Heraklit sagte: „Man kann nicht zweimal in den selben Fluß steigen“, in Budapest muss es heißen: „Man kann nicht zweimal durch dieselbe Straße gehen, ohne eine neue Bar oder ein neues Retaurant zu entdecken.“ Vor gar nicht langer Zeit befand sich in der Dob utca 40 noch ein Industriehof, auf dem man Beton und Schotter kaufen konnte; heute gibt es hier Taboulé, Knish und andere von der jüdischen Küche inspirierte Gerichte.
Seinen industriellen Charme hat der Hof auch nach seiner Umgestaltung zum Gastro-Hotspot und Biergarten beibehalten: Die Wände zieren Holzpaletten, in deren Zwischenräumen Blumenkästen prangen. An einer Wand trennen riesige Wassercontainer, von denen einer sicher 2.000 Liter fasst, Sitznischen voneinander ab. An jeder Ecke sorgen Pflanzenkübel für ein bisschen frisches Grün, und über allem schweben Kabelrohre, die zu Lampions umfunktioniert bei Einbruch der Dunkelheit in bunten Farben erleuchten. Die Mischung resultiert in einer Art post-industriellem Sommerflair. Und in der Luft liegt der vielversprechend würzige Duft der nächsten Mahlzeit.
Ricsi’s Rezepte aus aller Welt
Das Essen selbst wird aus einer Containerküche heraus angeboten. Am vorderen Fenster darf man bestellen, und nach nur wenigen Minuten wird aus dem Fenster der Hinterseite des Containers heraus zum Essenabholen gerufen. Seinen Namen erhält „Ricsi’s – World’s Jewish Street Food“ von seinem Besitzer und Kreativkoch Ricsi. Einer jüdisch-katholischen Familie entstammend bereiste Ricsi viele Jahre die Welt, lebte in Frankreich, Italien und Israel. Nach seiner Rückkehr arbeitete er unter anderem als Koch im Budapester Restaurant M. Doch den Freigeist reizte die Eröffnung seines eigenen Lokals, und so zog er vor knapp sechs
![Industriecharme trifft Streetart und Blumenkübel: Im ehemaligen Industriehof in der Dob utca 40 kann man stundenlang entspannen, futtern und die Sonne genießen](http://www.budapester.hu/wp-content/uploads/2015/07/39-41_Ricsis-HN-1-300x200.jpg)
Industriecharme trifft Streetart und Blumenkübel: Im ehemaligen Industriehof
in der Dob utca 40 kann man stundenlang entspannen, futtern und die Sonne genießen
Monaten mit seiner Straßenküche in der Dob utca 40 ein. In seinem überschaubaren Menü hat Ricsi Rezepte aus Israel, New York und anderen Teilen der Erde gesammelt, denen er eine ungarische Note verpasst hat. Da wäre beispielsweise der Luganega Hotdog: eine mit Rindfleisch zubereitete Wurst mit arabischen Gewürzen, nach jüdischer Art, aber mit der enthaltenen Kolbász-Variante mit ungarischem Einschlag. Erstaunlich harmonisch ist die Mischung aus Hackfleisch mit Koriander, Nelke, Muskat, einem Hauch Zimt sowie einem Schuss Wein. Serviert wird das Ganze im Brot an einer würzigen Tomaten-Koriander-Soße.
Mit Taboulé durch den Sommer
Ein Muss ist auch das Rindfleisch-Sandwich, das den mutigen Namen „The World‘s best Sandwich“ trägt. Das saftige Rindfleisch zwischen den zwei Brothälften wurde für Stunden in einer Rosmarin-Rotweinsoße gegart. Gepaart mit Tomaten, kleingehackten Essiggurken und Salat ergibt sich eine explosive Würzmischung für den Gaumen. Auch das Sandwich wird in einem frischen Brot serviert. Wie Ricsi beim Interview mit der Budapester Zeitung vorführt, verwendet er keine Fertigprodukte. Im hinteren Teil des Hofes gibt es eine zweite versteckte Containerküche, in der Ricsi in zwei großen Öfen nicht nur den ganzen Tag frisches Brot nach eigenem Rezept backt, sondern auch die Röstzwiebeln für einige seiner Gericht frisch zubereitet.
An Tagen, an denen das Thermometer über 30 Grad klettert, ist jedoch der gekühlte und erfrischende Taboulé-Salat die beste Wahl. Taboulé besteht traditionell aus Petersilie und Bulgur sowie Tomaten, Gurke, Minze, Zitronensaft und Gewürzen. Doch auch hier gibt Ricsi dem Gericht eine besondere Note, indem er den Saft einer frischen Orange und Granatapfelkerne hinzufügt. Besonders letztere machen Ricsi‘s Taboulé zu einem besonderen Geschmackserlebnis, entledigen sich die Kerne doch erst beim Draufbeißen ihres fruchtigen Geschmacks.
Im Bereich der Desserts greift Ricsi auf die kulinarische Trickkiste seiner jüdischen Großmutter zurück. Neben Mohnnudeln lockt hier eine Süßspeise von Großmama Vogel mit dem zunächst merkwürdigen Namen „Barátfüle“ (zu deutsch: „Das Ohr des Freundes“). Schnell klärt sich auf, dass die aus Kartoffelteig gebackenen, mit Pflaumenmus gefüllten und mit angebratenen Semmelbröseln bestreuten süßen Ecken, Gott sei Dank, nur in ihrer Form an eine Ohrmuschel erinnern.
Auch wenn Ricsi’s Gerichte schnell serviert und fertig zum Verspeisen sind, so möchte man dem Hof den Fastfood-Charakter fast absprechen. Denn hier kann man zwischen einem erfrischenden Taboulé-Salat, saftigen Sandwichs und süßen, pflaumenmusgefüllten Desserts rasch ein paar Stunden am späten Nachmittag verbummeln. Am frühen Abend, wenn sich das Lokal langsam füllt, droht sich die Verweildauer durch die ebenfalls im Hof gelegene Bar Rácskert sogar zu verdoppeln: Cocktails und ein Kicker im Freien sind eben einfach eine zu verführerische Option für den Sommer.
Katrin Holtz
Ricsi’s – World‘s Jewish Street Food
Budapest VII. Dob utca 40
Reservierungen unter: +36 30 536 0082
Öffnungszeiten: Montag & Sonntag 12 bis 16 Uhr, Dienstag bis Samstag 12 bis 22 Uhr
Preise
Suppen & Salate: 650 bis 750 Forint
Sandwiches & Hauptgerichte: 850 bis 1.350 Forint
Desserts: 650 Forint