Am Dienstag senkte der Währungsrat der Notenbank den Forintleitzins um weitere 15 Basispunkte auf 1,5 Prozent. Das ist der wer weiß wievielte Rekord in Folge. An seinem Ende ist der Zinssenkungszyklus damit aber immer noch nicht angelangt.
Die neuerliche Zinssenkung schien eine abgemachte Sache, bis zum Wochenende brauten sich allerdings Gewitterwolken wegen des Grexit-Szenarios zusammen. Als die griechische Regierung am Sonntag endlich einlenkte, waren die letzten Zweifel verflogen: Am Dienstag wurde der Leitzins um weitere 15 Basispunkte auf 1,5 Prozent gesenkt – ein neuer historischer Rekord. Im vorigen Sommer hatte die Ungarische Nationalbank (MNB) unter Führung von György Matolcsy den Mitte 2012 angetretenen „langen Marsch“ eingestellt, in dessen Ergebnis der Forintleitzins um insgesamt 490 Basispunkte von 7,0 auf 2,1 Prozent gedrückt worden war. Die ungarische Währung notierte in dieser Phase der monetären Lockerung tendenziell zunehmend schwächer, die von den Kritikern befürchteten Währungsturbulenzen blieben hingegen aus. Im Juli 2014 wurde der Zinssenkungszyklus also bei einem Leitzinsniveau von 2,1 Prozent für beendet erklärt.
Ungarn betrat zwar gerade das Neuland einer Deflation, was der Notenbank durchaus weiteren Spielraum nach unten gewährt hätte. Doch nahmen die internationalen Risiken zu; eine Eskalation im Ukrainekonflikt oder ein Austritt der Griechen aus der Eurozone hätte die MNB zu drastischen Antworten zwingen können. Dann würden die ungarischen Währungshüter nur noch hektisch auf die Entwicklung an anderen „Fronten“ reagieren, während sie heute das Heft des Handelns in Händen halten. Sowie sich die internationale Lage einigermaßen entspannte und die Verbraucherpreisinflation bis auf -1 Prozent abtauchte, sahen die Experten um Matolcsy die Zeit gekommen, den Forintleitzins in früher nie gewagte Tiefen zu senken.
Dezenter Preisanstieg erwartet
Das erst in diesem Frühling vorgegebene Ziel von 1,5 Prozent wurde in nur vier Schritten erreicht, weil der Währungsrat nicht wie im vergangenen Jahr jeweils 10, sondern gleich je 15 Basispunkte kappte. Doch damit nicht genug hieß es im Kommentar der Zinsentscheidung vom Dienstag, weitere vorsichtige Zinssenkungen werden dem Erreichen des Inflationsziels dienlich sein. Das mittlere Inflationsziel beläuft sich schon seit geraumer Zeit auf 3 Prozent, doch gilt seit diesem Jahr ein Toleranzintervall als maßgeblich, inner
halb dessen sich das Inflationsziel zwischen 2 und 4 Prozent bewegt.
Nachdem die mittlere Jahresinflation 2014 den historischen Tiefstwert von -0,2 Prozent erreichte, rechnet die MNB unbeeindruckt von der zu Jahresbeginn noch kräftigen Deflation für das Gesamtjahr 2015 laut aktualisiertem Inflationsbericht vom Juni mit einem dezenten Anstieg der Verbraucherpreise um 0,3 Prozent. Da auch der Konjunkturschwung des Vorjahres (mit 3,6 Prozent Wachstum landete Ungarn im europäischen Spitzenfeld) weitgehend hinübergerettet werden kann – die MNB hat ihre Wachstumsprognose für 2015 soeben auf 3,3 Prozent angehoben –, müssen sich die Währungshüter nicht mit inneren Zwängen herumschlagen.
In Europa, Japan und den USA ist gleichermaßen mit einer fortwährenden lockeren monetären Politik zu rechnen, es wird weder Inflationsdruck aufgebaut, noch ist sonderlich dynamisches Wachstum zu „befürchten“. Also wird die MNB – darin sind sich die Analysten heute weitgehend einig – den Zyklus der Zinssenkungen bis 1,3 Prozent ganz sicher nicht beenden. Wie es im Herbst weitergeht, ist momentan natürlich reine Spekulation. Dass die durchschnittlichen Erträge bei der Auktion der dreimonatigen Diskontschatzbriefe in dieser Woche bei einem Prozent angelangt sind, verrät freilich manches über die Stimmung an den Märkten.