
Nationaler Alleingang: Premier Viktor Orbán präsentiert in New York Ideen zur Lösung der Flüchtlingskrise.
Das Beste an der gegenwärtigen Migrationskrise ist für die EU vielleicht die Tatsache, dass ihr Versagen in der Griechenland-Krise jetzt kaum noch thematisiert wird. In Griechenland wurde gewählt, das Land ist nach wie vor weit von einer nachhaltigen Lösung der Euro-verursachten Wirtschaftskrise entfernt… All das interessiert die europäische Öffentlichkeit inzwischen so wenig wie Griechenlands Totalversagen als Bewacher seiner EU-Außengrenze. So wie ein Schmerz den anderen auslöscht, scheint auch eine EU-Blamage die andere zu übermalen. Gut für Brüssel!
Nun ist bald ein Monat seit dem von Kanzlerin Merkel verfügten Dammbruch verstrichen, und die EU ist so ratlos wie zuvor. Abgesehen von Alibi-Veranstaltungen wie Quotendiskussionen hat sie im zurückliegenden Monat nichts Vernünftiges zur Lösung der Flüchtlingskrise zustande gebracht. Alle mehr oder weniger gelungenen praktischen Schritte zur Eindämmung und Kanalisierung des Flüchtlingsstroms geschahen in Eigenregie der einzelnen Länder. Da wird mal mehr und mal weniger kontrolliert, es werden Sonderzüge bereitgestellt und wieder gestrichen, Zäune hochgezogen und wieder abgebaut. Jedes Land tut etwas, aber kaum etwas wird gemeinsam unternommen. Minimale Abstimmung gibt es höchstens direkt zwischen Nachbarländern. Größere multilaterale Würfe oder konzertierte Aktionen finden nicht statt. Dabei ist die EU letztlich doch auch zu diesem Zweck gegründet worden!
In Ermangelung einer allgemeinen Strategie macht jedes Land das, was es für richtig hält. Teilweise gibt es sogar schon Differenzen innerhalb von EU-Ländern, so etwa zwischen Bayern und dem Rest der immer bunteren Republik Deutschland. Weil einfach irgendetwas geschehen muss, die eigentlichen Entscheidungsträger sich aber – abgesehen von ein paar Moralappellen und Durchhalteparolen – galant wegducken, schafft sich die Realität des Flüchtlingsstroms ihre eigene Realität. So erleben wir in Anlehnung an den ursprünglichen Dominoeffekt der entlang der Balkanroute einknickenden Länder zurzeit einen gegenläufigen Prozess: ausgehend von Deutschland – oder müsste man korrekter formulieren von Bayern? – vollzieht sich ein schrittweises Wiederaufrichten der Grenzen vor den Flüchtlingen. Klar wäre es zielführender, den EU-Grenzen auf einen Schlag und von Deutschland bis zum Mittelmeer, wieder Geltung zu verschaffen, aber dafür wäre ein gemeinsames Vorgehen notwendig.
In einem ebenso desolaten Zustand befindet sich auch die EU-Außenpolitik. Während sich die EU-Länder noch vor einem Jahr – unter maßgeblichem Druck der USA – einheitlich auf einen Wirtschaftskrieg gegen Russland einschwören ließen, ist bei der Flüchtlingsfrage bisher auch außenpolitisch nichts von einem einheitlichen Vorgehen, geschweige denn einer einheitlichen Sprache zu spüren. Mal überlegt ein Staatschef, sich gemeinsam mit Russland und Assad an die Beseitigung der Hauptquelle der Flüchtlingsproblems, nämlich des syrischen Bürgerkriegs zu machen, mal lässt ein anderer Staatschef IS-Stellungen bombardieren…
So richtig oberpeinlich ist es für die EU aber in dieser Woche in New York, wenn der von Premier Orbán bereits vorgestellte Sechs-Punkte-Plan dort erst von ihm persönlich und dann noch einmal von seinem Außenminister der UNO unterbreitet wird. Völlig im Alleingang und ohne EU-Konsens. Entsprechend hoch dürften die Chancen des Plans auf Verwirklichung sein… Gibt es nicht, damit genau so etwas nicht vorkommt, die EU?
Schade um den Sechs-Punkte-Plan! Immerhin ist er der bisher zweckdienlichste Versuch für eine Lösung der Flüchtlingskrise. Weil er so gut ist? Nein, weil bisher nichts Besseres auf dem Tisch liegt! Und so schlimm kann der Plan auch nicht sein, wenn sich sogar – welch ungarisches Wunder! – die Sozialisten, die sonst immer alles, was vom Fidesz kommt, radikal ablehnen und boykottieren, hinter ihn stellen. Teilweise weist der Plan durchaus auch originelle Lösungsansätze auf. So regt er etwa mittels der Weltquote – ganz im Sinne des Verursacherprinzips – an, auch die USA fest mit ins Boot zu holen. Egal, der Plan kann noch so gute Ideen enthalten, bei einer derartigen Präsentation werden ihm wohl kaum Chancen auf Erfolg beschieden sein, zumindest auf UNO-Ebene.
Mit Blick auf die EU hinterlässt es sicher nicht den günstigsten Eindruck, wenn das, erst recht im Weltmaßstab kleine Ungarn auftritt und auf eigene Faust einen ungarischen Plan zur Lösung des gewaltigsten EU-Problems seit dem Ende des Kalten Krieges unterbreitet. Wenn Nicht-EU-Länder in Anbetracht der dilettantischen Behandlung der Euro-Krise bisher schon ihre Zweifel an der Vision der Vereinigten Staaten von Europa gehabt haben, dann dürften sich diese nach diesem nationalen Alleingang in einer so wichtigen Frage sicher noch weiter verfestigen.
Sehr geehrter Herr Mainka,
es würde mich interessieren, ob Sie sich in den letzten Wochen ernsthaft und sachlich mit der europäischen Flüchtlingspolitik der letzten Jahre auseinadergesetzt haben. Dann wüssten Sie nämlich, wer seit 2012 durch politische Blockade eine europäische Lösung zur Entlastung der Staaten an der europäischen Südgrenze verhindert hat und somit für die Eskalation der Lage in den dortigen Flüchtlingslagern wesentlich mitverantwortlich ist. Und erklären Sie mir bitte anhand von Fakten, wann Frau Merkel einen Dammbruch verfügt haben soll.
In Erwartung einer fundierten Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Gyulai-Schmidt,
so sehr ich als Nichtjurist Ihre Beiträge und Ihren sachlichen Stil auch schätze,
Herr Mainka nimt die Sache genauso wahr, wie die Mehrheit der Bundesbürger.
Offenbar nehmen wir die Situation (eben situationsbedingt) anders wahr und Wahrnehmung schafft Realitäten. Daher werden weder Sie uns noch wir Sie überzeugen.
Ja wer denn, Herr Gyulai-Schmidt ? Sicher gibt es wieder ein ganz besonderen Bösewicht.
Wir verstehen natürlich alle nur Bahnhof, wir, die den Merkel-Kurs nicht
vorbehaltlos unterstützen. Für wie viele haben Sie denn Platz zuhause?
50.000 Flüchtlinge sind in dieser Woche Ungarn gegangen. Millionen stehen noch in den Startlöchern.
Also, ich weiß, wo meine Grenzen sind.
Offenbar kennt die deutsche Gesellschaft noch immer nicht, wo die Gefahr beginnt, wo Grenzen überschritten werden. Aber schließlich hat Mutti Physik studiert.
Die Rhetorik führender Politiker hat sich in den vergangenen Tagen sehr geändert. Alles war vorhersehbar !!
Wer war eigentlich so bekloppt, und hat angenommen, Zigtausende könnten in Ungarn bleiben? Man hätte sie nur mit Gewalt an der Weiterwanderung hindern können. Die ganze Diskussion um den “Dammbruch” ist für die Katz. Interessiert keinen (oder Juristen).
