Sommer, Sonne, Urlaub – danach sehnen sich nicht nur die meisten überarbeiteten Stadtbewohner, sondern auch einige Kulturinstitutionen und Bildungseinrichtungen in Budapest. Viele Kulturzentren wie zum Beispiel das Trafó, die Staatsoper, die Brody Studios oder das Ungarische Nationaltheater legen zumindest für einige Wochen eine Sommerpause ein, manche schließen zwischen Juli und September gar ganz die Türen. Wo Sie jetzt noch hingehen können, um Ihre nötige Dosis Kultur zu bekommen, verraten wir Ihnen nachfolgend.
Gerade deutschsprachiges Programm ist im Sommer ein rares Gut in Budapest. Denn auch das Goethe-Institut, die Andrássy-Universität und das Österreichische Kulturforum begeben sich bis auf vereinzelte Veranstaltungen in Sommerschlaf. Fans von Kultur in all ihren Facetten sollten jedoch nicht den Kopf hängen lassen, sondern neue Lokalitäten testen. Denn die ungarische Hauptstadt ist auch im Sommer voller interessanter Kulturprogramme:
Mai Manó Haus – Haus der ungarischen Fotografen (Magyar Fotográfusok Háza – Mai Manó Ház)
Das nach dem ungarischen Kaiser- und Königshoffotografen (1855-1917) benannte Mai Manó Haus geht oft im Schatten des unweit gelegenen Robert Capa Zentrums für zeitgenössische Fotografie unter. Dabei finden auch in dem prachtvollen alten Bau durchgängig hochrangige Fotoausstellungen statt. Noch bis zum 4. Oktober ist hier die Ausstellung „Rarely Seen Photos 3 – André Kertész and Szigetbecse” zu sehen. In diesem dritten Teil der Ausstellungsserie werden Schwarzweiß-Fotografien von André Kertész gezeigt. Kertész (1894-1985) galt mehrere Jahrzehnte lang als stilbildend in der künstlerischen Fotografie. Der Fotograf wuchs in Szigetbecse circa 50 Kilometer südlich von Budapest auf. Nach seinem Tod vermachte er viele seiner Arbeiten und persönlichen Gegenstände an die Gemeinde, die diese in einem Gedenkzimmer ausstellt. Die Ausstellung im Mai Manó Haus zeigt dem Betrachter eine persönliche, selten gesehene Seite von Kertész. Auf vielen seiner Fotografien sind Familienmitglieder oder intime Momente zu sehen.
Übrigens: Wer „Mai Manó“ Eins-zu-Eins aus dem Ungarischen übersetzt, dürfte einen Lachanfall bekommen, denn zu Deutsch handelt es sich hierbei in etwa um einen „Kobold von heute“.
Emánuel May, wie der Budapester Manó Mai mit richtigem Namen hieß, erwarb das Haus in der Nagymező utca 20 im Jahr 1892 und baute es vollständig zu seinen Zwecken um. Aufgrund seiner guten Verdienste bei Hofe konnte er sich ein prunkvolles Eigenheim errichten, das ihm ebenso als Atelier galt. In den 1990-er Jahren, knapp 70 Jahre nach Mais Tod, wurde hier von der Stiftung für Ungarische Fotografie die Galerie errichtet und das gesamte Gebäude zum Mai Manó Ház beziehungsweise „Haus der ungarischen Fotografen” erklärt.
Budapest VI. Nagymező u. 20.
Müszi (Művelődési Szint, zu Deutsch „Kultur-Etage“)

Hinter der grünen Tür, im obersten
Stockwerk, verbirgt sich das Müszi – und
regelmäßig sonntags
ein Flohmarkt („bolhapiac“).
Veranstaltungsort für Konzerte, Flohmärkte, Spieleabende und Ausstellungen, Kneipe, Club und Aufenthaltsraum in Einem: Im Müszi findet garantiert jeder, der offen für Neues ist, ein Programm, das ihm taugt. Am 17. Juli findet zum Beispiel ein Jazz-Konzert vom rubik.ernő.quintet statt: Ernő Zoltán Rubik (Klavier, Objekte), Lawrence Williams (Saxophon), Bálint Bolcsó (Live-Elektronik), Ernő Hock (Kontrabass, Bassgitarre) und Gergely Kovács (Drums) formten ihr Quintett 2009 in Budapest beim Improvisieren: Höchste Aufmerksamkeit für den Moment und Offenheit ohne jegliche Vorurteile und Hemmungen zeichnen es aus. Die unterschiedlichen Hintergründe seiner Mitglieder – Jazz, freie Improvisation, zeitgenössische Komposition, elektroakustische Musik – stellen eine breite Palette musikalischer Mittel von Grooves über Jazzelemente und Geräuschtexturen bis zu Live-Sampling bereit. Während ihr Debütalbum „Plasms“ noch eigentliche Kompositionen enthält, spielt das Quintett in der Live-Aufnahme „Telling tales – live at JazzaJ“ von 2013 nur noch hundert Prozent freie Improvisation. Seien Sie gespannt, was das Müszi aus den fünf Jazzmusikern herauskitzelt.
Budapest VIII. Blaha Lujza tér 1.
Auróra

Bei Live-Konzerten im Innenhof
des Auróra kommt Stimmung auf
– und auch sonst sind die Räumlichkeiten
hier recht gemütlich.
Ähnlich wie das Müszi lässt sich auch das Auróra in der gleichnamigen Straße nicht in eine Schublade stecken. Ob Ausstellung, Konzert, Diskussionsrunde, Workshop, jüdische Hanuka-Feier oder von jungen Zigeunern geführte Spaziergänge durch den Nyolcker, den VIII. Bezirk – das Auróra ist ein Kulturzentrum im weitesten Sinne. Im Sommer lohnt sich auch ein Besuch tagsüber, um das leckere Mittagsmenü zu kosten oder eine Limonade im Innenhof zu trinken.
Eröffnet hat das Auróra im Sommer vergangenen Jahres in einer 600 Quadratmeter großen Privatimmobilie. Dies erlaubt dem Kulturzentrum, im Programm unabhängig und flexibel zu sein. Finanziert wird das reiche Angebot des Auróra vor allem durch Spenden und Stipendien aus dem Ausland, aber auch zahlreiche Freiwillige helfen mit. Die Motivation, in der Auróra utca 11 eine gute Sache auf die Beine zu stellen, spürt jeder Besucher des Hauses. Die Mitarbeiter sind stets freundlich, das Programm bunt.
Budapest VIII. Auróra u. 11.
www.facebook.com/auroraunofficial
Tat Galéria – Zeitgenössische Kunstgalerie
Die Galerie Tat mag keine Linearität. Hier zählt Abwechslung, Progressivität, Innovation. Ob jüngere oder ältere Künstler – in der Galerie sucht der Gründer und Kunsthistoriker Imre Bretus ständig nach besonderen Kunstschaffenden aus Ungarn, um die hiesige Kunstszene in einer möglichst breiten Facette vorzustellen. Noch bis zum 17. Juli ist es die Gobelinkünstlerin Eszter Kneisz, die in den Räumlichkeiten der Galerie Tat ihre Kunst ausstellt. Das Besondere bei ihr: Kneisz malt oder zeichnet ihre Kunstwerke nicht, sie knüpft sie. Falls Sie nun jedoch an monoton gemusterte Teppiche denken, liegen Sie falsch, denn die Künstlerin erzählt mit Ihren Tapisserie-Bildern ebensolche aufregende Geschichten wie andere in ihren herkömmlich hergestellten, gerahmten Bildern.
Budapest V. Semmelweis utca 17.