Für Schüler und Eltern mag das Schuljahr relativ reibungslos begonnen haben, das Gros der Schulbücher kam tatsächlich an, deren Inhalt lässt nach der Schockstarre des vergangenen Jahres (die BZ berichtete) kaum noch jemanden die Augenbraue heben. Doch ganz anders sieht es aufseiten der Lehrer aus.
„Als ob wir noch nicht genug zu tun hätten!“ echauffieren sich viele Lehrer derzeit. Nicht nur wurden die Stundenzahlen erhöht, auch müssen Lehrer bis zum Jahr 2018 ein Portfolio zusammenstellen. Darin müssen sie ihre Arbeit, ihren Stundenaufbau und ihre pädagogische Tätigkeit vorstellen. Éva möchte ihren Namen nicht veröffentlicht sehen, ist aber seit 33 Jahren Lehrerin – und muss nun ebenfalls ein Portfolio zusammenstellen. „Ich habe aber noch nicht begonnen, ich hoffe so sehr, dass das noch gekippt wird. Was soll denn das?“ Tatsächlich hätte Éva nach Abgabe des Portfolios noch vier Jahre bis zur Rente. Ihre Rente jedoch ist abhängig vom Ergebnis der Bewertung, denn in Ungarn werden Renten nicht nach Lebensleistung, sondern nach dem Einkommen kurz vor dem Rentenalter berechnet. Fällt Évas Bewertung schlecht aus, sinkt ihre Lohneinstufung, alle Alterszuschüsse und Plusvergütungen für geleistete Arbeitsjahre fielen weg.
Neue PÖCS-e formieren sich
Doch nicht nur das Portfolio sorgt für Unmut. Der jüngst beschlossene Ethische Kodex für Lehrer erregt ebenfalls die Gemüter. Dabei ist allein das Zustandekommen mehr als fragwürdig. Denn der Kodex wurde zusammengestellt und beschlossen durch die Nationale Pädagogische Fakultät, in die jeder Lehrer verpflichtend eintreten musste. An der fachlichen Ausarbeitung des Kodex nahm jedoch kaum jemand mehr teil. Auf entsprechend wenig Gegenliebe trifft der Kodex nun auch. „Ich finde es unhaltbar, dass man mir vorschreiben will, wie ich mich beispielsweise anzuziehen habe!“ Éva ist als Raucherin außerdem dazu angehalten, nicht mehr in Schulnähe zu rauchen, denn der Kodex schreibt vor, dass Lehrer, sofern sie einer Sucht (sic!) erlegen sind, sich schnellstmöglich um ärztliche Hilfe bemühen sollten. Dass Éva damit nicht allein ist, beweist eine Stellungnahme des Gyula Illyés Gymnasiums in Budaörs. Als „stolze, denkende Intellektuelle“ halten sie es für nicht hinnehmbar, dass ihr Verhalten, ihre Kleidung und ihr Privatleben per Machtwort reguliert werden sollen. Weiterhin lehnen sie es ab, dass die Verbindung zu ihren Schülern distanzierter werden soll. „Als Pädagogen bestehen wir darauf, dass wir mit unseren Schülern weiterhin auch seelisch verbunden bleiben!“ Das partnerschaftliche, gelegentlich freundschaftliche Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern muss erhalten bleiben.
Doch nicht nur von außen soll es nunmehr Kontrollen in puncto Verhalten der Lehrer geben. Dieser Tage bildeten sich die Gruppen zur selbstständigen Weiterentwicklung der Pädagogen, im Ungarischen mit dem Kürzel „PÖCS“ versehen. Die Meinungen über die PÖCS-e gehen auseinander, sehen viele Lehrer darin doch nur eine weitere Möglichkeit des Staates, Kontrolle über die Lehrer auszuüben und Regierungstreue erzwingen zu können. Éva ist da anderer Meinung: „Uns gibt das eine Art Sicherheit. Unsere Schulleitung will so schnell wie möglich die interne Bewertung abgeschlossen haben, damit, falls von staatlicher Stelle eine Überprüfung kommt, wir unsere eigenen Ergebnisse präsentieren können. Diese können dann auch von offizieller Seite nicht außer Acht gelassen werden.“ So wirklich ernst könnte das Ganze sowieso nicht gemeint sein, ist sich Éva sicher, anders kann sie sich die Namensgebung schlicht nicht erklären. Denn die Abkürzung PÖCS ist das umgangssprachliche und oft als Schimpfwort gebrauchte Wort für Penis. „Das kann kein Zufall sein“, ist sich Éva sicher.
Eine andere Neuerung ist es aber, welche viele Pädagogen zu Beginn des Schuljahres aufhorchen ließ. Ein Ausschuss wurde gebildet, um das tägliche gemeinsame Singen an Schulen zu planen. Erstmals sprach HR-Minister Zoltán Balog auf dem internationalen Chorfestival davon, welch erhebendes Gefühl das gemeinsame Singen sei und dass dies an Schulen wieder eingeführt werden müsste. Wie und ob mit einem Mehr an Schulstunden verbunden ist noch nicht klar. Klar scheint jedoch, dass die Mehrarbeit – natürlich unbezahlt – an den Lehrkräften hängen bleiben wird. Éva stört besonders, dass die Regierung nun so tut, als ob sie das Rad neu erfunden hätte. Tatsächlich wird in den Grundschulen ständig mit den Kindern gesungen, „das ist ein didaktisch unerlässliches Element des Unterrichts, und die Kleinen haben viel Freude daran.“ Wie dies allerdings bei Mittelstufenschülern oder gar Abiturienten werden soll, weiß sie nicht. Ähnliches dachte sie auch schon bei der Einführung des täglichen Sportunterrichts: „Wenn Kinder aus dem Kindergarten in die Schule wechseln, fällt ihnen das Stillsitzen über 45 Minuten oft schwer. Deswegen bauen wir immer wieder spielerisch Bewegung in den Unterricht ein.“ Die erfahrene Pädagogin stört sich vor allem an dem Brimborium, das die Regierung um solche „Neuerungen“ macht, die doch in der alltäglichen Arbeit schon immer da waren.
Und noch eine Neuerung setzt den Pädagogen zu: Nichtbezahlte Überstunden. Generell scheint das KLIK, das Verwaltungszentrum der öffentlichen Bildungsanstalten, Probleme mit der Finanzierung zu haben. Fast acht Milliarden Forint Schulden hätte das Zentrum mittlerweile angehäuft, wobei 3,6 Milliarden Forint davon unbezahlte Rechnungen, älter als 60 Tage, sind. Auch unter Évas Kollegen ist die Zahl derer, die unentgeltlich Überstunden leisten, hoch. „Wir haben beispielsweise Kollegen, die eine dauerhafte Krankheitsvertretung übernommen haben, die nun, statt 26 Stunden pro Woche 30 Stunden unterrichten – ohne das Mehr an Stunden bezahlt zu bekommen.“ Auf Anfrage der Budapester Zeitung, wie es zu solchen Schulden kommen konnte, ging bis zum Redaktionsschluss keine Antwort ein.
Einfach in den Streik treten – und den Bürokraten und Ideologen den Marsch blasen!
Und natürlich diskutieren, über all die Übertreibungen. So geht Demokratie !!!!!!!!!!!!
Mit der Gefahr nach dem 1. Streik unehrenhaft entlassen zu werden und die zusätzliche Rentenkürzung in Kauf zu nehmen. Zuerst den Schuldienst mit der orbanistischen Idee infiltrieren, und dann die kleine resistent gebliebenen Restbevölkerung in Zwangsarbeit stecken. Der Il-liberale Strukturwandel hat bereits begonnen.