Nachdem die EU einfach nicht überreissen will, welche unglaubliche Problemlösungskapazität sie in ihren Reihen hat, bleibt für Ungarn konsequenterweise nur der Austritt aus dem Versagerverein und das Glück auf eigene Faust zu suchen als Ausweg übrig.
Wolfshaut: Ungarn hat nicht vor, aus der EU auszutreten aber vielleicht wird a) dies eines Tages “alternativlos” sein b) die EU ohnehin zerbrechen. Allerdings muss sich Ungarn seine Verbündeten im Osten, also auch in der islamischen Welt, sorgfältig aussuchen. Viele Ungarn haben den Katalanen bei ihrer Abstimmung die Daumen gedrückt, da wirkte es wie eine kalte Dusche, als wir erfuhren, dass Katar die katalanische Unabhängigkeitsbewegung finanziell massiv unterstützt. Selbst wenn die EU zerfällt, dürfen die europäischen Völker sich nicht gegeneinander aufhetzen lassen, sonst steht uns neuer 30jähriger Krieg wie 1914-45 bevor.
Sehr geehrte Mitforisten, sehr geehrter Herr Mainka,
mich stört an dem Kommentar zur aktuellen Flüchtlingskrise, dass er sich gegen die EU richtet. Diese Kritik halte ich für unfair, weil die EU die Flüchtlingspolitik nur soweit koordinieren kann, soweit es die Mitgliedstaaten ihr erlauben. Die Kommission kann nicht mehr tun, als Lösungen vorzuschlagen. Wenn diese an Egoismen der Mitgliedstaaten scheitern, so ist das Versagen denjenigen zuzuschreiben, die sich einer einheitlichen Lösung widersetzen. Aus diesem Grund hatte sich Kommissionspräsident Juncker im Sommer 2015 enttäuscht geäußert:
„ ‚Es reicht nicht, abends vor den Fernsehschirmen zu weinen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, und am nächsten Morgen im Rat eine Gedenkminute abzuhalten.‘ sagte Juncker. Die EU-Kommission werde an den Plänen für eine verpflichtende Quote zur Verteilung von Flüchtlingen festhalten. ‚Auch wenn uns der nächste Europäische Rat in die Schranken weist, werden wir das Feld nicht räumen‘, stellt Juncker klar.“
http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-jean-claude-juncker-kritisiert-eu-regierungschefs-a-1039718.html
Wenn ich nun hier feststelle, dass die EU selbst die Verantwortung für das Versagen der letzten Jahre nicht trägt, dann fragen Sie alle zurecht: Wer ist es dann? Schauen wir uns einfach an, was in den letzten vier Jahre passiert ist.
1. Europäischer Lösungsansatz und Blockadehaltung der deutschen CSU
Die solidarische Verteilung von Kriegsflüchtlingen auf alle Mitgliedsstaaten der EU ist keine Erfindung dieses Sommers. Bereits im Jahr 2011 beriet das europäische Parlament über die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf das Schengen-System. Der damalige Kommissionspräsident Baroso sagte in der Debatte:
„Gleichzeitig besteht die Zielsetzung darin, denjenigen Mitgliedstaaten Erleichterung zu verschaffen, die versuchen, einen ungerechtfertigt großen Anteil an der Migrationslast zu tragen. Wenn Tausende von Menschen am Ufer eines Landes ankommen, dann nicht deshalb, weil sie davon träumen, in Malta oder Lampedusa zu leben. Der Grund ist, dass sie nach einem besseren Leben in Europa suchen. Von Ländern, die stärker von massiven Migrantenströmen betroffen sind, kann nicht erwartet werden, dass sie diese alleine bewältigen. Die Regeln zur Freizügigkeit der Bürgerinnen und Bürger kommen allen Ländern der Europäischen Union zugute. Es ist die Pflicht aller Länder, diejenigen Länder zu unterstützen, die zu einer bestimmten Zeit unter besonderen Druck geraten. Das bedeutet, dass Lasten gleichmäßig verteilt werden müssen.“
In vielen Debattenbeiträge wird auch darauf hingewiesen, dass die EU-Außengrenzen besser gesichert werden müssen, damit die Flüchtlingsströme nicht völlig unkontrolliert nach Europa durchbrechen. Sämtlich Debattenbeiträge finden Sie hier: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=CRE&reference=20110510&secondRef=ITEM-015&format=XML&language=DE
Im September 2012 beauftragte das Parlament die Kommission damit, eine europäische Regelung mit einer dauerhaften Quotenregelung auszuarbeiten, um diejenigen Mitgliedstaaten zu entlasten, deren nationale Asylsysteme unverhältnismäßigem Druck ausgesetzt sind.
