der Pressefeldzug ins Rollen gekommen, der in den internationalen und heimischen Medien in Titeln mündete wie: „Volkswagen ist schmutziger als eine Dampflokomotive“. Na klar…
Die Abgas-Affäre – den inakzeptablen Betrug nochmals betonend – ist einerseits eine niederträchtige Scheinheiligkeit, andererseits ein politisch und wirtschaftlich motiviertes Attentat. Scheinheiligkeit deshalb, weil es nicht gerecht ist, Volkswagen wegen der Abgase allein die Zeche zahlen zu lassen. Ich möchte hierbei nur einen einzigen Wert nennen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Weltweit sind pro Tag vierundneunzigtausend(!) Passagierflugzeuge flugplanmäßig unterwegs.
Eine Boeing 747 beispielsweise verbrennt stündlich 14.700 Liter Treibstoff. Versuchen Sie doch auszurechnen, wie viel Treibstoff das pro Tag ist, noch dazu in den oberen Schichten der Erdatmosphäre. Und versuchen sie einen Schluss daraus zu ziehen, was für die Erde schädlicher ist: Volkswagen, Audi, Skoda oder der Flugverkehr? Und dann haben wir noch gar nicht von der Luftverschmutzung gesprochen, die von den Vereinigten Staaten und China verursacht wird.
Der Autor ist Kommentator der rechtskonservativen Tageszeitung Magyar Hírlap.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar