Ausländer, die sie erlernen wollen, fürchten sie; Sprachforscher wie Grimm und Ebersberg, aber auch Theatermacher George Bernard Shaw schwärmten von ihrer Regelhaftigkeit und Präzision, im mitteleuropäischen Raum steht sie sprachhistorisch als Einzelgänger da – die ungarische Sprache fasziniert und gibt gleichzeitig Rätsel auf. In dieser Reihe gehen wir einigen von ihnen auf den Grund.
Bereits in den ersten Stunden des Sprachunterrichtes werden Ungarischlerner mit einer der verschrobensten Eigenheiten der ungarischen Sprache konfrontiert. Und zwar dann, wenn es um die Bewegung zwischen zwei Städten geht. Da das Ungarische keine Präpositionen kennt, fehlt es an einem Pendant zum deutschen „Von“ oder „Nach“. Dies wird jedoch elegant und wortsparend durch Suffixe gelöst, die ähnlich der Konjugation nach Kasus ans Wortende angehängt werden. Während ich im Deutschen „von Hamburg nach Berlin fahre“, heißt es im Ungarischen kurz: „Hamburgból Berlinbe megyek.“ Dasselbe gilt für jedwede Bewegung, die in oder aus geschlossenen Räumen hinein- oder hinausführt. Soweit ganz einfach, oder? Weit gefehlt, denn fahre ich wiederum „von Szeged nach Budapest“, sagt der Magyare: „Szegedről Budapestre megyek.“ – verstehe einer die Ungarn!
Geschichte erklärt Suffix
Um der Sache auf den Grund zu gehen, befragten wir Katalin Szloboda, Lehrerin an der Budapester Sprachschule der Sommeruniversität Debrecen. Sie stößt bei ihren Schülern regelmäßig auf dieselbe Frage und beantwortet sie mit einer treffenden Beschreibung des ungarischen Charakters: „Die Ungarn sind ein freiheitsliebendes Volk. In geschlossenen Räumen haben sich die Magyaren nie gern aufgehalten, dafür umso mehr auf offenen Flächen, zum Beispiel auf der Puszta, und das spiegelt sich auch in der Sprache wider.“ Die gebürtige Ungarin erklärt weiter: „Deshalb nutzen wir Ungarn für die Plätze, an denen wir uns heimisch fühlen, also Ungarn und seine Städte, die Suffixe für offene Flächen also -re/-ra, -en/-on/-ön und -ról/-ről.“ In einigen Fällen kann diese Unterscheidung hilfreich sein, wie man am Beispiel der Stadt Velence sieht: Velence ist nicht nur der ungarische Name Venedigs, sondern auch der Name einer kleinen ungarischen Stadt im Komitat Fejér. Je nachdem, welches Suffix man benutzt – ob Velencébe oder Velencére – wird dem Zuhörer klar, ob man jetzt eine Autofahrt von einer oder sieben Stunden (von Budapest aus gesehen) vor sich hat.
Doch gilt das wirklich immer?
Auch nach Kolozsvár in Rumänien (rumäninsch Cluj-Napoca) fährt der Ungar mit der Endung -ra. Ist Ungarisch am Ende gar nicht so regelhaft, wie es vorgibt? Doch auch dafür hat die langjährige Ungarischlehrerin eine Erklärung parat: „Diese Städte gehörten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zum Königreich Ungarn und unterliegen daher auch heute noch den selben sprachlichen Regeln wie andere ungarische Städte.“
Ein paar Ausnahmen gibt es trotzdem: Denn noch wichtiger als Regelhaftigkeit ist den Ungarn die Klangharmonie ihrer Sprache. So werden bei ungarischen Städten, die auf bestimmte Laute wie beispielsweise -r, -ny oder auch -n enden, ebenfalls die Suffixe für geschlossene Räume benutzt. Ein Bespiel dafür illustriert die Fahrt zur Sprachschule nach Debrecen, im Ungarischen: „Debrecenbe megyek a Nyári Egyetemre“. Wen jetzt die Lust gepackt hat, die ungarische Sprache noch besser kennenzulernen, dem sei ein Blick auf den Kurskatalog der Budapester Sprachschule der Sommeruniversität Debrecen geraten – hier können Anfänger bis Fortgeschrittene in Gruppen- und Privatstunden alle Finessen des Ungarischen erlernen.
- Katrin Holtz
Budapester Sprachschule der Sommeruniversität Debrecen
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