Der Währungsrat der Ungarischen Nationalbank (MNB) hat den Leitzins auf seiner turnusmäßigen Sitzung an diesem Dienstag erwartungsgemäß auf 1,35 Prozent belassen. Fortan bezieht sich der Leitzins aber nicht mehr auf die zweiwöchigen, sondern auf dreimonatige Einlagen bei der Notenbank.
Die der Entscheidung beigefügte Pressemitteilung spricht von unveränderten monetären Konditionen, Experten verweisen jedoch darauf, dass die Währungshüter quasi eine Zinserhöhung vorgenommen haben. Denn während die MNB die bei ihr geparkten Gelder aus der zweiwöchigen Konstruktion in dreimonatige Anleihen umleitet, um den bislang faktisch unbegrenzten Bestand der kurzfristigen Einlagen bis Jahresende auf maximal 1.000 Mrd. Forint zu beschränken, wurden die dreimonatigen Diskontschatzbriefe auf der Auktion der Zentrale zur Verwaltung der Auslandsschulden (ÁKK) an diesem Dienstag zu einem rekordniedrigen Durchschnittsertrag von 0,38 Prozent gehandelt. Im Vergleich zu den Schatzbriefen erreicht der Leitzins in der neuen Lesart somit einen Aufschlag von nahezu einem Prozentpunkt.
Analysten zeigten sich ob der Zinsentscheidung vom Dienstag nicht überrascht, hoben aber hervor, dass die Bindung des Leitzins an die zweiwöchigen Einlagen aufgehoben wurde. Gewürdigt wird von Seiten der Analysten das offenbar erfolgreiche Bestreben der Notenbank, die Bestände ungarischer Staatsanleihen in Händen ausländischer Anleger radikal abzubauen. Solange die Inflation niedrig bleibt, während die Konjunktur an Dynamik verliert, wird die Diskrepanz zwischen dem neu ausgerichteten Leitzins und den am Markt herausgebildeten Zinsen für keine Spannungen sorgen, glauben die Experten. Die aktuellen Sorgen bezüglich der Konjunkturaussichten in China drücken auf die globalen Wachstumsaussichten – damit aber bleibt das Niedrigzinsumfeld noch eine Weile vorherrschend.
Selbst wenn die US-Notenbank Fed anfängt, die Zinsen anzuheben, dürfte dieser Zyklus nicht sonderlich robust ausfallen; die EZB steuert derweil weiter gegen eine strengere monetäre Politik. In jüngster Zeit schien die Region Mittelosteuropas völlig neutral zu reagieren: Während viele aufstrebende Märkte in Asien und Amerika unter Druck gerieten, blieben die nationalen Währungen in der Region weitgehend stabil, die Erträge am Markt für Staatsanleihen nahmen weiter ab. Sollte die EZB in Frankfurt noch mehr Liquidität streuen, könnte die MNB letztlich sogar weitere Zinssenkungen vornehmen. Ganz unbeschadet der Tatsache, dass im Sommer bei 1,35 Prozent der absolute Tiefpunkt ausgelotet schien.
In ihrem aktualisierten Inflationsbericht hält die MNB im Übrigen an einem Wirtschaftswachstum für 2015 von 3,2 Prozent fest. Diese Prognose erschien nach Bekanntgabe der KSH-Daten für das II. Quartal vielen Experten bereits zu optimistisch. Das immer noch robuste Wachstum wird laut aktueller Erwartung der MNB von einer Nullinflation begleitet. Für 2016 rechnet die Notenbank dann verhaltener mit 2,5 Prozent Wachstum und einer mittleren Jahresinflation von 1,9 Prozent. Die Inflationserwartungen wurden gegenüber dem Frühjahr deutlich nach unten korrigiert – da sie sich weiterhin nicht im Inflationsintervall von 2-4 Prozent befinden, wird die MNB unter Umständen bis 2017 (!) keinen Grund haben, die lockere monetäre Politik aufzugeben.