Kennen Sie das auch: Sie sind als Tourist in einer neuen Stadt unterwegs und versuchen den Weg von Punkt A nach Punkt B zu meistern. Doch die großformatige Straßenkarte, die Ihnen eigentlich die Orientierung ermöglichen soll, erfordert mindestens zwei Personen für ein volles Entfalten und ein Ingenieursdiplom für ein ordnungsgemäßes Zurückfalten in den vom Hersteller gewünschten Ausgangszustand. Manch eine Straßenkarte ist deshalb schon dem Frust ihres Besitzers zum Opfer gefallen. Der ungarische Designstudent Dénes Sátor hat mit seiner EggMap eine handliche Alternative gefunden, die in doppelter Hinsicht das Stresslevel beim Urlaub in der Großstadt senken soll.
Der Name EggMap setzt sich aus den englischen Wörten für Ei und (Straßen-)Karte zusammen und beschreibt gleichzeitig Form und Funktion von Sátors pfiffiger Erfindung. Doch auf den ersten Blick sieht die EggMap eher wie einer jener eierförmigen Knautschbälle aus, die oft in Großraumbüros als Anti-Stress- oder Wutbälle dazu dienen sollen, akut angestaute Energie einfach wegzudrücken. Und tatsächlich lässt sich Sátors Erfindung auch in dieser Weise nutzen. Doch wenn man den eierförmigen Ball nur kräftig genug in der Faust zusammendrückt, zeigt sich, dass das hübsche bunte Muster der EggMap eigentlich eine detaillierte Straßenkarte Budapests darstellt.
Dabei sind nicht nur Hauptstraßen, Nebenstraßen bis hin zu kleinen Gassen eingezeichnet, sondern ebenfalls Metro-, Straßenbahn- und Buslinien. Daneben sind wichtige Sehenswürdigkeiten wie die Szent István Basilika, aber auch Theater und Kirchen auf der EggMap anhand einfacher Symbole sofort zu finden. Damit man sich noch leichter zurechtfinden kann, sind die verschiedenen Stadtbezirke von Budapest in unterschiedlichen Farben kodiert. Natürlich kommt die EggMap ebenfalls mit einer eigenen kleinen Legende, die die unterschiedlichen Symbole von Springbrunnen über Postämter und Museen bis hin zu Synagogen erklärt. Damit steht einer schnellen und stressfreien Orientierung im Großstadtdschungel nichts im Wege.
Und so funktioniert’s…
Im Prinzip funktioniert die EggMap wie ein bedruckter Luftballon, dem schon beachtlich viel Luft entwichen ist: Verdrängt man Luft aus dem einen Teil des Ballons, schafft sie sich Raum, indem sie den anderen Teile des Ballons weitet. Das Material dehnt sich und der darauf befindliche Druck wird vergrößert. Dieser Effekt ermöglicht der EggMap ein quasi stufenloses, manuelles rein-und rauszoomen innerhalb bestimmter Ausschnitte der Straßenkarte. So lassen sich sowohl weiter voneinander entfernte Ziele im Auge behalten, als auch die engere Umgebung der Straßenecke, an der man vielleicht gerade steht, genauer erforschen.
Das Ei selbst besteht aus einem gummiartigen wasserfesten Material, dem im Gegensatz zur gewöhnlich aus Papier gefertigten Straßenkarte auch Wind, Schnee und Regen nichts anhaben können. Gleichzeitig ist das Material sehr flexibel, kann also ohne Probleme kräftig gequetscht, getreten, auf den Boden, gegen die Wand oder – vor Ärger sei gewarnt – nach Einheimischen geworfen werden. Laut Sátor ist das kleine Ei quasi unzerstörbar. Dass es dabei so gut wie nichts wiegt, ist der Tatsache geschuldet, dass es im Inneren tatsächlich ähnlich einem Ballon mit gewöhnlicher Luft gefüllt ist.
Nur einen Nachteil hat Sátors pfiffige kleine Erfindung: Bisher gibt es sie noch nicht in den Läden zu kaufen. Bei der Version, die dieser Tage durch viele Design- und Lifestyle-Magazine geistert, handelt es sich um einen Prototypen, den Sátor im Rahmen seiner Abschlussarbeit an der Budapester Moholy-Nagy-Universität für Kunsthandwerk und Gestaltung (MOME) anfertigte. Bisher ist noch unklar, wann genau die EggMap in den Handel kommt, doch es zeichnet sich bereits ab, dass sie in Souvenirläden und Stadtinformationen schnell zum Verkaufsschlager aufsteigen könnte. Mit Anfragen von Privatpersonen aus der ganzen Welt, die EggMaps auch für Städte wie Berlin, Wien, New York oder Paris fordern, werde der junge Designer nach eigenen Angaben dieser Tage überhäuft.
Viele werden sich sicher fragen, warum in Zeiten von mobilem Internet und Smartphones samt GPS ein Produkt wie die EggMap überhaupt noch so viel Aufregung erregen kann. Sicher steckt hier auch einer der Schwachpunkte des Konzepts der Eierkarte. Denn wo genau liegt der Mehrwert gegenüber dem Smartphone? Allzu viel Kritik kann man jedoch auch daran nicht üben: Zum einen handelt es sich bei dem bunten Ei um ein witziges Objekt für Liebhaber, um etwas, das man anschließend ins Regal stellt und das den Besitzer vielleicht an einen schönen Urlaub erinnert. Zum anderen ist bei dem schier übertriebenen Grad der Technifizierung unseres Alltags durch Smartphones, Smartwatches und sogar smarten Kühlschränken für jedermann verständliche und trotzdem neue Erfindung wie die EggMap, die sich bewusst auf einfache Wirkprinzipien zurückbesinnt, geradezu erfrischend. Außerdem hat Sátors analoge Straßenkarte einen geradezu unschlagbaren Vorteil gegenüber ihren elektronischen Pendants: Weder kann dem Ei der Strom ausgehen noch ist es auf ein ausreichend starkes Netzsignal oder einen Wifi-Hotspot angewiesen.
Wenn Sie als einer der Ersten wissen möchten, wann die Eierkarten von Dénes Sátor in Produktion gehen oder Sie eine Eierkarte ihrer und weiterer Städte vorbestellen wollen, folgen Sie diesem Link, um dank des EggMap-Newsletter immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Oder folgen Sie den Arbeiten des jungen Designers auf der Kreativ-Plattform Behance unter www.behance.net/ satord
Katrin Holtz