Drei Länder, 10 Tage, 21 Filme – so lässt sich das diesjährige SEHENSWERT Filmfestival kurz in Zahlen zusammenfassen. Auch in diesem Jahr präsentiert das von der Schweizer Botschaft, dem Österreichischen Kulturforum und dem Goethe-Institut gemeinsam veranstaltete Filmfestival die interessantesten neuen deutschsprachigen Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Das Programm des diesjährigen SEHENSWERT Filmfestival könnte kaum aktueller sein: Beinahe alle gezeigten Filme feiern auf dem Festival ihre Ungarn-Premiere, viele kamen nur vor wenigen Monaten in ihren Herkunftsländern auf den Markt und sogar im Vergleich zu Ungarns größtem Filmfestival, dem Jameson CineFest, kann das Programm des kleinen deutschsprachigen Filmfestivals mithalten: Alle drei der dieser Tage in Miskolc gezeigten Filme aus dem deutschsprachigen Raum („Ich seh, Ich seh“, „Victoria“, „Superwelt“) werden auch zwischen dem 24. September und 3. Oktober auf dem SEHENSWERT Filmfestival in Budapest laufen. Mit 21 Filmen aus drei Ländern werden heuer nicht nur mehr Werke gezeigt, sondern auch Produktionen, die in ihrer Heimat bereits mit renommierten Preisen prämiert wurden. „Wir sind stolz, dass wir in diesem Jahr ein noch stärkeres Programm als in den letzten Jahren präsentieren dürfen“, sagt Katalin Györy, die als Mitarbeiterin der Schweizer Botschaft an der Auswahl der Filme beteiligt ist.
Starke Filme mit viel Emotion
Mit Sebastian Schippers viel gelobtem Drama „Victoria“ wird das SEHENSWERT Filmfestival am kommenden Donnerstag eröffnet. Der Film zeigt die junge Spanierin Victoria, wie sie sich einer Gruppe von jungen Männern bei ihrem Streifzug durch das nächtliche Berlin anschließt. Doch die sich atemlos verdichtenden Ereignisse enden in einem Bankraub, der so nicht geplant war. Schippers Erstlingswerk, das in einer zweieinhalb Stunden langen ununterbrochenen Kamerafahrt gedreht wurde, ist bereits im Februar diesen Jahres für seine kinematographische Glanzleistung mit dem Silbernen Bären der Berlinale ausgezeichnet worden. Im Juni beim Deutschen Filmpreis räumte der Film sogar in sechs Kategorien ab.
Neben dem Eröffnungsfilm gehört auch der neue Film des österreichischen Regisseurs Karl Markovics „Superwelt“ zu den Highlights des Festivals: Die Supermarkt-Angestellte Gabi Kovanda begegnet eines Tages nach der Arbeit keinem Geringerem als dem Allmächtigen selbst. Für eine Begegnung, die Gabis kleinbürgerliche Welt auf den Kopf stellt und nach und nach ihre gesamte Familie erfasst, bis schließlich die Götterdämmerung anbricht und der Himmel über die Handlung hereinstürzt. Markovics erzählt in seinem Film wahrlich eine Geschichte über Gott und die Welt.
Als Geheimtipp aus der Schweiz gilt Stefan Haupts vielfach preisgekrönter und auf wahren Begebenheiten beruhender Film „Der Kreis“. Der Zuschauer wird in die Zeit der 1950er in Zürich zurückversetzt: Während Repressionen gegenüber Schwulen zunehmen, kämpfen zwei junge Männer um ihre Liebe und um die Rechte der Schwulen. Neben einer ganz persönlichen, zeichnet der Film die Geschichte der Schweizer Schwulenbewegung nach, in deren Epizentrum die Gruppe „Der Kreis“ stand.
