Ein Schiff, das nicht einmal seinen Heimathafen verlassen muss, um kulturell die Welt zu erobern: Das A38 an der Budapester Petőfi Brücke hat bereits 2003 am Ufer der Donau angedockt und sich mit seinem vielfältigen Programm schnell einen Namen gemacht. Die Fakten sprechen für sich – 2012 wurde der vormals ukrainische Steinschlepper auf dem Online-Portal der Reisezeitschrift „Lonely Planet” zum besten Club der Welt gekürt. Seine Beliebtheit hat viele Gründe, denn neben Musik, Tanz und feinem Essen bleibt viel Raum für künstlerische Freiheit auf hohem Niveau. Dies spiegelt sich auch im diesjährigen Programm wider.
„See the ocean, I could go anywhere – sieh, das Meer, ich könnte überallhin!“ Singt Paul Banks, Frontmann von Interpol, Ende August auf der A38-Stage des Sziget Festivals. Zugegeben, für dieses außerordentliche Ereignis heißt es für das Schiff einmal im Jahr die Leinen zu lösen und sich für eine Woche in ein Zelt zu verwandeln. Dafür kamen sogar in den letzten Jahren etwa fünfzig Künstler wie Interpol aus der ganzen Welt, um dann auf der Festival-Insel ein genauso internationales Publikum zu begeistern. Die Kooperation zwischen dem beliebten europäischen Festival und dem A38 besteht schon seit geraumer Zeit und hat eine sehr große Bedeutung. Denn viele Künstler, die die Atmosphäre des Festivals miterleben, kommen häufig wieder, um dann auf dem Schiff die Begeisterungsfähigkeit des hiesigen Publikums noch einmal mitzunehmen. So sind auch wieder einige Sziget-Künstler im aktuellen Herbst- und Winterprogram des A38 vertreten wie Kensington aus den Niederlanden, Enter Shikari und Editors aus Großbritannien sowie Balthazar aus Belgien. Die Kooperation zwischen Schiff und Festival wird von keiner Seite in Frage gestellt: „Solange es das Sziget gibt, wird es auch mit großer Wahrscheinlichkeit die A38-Stage geben“, meint Károly Gerendai, der Hauptorganisator des Festivals. Auch A38-Kapitän Attila Bognár bekräftigte die enge jahrzehntelange Freundschaft zwischen Schiff und Insel.
Thrash-Metal und Singer-Songwriter
Ist der kleine Exkurs beendet und die Metamorphose von Zelt zu Schiff geglückt, geht es wieder nicht weniger aufregend im Heimathafen weiter – und zwar mit einer wahren Legende: Dave Lombardo, die ehemalige Drummer-Koryphäe der Trash- Metal-Band Slayer kehrt nun mit seiner, wie er selbst sagt, „Freizeit-Band“ PHILM nach Budapest zurück. Dabei bekommt das Publikum endlich die Möglichkeit, die einzigartige Schlagzeug-Technik aus nächster Nähe anstatt in einer riesigen Konzertarena zu erleben.
Doch auch für die, die es etwas ruhiger mögen, ist direkt noch im September etwas dabei: Nämlich mit Liv, einer Singer-Songwriterin, die aktuell in Deutschland lebt. Ihre norwegischen Wurzeln versteckt sie jedoch nicht – ihre jazzigen, unbeschwerten Indie-Songs bekommen durch den skandinavischen Einfluss eine Tiefgründigkeit, die ihre Musik gleichzeitig so leicht und einzigartig macht. Eröffnet wird der Abend von der ungarischen Band Naked Woods, die Melancholie neu interpretiert und es schafft, das Publikum für eine kurze Zeit in eine andere Welt zu begleiten. Definitiv ein Abend zum Träumen!
Über schrägen Rock, Tradition und alle Himmelsrichtungen
Ausdrucksstarke Stimme, eigenwillig traditionelle Klänge – das sind Deti Picasso. Die in Budapest ansässige Band mit armenischen Wurzeln gastiert Mitte Oktober auf dem Schiff, um ihr neues Album vorzustellen. Dabei besteht das psychedelische Quartett bereits seit 2006 und ist seitdem auf größeren Festivals in Frankreich, Portugal, Ungarn und Tschechien zuhause.
Danach zeigt die Kompassnadel des A38 wieder gen Norden und auch musikalisch in eine komplett andere Richtung: Denn mit der norwegischen Band Jaga Jazzist kommen – wie der Name schon verspricht – Liebhaber von Jazz-Musik auf ihre Kosten, die es jedoch mögen, wenn sie aus der Reihe tanzt. Denn Jaga Jazzist mischen den typischen Elementen Saxophon und Trompete gerne etwas E-Gitarre und Synthesizer bei, weshalb hier eher von sphärischem Elektro als gewöhnlichem Jazz die Rede ist.
Die absoluten Highlights
Die belgische Band Balthazar ist in diesem Jahr bereits auf dem Sziget Festival auf der A38-Stage aufgetreten und eroberte die Herzen des Publikums mit ihrem bluesigen, melodischen Indie-Sound in Nullkommanichts. Am 25. November heißt es diesmal auf dem Schiff „raise your glass to the nighttime!“
Im Dezember folgen gleich zwei Sensationen aufeinander: Zunächst spielen Editors, die mit ihrem düsteren Indie-Rock jeden Konzertsaal erhellen – das englische Quintett ist am 8. Dezember zum ersten Mal auf dem A38 zu Gast. Zwei Tage später sollte man sich nicht wundern, wenn plötzlich aus dem Schiff ganz laut „Be my little Rock ‘n‘ Roll Queen“ ertönt. Denn dann sind wieder die Subways in Budapest! Das komplette Programm gibt es auf Englisch unter: www.a38.hu/en/programs
Vielfältige Kooperationen
Auf dem A38 kann man nicht nur musikalischen Talenten zuschauen, sondern auch sein eigenes Können unter Beweis stellen. Dabei bietet das Schiff eine Chance für weniger bekannte Bands vieler Musikrichtungen, um groß herauszukommen. Bisher haben sich für dieses Jahr etwa 500 Bands beworben, wobei ihr Erfolg von den Zuschauern abhängt: Letztes Jahr haben etwa 100.000 Menschen online abgestimmt und als Jury die Talente beurteilt. Das Ziel ist es, die ungarische Jugendkultur zu fördern, was auch durch den staatlichen TV-und Radiosender „Petőfi“ unterstützt wird.
Ein weiterer wichtiger Partner des A38 ist in diesem Jahr WOMEX: Die weltgrößte Musikmesse findet zum ersten Mal überhaupt in Mitteleuropa statt. Dabei wird es neben der Messe eine pompöse Eröffnung, Musikdarbietungen aller Art, Konferenzen sowie Filmvorführungen geben. Informationen hierzu unter: www.womex.com