http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20120907IPR50814/html/Asylpolitik-Die-Abgeordneten-fordern-faire-Verteilung-und-mehr-Solidarit%C3%A4t
In der Parlamentsentschließung wird auch auf die Notwendigkeit der Sicherung der EU-Außengrenzen hingewiesen:
7. …vertritt die Ansicht, dass trotz der schwankenden Zahl eingehender Asylanträge hinlängliche Beweise für bestimmte Eingangsstellen an den EU-Außengrenzen bestehen, die Schlupflöcher bieten, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoher Zahlen von Asylbewerbungen vorhersehbar ist; fordert als Zeichen der praktischen Solidarität Maßnahmen, die die Asylsysteme der Mitgliedstaaten an den Haupteingangsstellen der EU besser vorbereiten;
8…. stellt fest, dass im Gegensatz zu Mitgliedstaaten ohne Außengrenzen für jene an den Außengrenzen der Union andere Herausforderungen gemäß GEAS gelten und diese daher zur Ausführung dieser Aufgaben auch eine andere Unterstützung benötigen; macht deutlich, dass die Heranziehung vorhandener Maßnahmen als auch die Entwicklung neuer Maßnahmen zur Unterstützung dieser Mitgliedstaaten im Bedarfsfall gemäß Artikel 80 AEUV vorgesehen ist;
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-0310+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE
Leider wurde diese koordinierte Lösung auf der Europäischen Ebene abgeblockt. Deutschland war lange Zeit nicht bereit, sich mit den europäischen Südstaaten solidarisch zu zeigen. Bereits im April 2011 hatte sich Italien vom deutschen Innenminister und CSU-Mitglied Hans-Peter Friedrich eine Abfuhr abgeholt. Italien hoffte damals auf eine Entlastung durch die EU-Partner bezüglich der Flüchtlingskrise auf Lampedusa. Die Antwort von Herrn Friedrich war: „Italien muss sein Problem selbst regeln“.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/streit-ueber-fluechtlinge-innenminister-friedrich-brueskiert-berlusconi-a-756132.html
Diese unkooperative Linie wurde von Deutschland jahrelang beibehalten. Selbstverständlich dürfte es da kaum verwundern, dass die oben genannte Initiative des Europaparlaments und der Europäischen Kommission nicht zustande kam. Beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg im Oktober 2013 gab es keine Mehrheit für eine solidarische Änderung der geltenden EU-Vorschriften. Innenminister Friedrich sagte dazu lapidar: „Dublin II bleibt unverändert, selbstverständlich.” Zur Erinnerung der Hinweis, dass kurz vor dem Treffen mehr als 200 Flüchtlinge bei einem Bootsunfall vor Lampedusa gestorben waren.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/eu-innenminister-uneinigkeit-fluechtlingspolitik
Europa hätte längst eine kooperative Flüchtlingspolitik, wenn Deutschland entsprechende Initiativen frühzeitig als Vorreiter gefördert hätte. Dann hätten sich andere Mitgliedstaaten nicht im Schatten Deutschlands verstecken können und es gäbe wohlmöglich inzwischen in jedem Mitgliedstaat eine Aufnahme- und Verwaltungsstruktur, um Flüchtlinge sicher und würdig unterzubringen, gleichzeitig aber diejenigen effektiv zurückzuschicken, die unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Schutz als Asylant oder Kriegsflüchtling erhalten können.