Neben den Filmvorführungen empfiehlt sich, vor allem die Diskussionsrunden, die im Anschluss an manche Filme angeboten werden, nicht zu verpassen: Dafür hat das SEHENSWERT Festival vier besondere Gäste geladen: darunter die Schweizer Regisseurin Anna Thommen, die sich in ihrem Film „Neuland“ mit dem Thema Migration auseinandersetzt, der Österreicher David Ruehm, der mit seiner Vampirkomödie „Der Vampir auf der Couch“ die Lachmuskeln der Zuschauer strapaziert und die beiden deutschen Filmschaffenden Martin Behnke und Klaus Maeck. Besonders Musikfans dürfen sich auf das Publikumsgespräch mit Klaus Maeck freuen, der als Ko-Produzent, Ko-Regisseur und Autor an der Musikdokumentation „B-Movie“ mitwirkte: Eine Liebeserklärung an die Musikszene im Berlin der 80er-Jahre.
FASSBINDER 70
Neben einem Schwerpunkt auf der filmischen Aufarbeitung der Themen „Anderssein“ und „Migration“ widmet sich das Filmfestival in diesem Jahr mit einem Sonderprogramm dem umfangreichen Schaffen von Rainer Werner Fassbinder. Im Mai dieses Jahres wäre das Wunderkind des Neuen Deutschen Films 70 Jahre alt geworden. In seiner kurzen, aber rastlosen Schaffensperiode von nur 17 Jahren schuf der oft als Filmgenie gefeierte deutsche Regisseur 44 Film-und Fernsehproduktionen, 18 Theaterstücke, aber auch zahlreiche Hörspiele, Gedichte und Liedtexte. Wäre Fassbinder nicht 1982 in München an einer Überdosis Drogen verstorben, hätte er heute vielleicht soeben seinen 182. Film fertiggestellt, vermutet der Regisseur und ehemalige Weggefährte Fassbinders, Alexander Kluge, in einem Interview gegenüber dem Newsportal spiegel online. Fassbinder entwickelte eine ganz eigene Filmsprache – empfindsam, aber radikal ehrlich und provokativ. „Der Zuschauer soll rebellieren“, soll er einmal über sein eigenes filmisches Werk gesagt haben. Im Gedenken an den Ausnahmekünstler zeigt das SEHENSWERT Filmfesival drei der wichtigsten Werke Fassbinders: „Fontane Effi Briest“ (1974), „Faustrecht der Freiheit“ (1975) und „Angst essen Seele auf“ (1974). Aber auch Volker Schlöndorffs Fernsehverfilmung des Theaterstücks Baal von Bertolt Brecht, in der Fassbinder neben Margarethe von Trotta in der Hauptrolle zu sehen ist. Zwei weitere Dokumentarfilme und eine Ausstellung zu Fassbinder runden das Programm ab.
Alle Filme des Festivals werden in Originalsprache, aber mit ungarischen Untertiteln oder mit Simultanübersetzung gezeigt. Im Falle der in der Deutschschweiz gedrehten Produktionen wird es ebenfalls eine deutsche sowie bei ausgewählten Vorstellungen auch eine englische Untertitelspur geben. Einem universalen Verständnis der Filmdialoge für das internationale Publikum steht also nichts im Wege. Neben Budapest kommen zum zweiten Jahr in Folge auch die ungarischen Universitätsstädte Pécs, Debrecen und Szeged in den Genuss einer limitierten Auswahl der Festivalfilme. Der Kartenvorverkauf hat bereits begonnen und insbesondere für den Eröffnungsabend ist es ratsam, sich bereits vor der Veranstaltung mit Tickets einzudecken. Eintrittskarten werden in den Kinos zum Preis von 1.100 Forint verkauft, beim gleichzeitigen Kauf von vier Tickets sinkt der Kartenpreis auf 1.000 Forint pro Ticket.
SEHENSWERT (SZEMREVALÒ) Filmfestival
- September bis 03. Oktober 2015
Veranstaltungsorte:
Budapest – Művész mozi
- Bezirk, Teréz körút 30
Pécs – Apolló mozi
Perczel Miklós utca 22
Debrecen – Apolló mozi
Miklós utca 1
Szeged – Belvárosi mozi
Vaszy Viktor tér 3
Das vollständige Festivalprogramm finden Sie unter www.szemrevalofesztival.hu