Budapests beliebteste Therme ist das Széchenyi-Bad. Wer sich nicht entscheiden kann, ob er einen Bade- oder Partyurlaub machen will, kommt in Budapest voll auf seine Kosten.
Auf dem Dach des alten Gebäudes sitzen sie in der Sonne, rauchen, trinken Dosenbier und beneiden die Badegäste zehn Meter unter ihnen. Die Bauarbeiter im Széchenyi-Bad. Sie kümmern sich um ein paar Fehler in der sonst makellosen dottergelben Fassade des Thermalbads. Heute sind es fast 40 Grad Celsius und es herrscht großer Andrang im Lieblingsbad der Budapester – die Stadt schwitzt.
Auf der anderen Seite der Donau liegt es, im Stadtteil Pest nahe dem Stadtwäldchen. Der neobarocke Palast ist nicht zu übersehen. Ihn einmal zu umrunden dauert ungefähr eine Viertelstunde, Staunen inklusive. Mit seinen 15 Becken gehört das „Szecska“, wie das Széchenyi-Bad liebevoll genannt wird, zu einer der größten Badeanlagen Europas. Und in Budapest ist es genau richtig.
Durch die Kurstadt am Donauufer sprudelt schon seit tausenden Jahren Thermalwasser aus heißen Quellen, zumindest im Westen der Stadt. In Pest musste erst danach gebohrt werden. Das dauerte ganze zehn Jahre. 1878 wurde man endlich fündig. Etwas mehr als dreißig Jahre später begannen die Bauarbeiten am Széchenyi-Bad, bis das Thermalbad im Jahr 1927 fertiggestellt wurde. Im ovalen Innenhof findet der Besucher die drei Außenbecken. Eins ist für Schwimmer, inklusive Badekappe bitte, und liegt in der Mitte der zwei 38 Grad warmen Bassins. Rechts gibt’s wohltuende Sprudel, links einen Strömungskanal. Im Inneren liegen zwischen Stuck und hohen Decken zwölf kleinere Thermalbecken und Saunen. Das bis zu 74 Grad heiße Wasser kommt aus einer Tiefe von 970 Metern. Hier wird der Einfluss römischer Badekultur sichtbar, ebenso wie die von den Griechen übernommenen Wannenbäder oder Saunen, Schwitzräume und Tauchbecken, die an Finnland erinnern.
Dank einer Verwerfung in der Erdkruste, da wo die Budaer Berge und die Große Tiefebene aufeinander stoßen, haben die 1,7 Millionen Einwohner Budapests mehr Thermalwasser als die 40 Bäder der Stadt fassen können. Durch diese Spalte steigen aus der Tiefe mehrere Millionen Liter Heilwasser pro Tag. Die Römer waren die ersten, die vor 2000 Jahren das mineralhaltige, heiße Wasser zu schätzen wussten. Sie errichteten am Donauufer die ersten Thermen. Die türkisch-osmanischen Besatzer beherrschten Ungarn im 16. und 17. Jahrhundert und brachten neben Krieg und Zerstörung auch ihre Badekultur nach Budapest. Das vereint sie, die Besucher im Széchenyi-Bad. Das Zelebrieren der Badekultur, das Treffen von Freunden, und natürlich nebenbei die Linderung von Beschwerden durch das Heilwasser.
Eine der schönsten unter den vielen Skulpturen im Széchenyi-Bad ist „Leda mit dem Schwan“. Rubens malte sie, Michelangelo auch. Und für das Széchenyi-Bad schuf sie der ungarische Bildhauer Dezső Lányi. Leda war schon immer ein erotisches Motiv. Man erzählt sich Geschichten, beruhend auf der griechischen Mythologie. Über Zeus, der Leda liebte. Und sich ihr in der Gestalt eines Schwans genähert und sie geschwängert haben soll. Schwanger sollte man das Thermalbad besser nicht betreten. Leda steht auch außerhalb des heißen Beckens auf einem Sockel, den Schwan zwischen den Beinen.
Drinnen hält sich heute kaum einer auf, die Sonne knallt, das Bier auch. Viele Touristen, viele Hautfarben. Sie entspannen auf den Stufen am Rand des Beckens. Die Schachspieler -das Postkartenmotiv ganz real, schützen die kahlen oder grauen Köpfe mit Baseballkappen. Umgeben von Genießern fühlt der Besucher sich trotz des Andrangs entspannt. Das warme Heilwasser tut sein Übriges. Vergessen ist der Alltag, der Eintritt von 5.000 Forint auch. Und im Winter, wenn Dampfschwaden über der Stadt aufsteigen und man das „Szecska“ schon von Weitem entdeckt, lautet die Devise: Wer schneller geht, friert kürzer. Überdachte Zugänge gibt es nämlich nicht.
Im April, Mai, Juni, Juli, August, bis September ist die beste Zeit für „Spa-rty“. Das Széchenyi-Bad hüllt sich Samstag nachts in eine ziemlich heiße, betrunkene Dampfwolke. Trip-Hop und psychedelische Musik, passend zu den Laserstrahlen an der sonst so herrschaftlichen Fassade. Vielleicht begründen die einzigartige Mischung aus moderner Musik, die cineastischen Effekte und die historische Atmosphäre den 10.000 Forint hohen Eintrittspreis. Die nächste Party im „Szecska“ steigt am 20. Juni.