Der Ukraine-Konflikt und der Ungarn aufgezwungene Handelskrieg mit Russland drücken nicht nur auf das Volumen des ungarisch-russischen Handels, sondern machen sich auch in der ungarischen Grenzstadt Záhony extrem negativ bemerkbar. Dr. Imre Kovács, Vorstandsvorsitzender der Rail Cargo Hungaria Zrt., berichtet gegenüber der Budapester Zeitung von einem Rückgang des Gütertransports an diesem strategisch wichtigen Ost-West-Umschlagpunkt von 30 Prozent im vergangenen Jahr.
Der Einbruch habe inzwischen eine Dimension erreicht, dass sich bereits langsam die Frage der Wirtschaftlichkeit der Güterbewegung von Waggons mit den östlichen Breitspurgleisen auf solche mit europäischer Spurbreite stelle. Damit einher geht die Gefährdung von mehreren Tausend Arbeitsplätzen. „Die schwere Situation in Záhony hat aber auch zahlreiche indirekte Auswirkungen auf den ungarischen Eisenbahngütertransport insgesamt“, fügte er hinzu.
Sinkendes Volumen
Neben dem Ukraine-Konflikt gibt es nach den Worten von Kovács noch einen weiteren, sogar sehr maßgeblichen Grund für den deutlichen Rückgang des Volumens. So würden seinen Informationen nach die Verladestationen der Nachbarländer im Vergleich zu denen in Ungarn unter wesentlich vorteilhafteren Wirtschaftsregelungen und effizienteren Eigentümerstrukturen arbeiten. „Die slowakischen und rumänischen Verladestationen sind örtlich konzentrierter, deswegen können sie auf dem Markt mit besseren Zeiten und Preisen aufwarten.“
Außerdem unterstütze die Wirtschaftsdiplomatie dieser Länder intensiv die Verlagerung der Verkehre in diese Zentren. All dies führe dazu, dass die Menge der in das slowakische Cierna und das rumänische Halmeu geleiteten Transporte in letzter Zeit kontinuierlich angestiegen sei, und das sogar bei seit dem II. Quartal 2014 stetig schrumpfenden Importen aus dem GUS-Ländern. Die Exporte in die GUS-Länder seien sogar in noch größerem Umfang zurückgegangen.
Erschwerend für Záhony komme weiterhin hinzu, dass der Eigentümer des Stahlwerkes Dunaferr in Dunaújváros zur Rohstoffversorgung des Unternehmens eine neue, Záhony nicht berührende Eisenbahnroute bestimmt hat. So kommen die Transporte aus Russland nicht mehr über die Ukraine in die Stahlhütte, sondern über den kroatischen Hafen Rijeka. Dabei sei die Umgehung der Ukraine nicht zwangsläufig notwendig. So erwähnte der Vorstandsvorsitzende, dass beispielsweise die Voest Alpine in Linz ihre russischen Rohstoffe weiterhin auf dem Landweg, also über die Ukraine erhält. „Mit einer gewissen Kraftanstrengung, auch von Seiten des ungarischen Staates wäre dies auch für Dunaferr eine Option gewesen.“
Unterstützung durch die Regierung
„Ohne eine tatkräftige Unterstützung durch die Regierung wird die Region Záhony nicht so schnell aus ihrer augenblicklichen Misere herauskommen“, setzt Kovács diesen Gedanken fort. Ein Schritt in diese Richtung könnte etwa sein, dass die Regierung mit Dunaferr eine strategische Vereinbarung abschließen würde, in der dann explizit eine Rohstoffversorgung über Záhony festgeschrieben wäre. Zudem könnte der Staat auch die Strecke zwischen Záhony und Dunaújváros mittels Vergünstigungen bei der Streckennutzungsgebühr noch attraktiver machen. Bei diesem Punkt weist der Top-Manager nachdrücklich darauf hin, dass zwar ungarische Produzenten Kompensationen für Umsatzausfälle erhalten, die sich aus dem Handelskrieg mit Russland ergeben, Logistikanbieter und deren entsprechende Verluste bisher jedoch leer ausgegangen seien.
Es gäbe auch noch weitere Möglichkeit, die Krisenerscheinungen in Záhony etwas zu lindern. So würde es sich beispielsweise lohnen, einen Teil der, der Ukraine zugedachten EU-Unterstützungen durch ungarische Eisenbahnanbieter über Záhony in die Ukraine zu leiten. Positiv wäre auch, wenn sich Ungarn am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen würde. Auch dazu seien jedoch diplomatische Anstrengungen nötig.
Mehrere Tausend Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel
Dass auch der Staat ein vitales Interesse am Funktionieren dieses wichtigen Warenumschlagplatzes haben könnte, liege schon allein mit Blick auf die Arbeitsmarkteffekte auf der Hand. Nach Schätzungen von Kovács könnten bei einem weiteren Anhalten der Krise in der Region insgesamt etwa 3.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Von dem Arbeitsplatzabbau wären neben seiner Firma auch die staatlichen Unternehmen Záhony Port, MÁV und MÁV Start betroffen, die gegenwärtig vor Ort allesamt auf Sparflamme arbeiteten und nur etwa 40 Prozent ihrer vorhandenen Kapazitäten nutzen würden. „Die Zeit drängt“, mahnte Kovács abschließend.
Záhony und seine Umgebung haben den Status einer besonderen Wirtschaftszone. Diese basiert im Wesentlichen auf dem Eisenbahngüterverkehr einschließlich Umschlag- und Umspur-Dienstleistungen. In den Spitzenzeiten vor 1990 durchliefen Záhony jährlich rund 20 Mio. t an Gütern – inzwischen sind es nur noch vier. Das 84 km2 große Areal hat sich in erster Linie auf die ungarischen Importe von Rohstoffen und Energieträgern auf dem Eisenbahnweg spezialisiert. Auf dem Areal, das über ein Schienennetz von rund 140 km Breit- und 260 km Normalspur-Gleisen verfügt, sind acht verschiedene Unternehmen an sechs Stationen mit dem Warenumschlag beschäftigt. Das größte unter ihnen ist die zur MÁV-Gruppe gehörende, sich in staatlichem Eigentum befindliche Firma Záhony Port.
Die Rail Cargo Hungaria (RCH) Zrt. ist als Tochter der Rail Cargo Group Teil der zweitgrößten Eisenbahngütertransportgesellschaft Europas. Zu ihrem Fahrzeugpark gehören etwa 10.000 Waggons. Jährlich fahren unter ihrer Regie 150.000 Züge mit rund 33 Mio. t Gütern. Mit 25 Loks hat sie eine der jüngsten und modernsten Flotten Europas. RCH hat am ungarischen Eisenbahngütertransportmarkt einen Anteil von 65-70%. Etwa 80% der Verkehre werden in internationaler Relation abgewickelt. RCH ist in Ungarn die einzige Gesellschaft, die neben einer vollständigen regionalen Abdeckung auch den Einzelwaggon-Verkehr anbietet. Mehr als 10% der RCH-Mitarbeiter sind in Záhony tätig.