Es war genug Zeit, Signale nach innen und außen zu senden, dass Europa sich seiner humanitären Verantwortung stellt. Und ich bin auch davon überzeugt, dass mit einer geregelten Entlastung die Staaten an den EU-Außengrenzen, insbesondere Griechenland und Italien, Kapazitäten und Mittel freibekommen hätten, um den Schutz der Grenzen auszubauen.
Ich bin daher der Auffassung, dass die Hauptverantwortlichen für die Blockade einer effektiven europäischen Gesamtlösung in den letzten Jahren hauptsächlich nicht in Brüssel und auch nicht in Berlin, sondern in München zu suchen sind. Denn innenpolitisch ist es insbesondere der CSU zuzurechnen, dass die Regierungskoalition sich nicht zu einer Unterstützung einer solchen Lösung durchringen konnte. Und machen sie sich keine Illusion über die politische Bedeutung der Umarmung Viktor Orbáns bei seinem Besuch in Kloster Banz. Die war nur Theater, jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass irgendjemand aus der CSU-Chefetage sich dagegen ausgesprochen, das Ungarn bei der Abstimmung über die Einrichtung einer Quote überstimmt wird.
Es würde mich übrigens interessieren, was bei uns politisch losgewesen wäre, wenn alle EU-Staaten Deutschland im Jahr 2013 mit einem Mehrheitsvotum zur Quote „gezwungen“ hätte.
2. Politik der offenen Grenze seit 2012
Nun könnte man ja meinen, dass das Dublin-Verfahren, auf dessen Regelung Deutschland und insbesondere die CSU immer pochte, tatsächlich regelgerecht funktioniert hat. Hat es aber nicht und das schon seit dem Jahr 2011.
Ich habe schon an andere Stelle im Forum geschrieben, dass Deutschland bereits seit 2011 aufgrund von Urteilen des EuGH und des BVerG keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückschicken durfte, weil die dortigen Verhältnisse in den Flüchtlingsaufnahmelagern unmenschlich waren.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=144489&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=65512
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=117187&doclang=de
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/12/rk20141208_2bvr045011.html
Wie sie diesem Zeitungsbericht entnehmen können, hatte wegen dieser Urteile das Bundesinnenministerium – dessen Chef Herr Friedrich war –einen Abschiebestopp bis Januar 2012 verfügt. Der Bundestag hat dann beschlossen, den Abschiebestopp um ein Jahr bis in das Jahr 2013 zu verlängern.
http://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-macht-druck-auf-griechenland-entsetzliche-zustaende-in-fluechtlingslagern-1.1235199
Dieser Abschiebestopp bedeutete, dass Flüchtlinge aus Syrien, die über Griechenland nach Deutschland gelangen, nicht nach Griechenland und auch nicht in einen anderen Schengenstaat auf der Fluchtroute abgeschoben werden. Der Asylantrag wird in Deutschland bearbeitet. Ich weise darauf hin, dass diese Sachentscheidung freiwillig geschah. Der EuGH hatte nämlich in den besagten Entscheidungen ausgeführt, dass eine Prüfung nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-Verordnung nicht verpflichtend ist. Die politische Verantwortung für diese rechtlich zulässige Entscheidung trägt Herr Friedrich.
