Eines der Probleme mit Musicals wie „Fame” (deutsch: Ruhm) oder „Cats” (deutsch: Katzen) ist es, dass sie dazu neigen, nicht allzu vorteilhaft zu altern. Sie wirken altmodisch, gefangen in einer längst vergangenen Zeit. Ich versuche, ihnen eine Chance zu geben, aber alles, woran ich denken kann, während ich zusehe, wie sich das Drama immer weiterentwickelt, ist, dass die Charaktere noch einen langen Weg vor sich haben, wenn sie zu ihren 15 Minuten Ruhm gelangen wollen.
Damit möchte ich nicht die Darsteller selbst kritisieren, denn sie haben ihr Bestes gegeben in diesem nunmehr immer schneller alternden Musical, welches auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1980 basiert. Produziert von David De Silva geht es darin um Studenten an der New York City High School of Performing Arts – einer Schule für Tanz, Musik und Schauspiel. Später folgte außerdem eine TV-Serie.
Sowohl Film als auch Musical drehen sich um die Träume und Hoffnungen von von der Welt der Stars faszinierten, ambitionierten Charakteren an einer prestigeträchtigen Stage School. Eines der Probleme ist, dass nicht eine der Figuren besonders fesselnd wirkt und sie eher zweidimensional wirken, wohingegen sich die Charaktere im Film mehr entwickeln.
Dies ist nicht die Schuld der Performer, sondern eher eines des Musicals selbst. Die Pointen und Dialoge scheinen ihre Energie und Magie verloren zu haben, die sie noch zu den Anfangszeiten des Musicals innehatten.
Beeindruckendes Bühnenbild auf zu kleiner Bühne
Bei dieser Version von „Fame“ führte Szilárd Somogyi Regie, und die Geschwindigkeit der Dramaturgie ist raffiniert und bedacht. Die Szenen, das Licht und die Musik wechseln schnell, und die Ausstatter haben ihr Bestes gegeben mit der Kulisse der Skyline New Yorks nebst schwarzem, mit Sternen versetztem Himmel. Das Licht und das Bühnenbild waren ein sich immerfort veränderndes Kaleidoskop aus Farbe und Bewegung – und das ist eine der Stärken der Show: Auf der Bühne selbst herrschten konstanter Wandel und Dynamik.
„Fame“ ist beliebt; das Publikum hat die Vorführung enthusiastisch angenommen, aber die Bühne und der Zuschauerraum werden einem Musical dieser Größenordnung einfach nicht gerecht. Die zu engen Gegebenheiten der Bühne haben die Tänzer zurückgehalten, mit ihren Bewegungen in die volle Höhe und Breite zu gehen. Für eine Show wie „Fame“ ist dies ein großer Nachteil; die Erwartungen sind immerhin dahingehend, dass man das Musical über eine große Bühne hinweg gespielt sieht – atemberaubender Tanz und kraftvoller Gesang inklusive.
Auch die Akustik des Budapester Operettentheaters ist nicht die Beste, um die Stimmen der Sänger zur Geltung zu bringen. Sie schienen im Raum zurückzuhallen und ein Echo zu erzeugen statt sich bis zur Decke zu erstrecken.
Altbacken und Plot-arm
Es gibt Musicals wie „Chicago“ und „Cabaret“, die – Plot-gesteuert wie sie sind – dem Alterungsprozess besser standhalten können. Doch „Fame“, das sich um die New Yorker Schule und seine Figuren dreht, fehlt es im Grunde genommen an Rückgrat. Es wirkt altbacken, und ohne das Skelett einer starken Storyline, die das Ganze zusammenhält, fängt es an, Falten zu werfen und an allen Ecken und Enden zu hängen.
„Cats“ ist ein weiteres solches Musical, das mit seinem Alter nicht allzu gut klarkommt. Auf den Gedichten von T. S. Eliot basierend, ist es ein gleichsam Plot-armes Musical, das endlos Charaktere einführt und keinen richtigen Anfang, Mittelteil oder Ende hat. Es präsentiert die Katzen über Lieder und Tänze, aber die ganze Vorstellung ist abgetragen, müde und gefangen in einer anderen Ära, so erschöpft und lächerlich wie eine alte Katze. Insbesondere da die klagenden Katzen nun das Fell ihrer Kostüme verlieren – sowie den Glanz der glorreichen Tage. Manchmal müssen Musicals eben einfach eingeschläfert werden.
Aufhören, wenn man ganz oben ist
„Starlight Express“, das magische Musical über Züge, war seinerzeit bahnbrechend, da es in den achtziger Jahren auf Rollschuhen aufgeführt wurde. Sein Zuhause war das nur zu diesem Zweck gebaute Apollo Victoria Theatre in London, inklusive einer geschwungenen Rennbahn für die Rollschuhfahrer, die sich um den Zuschauerraum schlängelte. Es war neu und dynamisch und ehrfurchtgebietend. Dann begann das Musical, durch Theater zu touren, was den Bedürfnissen der Skater, die das Publikum im Apollo Victoria teils sogar mit 64 km/h umfuhren, einfach nicht gerecht wurde. Mittlerweile muss das Publikum 3D-Brillen aufsetzen, um die Wettrennen auf großen Bildschirmen im Zuschauerraum nachverfolgen zu können. Die Spezialeffekte verbergen die Tatsache, dass die Story, die Lieder und die Kostüme langsam immer schwächer und getrübter aussehen.
Wie ein Sänger, der sein Comeback feiert, obwohl er das Mikrofon längst an den Nagel hätte hängen sollen, so fahren auch diese Musicals trotz ihres Ruhestandes fort. Man soll aufhören, wenn man ganz oben ist und die Menschen mit dem Wunsch zurücklassen, mehr zu wollen.
„Fame“ ist für alle Altersgruppen geeignet und dürfte denjenigen gefallen, die Musicals mögen – von Broadway ist hier jedoch keine Spur.
Musical „Fame”
Budapesti Operettszínház
(Budapester Operettentheater)
Budapest VI. Nagymező utca 17.
Spielzeiten:
10., 11., 12. und 13. September bzw. 20. und 21. Oktober: 19 Uhr
12. September und 18. Oktober: 15 Uhr
www.operett.hu