Seit diesem Montag leitet Ildikó Vida nicht mehr die Steuer- und Finanzbehörde. Ihre bisherigen Aufgaben übernahm vorerst ihr Stellvertreter Árpád Varga. In einem Brief an ihre Mitarbeiter erklärt NAV-Chefin Ildikó Vida, warum sie bereits am 20. Mai gekündigt hat.
Am Montag verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Ildikó Vida, die bisherige Leiterin der Steuerbehörde, verlässt die NAV. Tatsächlich war dieser Schritt bereits seit Monaten erwartet worden, Vida stand schon seit Langem in der Kritik. Die Causa Vida, sprich das Einreiseverbot in die USA, von dem auch die nun zurückgetretene NAV-Chefin betroffen war, ist zwar in den Medien kaum noch präsent, jedoch nicht vergessen worden. Nun also die Kündigung. In einem Abschiedsbrief erklärt sie ihre Gründe.
Frage nach dem Warum
Als Grund für ihren Rücktritt nennt Vida die Kämpfe der vergangenen fünf Jahre, „aber insbesondere die seit vergangenem Oktober anhaltenden, grundlosen und unwürdigen Angriffe auf mich und meine Familie.“ Doch auch fachlich fühlte sich Ildikó Vida wenig wohl. So nennt sie in ihrem Abschiedsbrief als einen weiteren Grund für ihren Rücktritt die Ablehnung ihrer Vorschläge zur Umstrukturierung der Steuerbehörde durch die Regierung. Konkret nennt sie den „Mangel an Vertrauen“ als Hauptursache. Dabei gärte die Entscheidung zu gehen bereits seit Mitte April, schreibt sie weiter. Denn vor drei Monaten sollte eigentlich der von ihr ausgearbeitete Gesetzesvorschlag zur Umgestaltung des Beamtenwesens vor dem Parlament diskutiert und beschlossen werden, hochrangige Regierungsvertreter hätten die ihr gegebene Zusage jedoch nicht eingehalten, und so sah sie sich Mitte April „überraschend mit den Vorstellungen der Regierung in Bezug auf einen Personalwechsel innerhalb der NAV konfrontiert“. Am 20. Mai schließlich reichte sie ihren Rücktritt bei Ministerpräsident Viktor Orbán ein, entsprechend den Gesetzen lief ihre Berufung am vergangenen Montag aus.
Zur Erinnerung: Bereits Ende des vergangenen Jahres geriet Ildikó Vidas Name in die Schlagzeilen und hat sie seitdem nie wirklich verlassen. Ihr Name machte im Rahmen des US-Einreiseverbots die Runde. Dabei ging es um ein von den USA verhängtes Einreiseverbot, von dem auch die damalige Leiterin der Steuerbehörde betroffen war. Grund für das Einreiseverbot war der Verdacht auf Korruption. Bis heute ist die Causa Vida nicht ganz geklärt worden. Auch eine Untersuchung brachte keine Erkenntnisse, war es doch die NAV selbst, die gegen ihre Leiterin ermitteln sollte. Das Ergebnis wurde nie veröffentlicht und wird es wohl auch nicht nach dem Weggang der ehemaligen Leiterin. Wer die Steuerbehörde nun dauerhaft übernimmt, ist noch nicht bekannt, provisorisch wird der stellvertretende Leiter Árpád Varga die Geschäfte leiten.
Die Spekulationen über den wahren Grund für Vidas Abschied nehmen indes seit ihrem Rücktritt an Fahrt auf. So schreibt beispielsweise die linksliberale Wochenzeitung hvg in ihrer Onlineausgabe davon, dass dem Rücktritt der Simicska-Vertrauten Vida (Lajos Simicska war lange Zeit enger Vertrauter von Premier Orbán, vor wenigen Monaten jedoch kam es zum offenen Bruch, der Streit schwelt seither unverändert und auf verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ebenen) eine aufwendig vorbereitete Kommunikation seitens der Regierung voran ging. Der Staatliche Rechnungshof veröffentlichte bereits Anfang Mai einen Prüfungsbericht über den Zeitraum 2009 bis 2013 – und stellte hierbei schwere Fehler fest. So seien beispielsweise die Regeln für die Besteuerung hervorgehobener Steuerpflichtiger nicht mit den geltenden Gesetzen in Einklang gestanden. Das Timing war, vermutet man Absicht dahinter, geschickt gewählt, schien es doch um die skandalumwitterte NAV langsam still zu werden und die von Whistleblower András Horváth öffentlich gemachten Vorwürfe in Vergessenheit zu geraten.
Wer wusste wann wovon?
Am Mittwoch gab es dann auch von Regierungsseite endlich eine Äußerung zu Ildikó Vidas Rücktritt. Bei der allwöchentlichen Pressekonferenz „Regierungsinfo“ sprach Regierungssprecher András Giró-Szász über die Gründe, warum Premier Orbán seine Meinung in Bezug auf Vida geändert habe. Denn noch Anfang Juni wollte der Premier nichts von einem Rücktritt der Leiterin der Steuerbehörde wissen, fachliche Gründe seien nicht erkennbar, sagte er damals. Nur wenige Wochen später kam nun jedoch die Einsicht: Vidas „persönliche und familiäre Gründe“ hätten schließlich zur Annahme ihres Rücktritts geführt. Über einen Nachfolger wurde noch nicht entschieden, aber in bestimmten Regierungskreisen scheint man selbst vom Rücktritt Vidas überrascht worden zu sein – konkret Wirtschaftsminister Mihály Varga hatte, wie es scheint, am wenigsten mit diesem Ausgang gerechnet. In einem am vergangenen Montag veröffentlichten Interview mit dem Blog Mandiner spricht der Minister noch von seinem ungebrochenen Vertrauen in Ildikó Vida, man arbeite bedenkenlos und effizient zusammen. Zumindest hat man das bisher.