Unser aktuelles Top-Manager-Interview zeigt mindestens zweierlei. Zum einen, dass man als Produktionsunterneh- men in Ungarn nach wie vor sehr erfolgreich sein kann: Bei allen drei Firmen, mit denen die Schaeffler-Gruppe in Ungarn vertreten ist, stehen die Zeichen auf Wachstum. Gezeigt wird an diesem Beispiel aber auch, dass für diesen Erfolg ein gewisses, über den eigentlichen Produktions- prozess hinausgehendes Maß an Eigeninitiative notwendig ist.
So etwa bei der, von Investorenseite schon seit Jahren kritisierten Situation hinsichtlich der Facharbeiterversorgung. Die interviewten Top-Manager gehen hier mehrere Wege. So haben sie etwa eine intensive Zusammenarbeit mit lokalen Berufsschul- und Hochschuleinrichtungen etabliert. Auch stehen sie in engem Kontakt mit den jeweiligen Stadtverwaltungen, aber auch mit anderen Firmen vor Ort, mit denen dann gemeinsam gewisse allgemeine Themen angepackt werden.
Nicht zuletzt wegen des Engagements von Seiten des ungarischen Staates, das alle drei Manager als deutlich positiv und hilfreich bewerten, sind bereits mehrere Erfolge da. Wahr ist aber auch, dass der Einsatz der Firmenvertreter zuweilen recht weit gehen muss, wenn sie sich selbst mit kleineren, scheinbar nebensächlichen Details, etwa der lokalen Infrastruktur befassen müssen. Schließlich sollten ja nicht nur die angebotenen Arbeitsplätze attraktiv sein, sondern auch das regionale Umfeld beziehungsweise die vorhandene Infrastruktur.
Nur wenn das Gesamtpaket stimmt, werden die angehenden Mitarbeiter insbesondere im ländlichen Raum einen entsprechenden Arbeitsvertrag unterschreiben. Und nur, wenn auch die Infrastruktur stimmt, werden sie langfristig bleiben. Dazu zählen bezahlbarer Wohnraum ebenso wie ausreichend vorhandene Kindergarten- und Schulplätze. Wo es hier Defizite gibt, sind die Investoren gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass diese von Vertretern des Staates irgendwann einmal von selbst erkannt und behoben werden, sondern die Dinge in die eigene Hand zu nehmen oder zumindest dafür zu sorgen, die kritikwürdigen Punkte solange auf der Agenda der Vertreter von Staat und Kommunen zu halten, bis sie abgehakt sind.
Wozu sie in der Lage sind, haben insbesondere deutsche Investoren beim Thema EKÁER nachdrücklich bewiesen. So kann davon ausgegangen werden, dass dieses Thema ohne ihre massive, dabei stets konstruktive Kritik um die Jahreswende nicht so schnell entschärft worden wäre. Denn wäre sich die ungarische Verwaltung von vorn herein über die Praxisuntauglichkeit von EKÁER in seiner ursprünglichen Form im Klaren gewesen, dann hätte sie ohne gewaltige Reibungsverluste in der Praxis zu riskieren die EKÁER-Vorstufe wohl gleich von selbst auf dem Reißbrett übersprungen…
Wie auch immer, gemeinsam mit den Investoren ist es letztlich gelungen, ein funktionstüchtiges EKÁER-System zu schaffen. Wo sich die Gesichter von befragten Firmenvertretern vor etwa einem halben Jahr beim Stichwort EKÁER noch deutlich verfinsterten und ein Schwall an Argumenten einsetzte, um die Praxisferne dieses Systems zu begründen, scheint EKÁER nach den vielen Nachbesserungen nun sogar so gut zu funktionieren, dass es mit Lob bedacht wird – ebenfalls nachzulesen in unserem aktuellen Interview. Derartige Anerkennung für das viel gescholtene System veröffentlichen wir gerne. Nach all der, auch über die Budapester Zeitung verbreiteten Kritik an diesem System ist es jetzt nur fair, auch mit dem Fakt der Entwarnung nicht hinter dem Berg zu halten. Der Fall EKÁER zeigt wieder einmal eindringlich, dass Ungarn teilweise nur so gut ist, wie es sich die Betroffenen machen.
Um das gleiche Thema, nämlich Eigeninitiative geht es übrigens auch hier, wo von einem deutschen Geschäftsführer die Rede ist, der sich – angestoßen auch durch unsere Berichte von der miserablen Einkommenssituation ungarischer Krankenschwestern – entschlossen hat, fünf von ihnen ein Jahr lang finanziell etwas unter die Arme zu greifen. Schön für die Schwestern und deren Familien, schön aber auch für uns! Immerhin ist das Zustandekommen dieser kleinen Hilfsaktion durchaus auch als Ergebnis unserer, sicher nicht überbezahlten journalistischen Anstrengungen zu werten und unterstreicht einmal mehr die Sinnhaftigkeit unseres Tuns.
Mögen sich die Dinge im ungarischen Gesundheitswesen – auch durch die Unterstützung der schreibenden Zunft, aber ebenso als Effekt so nobler Gesten wie der beschriebenen – so entwickeln, dass eines Tages nur noch die Kranken und nicht mehr das System selbst Fokus von Heilungsanstrengungen sind!