In Budapest wird abgerissen, gebaggert, gerüttelt, gemauert und wieder neu aufgebaut. Das Jahr 2015 steht ganz und gar im Zeichen der Erneuerung: Zahlreiche öffentliche Plätze und Einrichtungen wurden in diesem Jahr modernisiert. Seit Kurzem erstrahlt auch der Szervita tér wieder in neuem Glanz.
Noch vor Kurzem befand sich hier ein vernachlässigter, das moderne Stadtbild verschandelnder Parkplatz. Der früher als Martellini tér bekannte Platz, dessen Potenzial über Jahrzehnte übersehen worden war, hat sich jedoch in diesem Jahr in ein wahres Schmuckstück verwandelt. Nur einen Steinwurf vom Deák Ferenc tér, wo das Leben der Stadt pulsiert, liegt der neu angelegte Szervita tér. Der Umbau des Platzes wurde im Rahmen der Tér_Köz Ausschreibung durchgeführt. Außerdem stellten das Budapester Bürgermeisterbüro sowie die Bezirksregierung erforderliche finanzielle Mittel zur Verfügung. Das Unternehmen, s73 Studio, wurde mit der Planung des Platzes beauftragt. Das Architekturbüro hat bereits große Erfahrung mit der Gestaltung von öffentlichen Plätzen, Parks und Gärten.
Die Wahl der Bodenmaterialien fiel auf Natursteine. Auch in Sachen Möblierung orientierte man sich an der Gestaltung der nahegelegenen Petőfi Sándor utca: die Architekten haben sich für Bänke mit 24 Sitzplätzen entschieden, die auch die Gemeinschaft stärken sollen. Dazwischen sind neue Blumenbeete entstanden. Der Untergrund wurde gewählt, um im Falle von Modernisierungsarbeiten der umliegenden Gebäude das hohe Gewicht der Abbruchmaschinen abzufangen.
Umfangreiche Sanierungsarbeiten
Der Platz ist frei zugänglich, die Parkplätze verschwunden und auch die Gebäude rings um den Platz haben neuen Glanz erhalten. Klassische Musik ist das zentrale Thema des Platzes. In unmittelbarer Nähe befinden sich das Rózsavölgyi Musikgeschäft und die akustisch einwandfreie Kirche Belvárosi Szent Anna. Der Name des Platzes stammt vom nahe gelegenen Sitz des Servitenordens, die den Bau der Kirche nach den Plänen von Johann Georg Pauer in Auftrag gegeben hat. Diese innerstädtische Pfarrkirche wurde bereits zwischen 1725 und 1732 erbaut. Die imposante Barockkirche wurde ebenfalls erst kürzlich renoviert und lässt den Szervita tér so elegant wie eh und je erscheinen. Das sich früher daran anschließende Kloster wurde bei der Bombardierung der Stadt im zweiten Weltkrieg zerstört, jedoch später wieder aufgebaut. Zu Zeiten des Kommunismus musste das Kloster dennoch einem Bürokomplex weichen. Dieses mächtig wirkende Gebäude ist direkt mit der Pfarrkirche verbunden, was die Respektlosigkeit der Sowjets gegenüber jeglicher Religion verdeutlicht.
Geschichtsträchtig
Überhaupt ist der Szervita tér geschichtlich bedeutsam geprägt. Auch im ungarischen Königreich, das bis 1540 bestand, hatte besonders die jüdische Bevölkerung mit Diskriminierung und Ausgrenzung zu kämpfen. Als Folge des Kirchenkonzils von Buda im Jahr 1279, war den Juden persönlicher Besitz in jeglicher Form untersagt. So durften sie auch keine eigenen Wohnhäuser errichten, das Betreten bestimmter Orte und Räumlichkeiten war den Juden untersagt. Auch auf dem heutigen Szervita tér, der zu dieser Zeit die Grenzen der Stadt markierte, durfte sich das jüdische Volk nicht aufhalten. Dennoch befindet sich hier das erste von Judenhand gebaute Haus: Török bánkház. Das im Jugendstil gehaltene Gebäude war ein von Henrik Böhm und Armin Hegedűs errichtetes türkisches Bankhaus. Die Glas-Stahl-Fassade des 1906 erbauten Hauses erschaffen ein Gefühl von Offenheit und Transparenz. Gekrönt wird das Gebäude durch ein prächtiges Glas-Mosaik. Es zeigt eine von ungarischen Soldaten umgebene Madonna und soll Freiheit symbolisieren.
Ein Platz mit Geschichte
Auf dem Szervita tér werden Elemente aus Geschichte und Moderne miteinander verknüpft. Den zentralen Anlaufpunkt des Platzes bildet die Immaculata Säule-auch als Mária-Säule bekannt. Die zehn Meter hohe Statue hat eine lange Geschichte zu erzählen: 1724 gebaut wurde sie bereits mehrfach versetzt, erneuert und verändert. Auch wurde die Statue, nachdem sie im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden war, neu aufgebaut und steht seither auf dem Szervita tér. Einziger Schandfleck an diesem rundum neu gestalteten Ort der Entspannung ist das an die Belvárosi Szent Anna-Kirche anschließende, leerstehende Bürogebäude mit dem dazugehörigen Parkhaus. Zwar galten beide Orte zur Zeit ihrer Errichtung als modern und zugleich architektonisch wertvoll, dennoch stören sie das heutige Bild des erneuerten Platzes sehr.
Wie so viele andere Sanierungsprojekte der Stadt sind auch auf dem Szervita tér die Umbauarbeiten noch längst nicht vollständig abgeschlossen. Weitere Gebäude rings um den Platz, im Herzen der Stadt, sollen ebenfalls modernisiert und verschönert werden. Das heißt jedoch nicht, dass der hier anzutreffende Mix aus „Alt und „Neu“ verloren geht. Die Geschichte der Stadt, die von der jüdischen Bevölkerung, über die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg bis zur Sowjetherrschaft reicht, macht diesen Platz zu einem Gesamtkunstwerk. Trotz Modernisierungsmaßnahmen kann und sollte dieser Charme erhalten bleiben. Denn „alt“ bedeutet nicht automatisch kaputt oder hässlich. „Alt“ bedeutet in diesem Fall, dass dieser Ort seine ganz eigene Geschichte zu erzählen hat.