Aber Herr Friedrich hat sich nicht nur in rechtlicher Hinsicht fürsorglich um die Syrienflüchtlinge gekümmert. Er ist sogar extra zum Hannoveraner Flughafen gefahren, um die ersten syrischen Flüchtlinge persönlich auf dem Rollfeld zu empfangen, u.a. mit den Worten: „…Deutschland gibt die Richtung vor, und die anderen müssen nachziehen, auch aus humanitären Gründen. …”. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hans-peter-friedrich-begruesst-syrische-fluechtlinge-in-hannover-a-921710.html
Und auch der bayerische Innenminister hat eindeutige Signale an die Flüchtlinge gesendet. Hier ein Auszug aus der Pressemitteilung vom 21.03.2014:
„ ‚Wir sind mit unserem hohen Engagement für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge Vorreiter in ganz Europa‘, sagte Herrmann. ‚Dass die Kontingente aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind, liegt allerdings nicht an den Ausländerbehörden, sondern an dem langwierigen Auswahlverfahren und die von den Bundesbehörden im Visumsverfahren zu bewältigenden Herausforderungen vor Ort in den syrischen Nachbarländern‘ ”
http://www.stmi.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2014/102/index.php
Bilder mit Ministerempfang am Flughafen und der Ruf „Es sind noch Plätze frei!“ sind doch Signale, die man als Flüchtling in einem Lager in der Türkei oder Griechenland gerne sieht. Dagegen wirken das Flüchtlings-Selfie von Frau Merkel und ihr Ausspruch „Wir schaffen das.“ eher als kleine bescheidene Freundlichkeiten. Mehr politische „Willkommenskultur“ kann man im Zeitalter des Internets öffentlich schon fast nicht mehr zeigen. Ich würde als Flüchtling in einer solchen Situation sagen: „Toll, da will ich auch hin!“ Und ob Sie es glauben oder nicht, die Flüchtlinge kamen auf einmal tatsächlich in Strömen. Es waren so viele, dass der neue Innenminister De Maizière ein halbes Jahr später im Oktober 2014 folgendes forderte: „eine freiwillige Verteilung von Flüchtlingen auf die europäischen Staaten unter Anrechnung der Lasten, die einige europäische Staaten, wie zum Beispiel Deutschland, haben. … Wir müssen uns verständigen auf Aufnahmequoten, etwa nach Einwohnern.”
http://www.tagesschau.de/ausland/eu-fluechtlingspolitik-101.html
Jetzt, wo in Deutschland die Massen ankommen, ist auf einmal das richtig, war Jahre zuvor abgelehnt wurde: Solidarität und Quote. Ich lasse das insoweit unkommentiert stehen.
Und in diesem Jahr waren die Flüchtlingsströme dann so groß, dass diese nicht mehr zu steuern waren. Ungarn hat zwar alles unternommen, um die Entwicklung aufzuhalten. Ohne die ungarische Politik jetzt zu werten, sage ich ganz klar: Ungarn hätte das niemals geschafft. Deswegen wundert es mich auch nicht, dass Ungarn erst temporär am 23.06.2015 und dann endgültig am 30./31.08.2015 vor den Massen kapitulierte. Ende August war der Zeitpunkt, wo der morsche Damm des Dublin-Verfahrens brach. Diese Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten.
Wie auch? Alle, die dann nach Deutschland gekommen sind, mit vorgehaltener Waffe empfangen? Die Flüchtlinge zwangsweise in Züge sperren und unter Bewachung nach Ungarn zurückdeportieren? Dass das angesichts der Geschichte Deutschlands nicht Frage kam, muss ich wohl hier nicht ausführlich erklären.
Nein, nicht die Freundlichkeit von Frau Merkel ist die Ursache für die Situation. Es ist das Versagen einer im Wesentlichen von Verantwortlichen der CSU getragenen Politik. Es wurde am Dublin-Verfahren formell festgehalten und eine europäische solidarische Lösung verweigert. Da das Dublin-Verfahren aber selbst aus Rechtsgründen nicht mehr funktionierte, ist es an der dann entstanden Belastung durch die große Flüchtlingsströme zusammengebrochen. Da ein anderes System derzeit nicht existiert, braucht es Zeit, um wieder geordnete Verhältnisse herzustellen.
Wie ich schon mehrfach geschrieben habe, bin ich der Auffassung, dass die politische Verantwortung dafür im Wesentlichen die CSU trägt. Bayerns Städte und Landkreise löffeln also gerade die Suppe aus, die ihnen die CSU mit ihrer widersprüchlichen Politik eingebrockt hat.