Bereits im Februar hielt Viktor Orbán seine jährliche Rede zur Lage der Nation. Doch nun, aus Anlass des fünfjährigen Jubiläums der Regierungsbildung der zweiten Regierung Orbán, hielt es der Premier für angebracht, erneut eine Rede zu halten – und schlug dabei ungewohnte Töne an.
Als wichtigste und auffälligste Erkenntnis dürfte wohl gelten, dass Orbán entgegen seiner sonstigen Gewohnheit bei dieser Rede keineswegs so kämpferisch auftrat wie in den vergangenen fünf Jahren. Kein „Kampf den Nebenkosten“ oder den multinationalen Unternehmen, selbst von Banken oder Angriffen aus Europa auf die Souveränität des Landes war kaum etwas zu hören.
„Viktor Orbán hat bisher noch nie fünf Jahre regiert”
Dabei gab es schon im Vorfeld der Rede Unmut. Zum einen wurde Kanzleramtsminister János Lázár vergangene Woche auf der donnerstäglich stattfindenden Pressekonferenz Kormányinfó (Regierungsinfo) gefragt, warum nur drei Monate nach der letzten Rede zur Lage der Nation eine ebensolche erneut nötig sei. János Lázárs Antwort darauf: „Weil Viktor Orbán bisher noch nie fünf Jahre regiert hat.“ Außerdem sei die Einladung zur Rede von einer Zivilorganisation ausgegangen, und Orbán sei dazu verpflichtet, zu berichten, was er in den vergangenen fünf Jahren erreicht habe. Organisator der Rede war der Bund für ein bürgerliches Ungarn, eine Fidesz-nahe Stiftung. Ebenfalls für Unmut sorgte, dass mehrere regierungskritische Medien unter Berufung auf fehlende Platzkapazitäten keine Akkreditierung erhielten, so beispielsweise das Nachrichtenportal 444.hu, die linke Tageszeitung Népszava, der oppositionelle Rundfunksender Klubrádió und das Satiremagazin Hócipő.
Doch bevor Premier Orbán selbst das Wort ergriff, hielt Ex-Ministerpräsident Péter Boross (1993-1994) eine kurze Rede. Er fand lobende Worte für die dritte Regierung Orbán: „Der Zustand des Landes ist gut, die Regierung funktioniert”. Und er sprach der Regierung Mut zu, sei doch die Wahlschlappe in Celldömölk (er wird wohl Tapolca gemeint haben) kein Weltuntergang. Auch der Urheber der unorthodoxen Wirtschaftspolitik, Nationalbankchef György Matolcsy, trat am vergangenen Freitag ans Rednerpult. Laut dem ehemaligen Wirtschaftsminister ist derzeit der Abschluss des ersten erfolgreichen Fünf-Jahres-Abschnitts in der Wirtschaft zu verzeichnen. Auch die lange Suche eines eigenen ungarischen Weges sei vorbei.
Orbán: „Die Ungarn sind Teil der EU- und Nato-Familie”
Nach Reden von Sozialminister Zoltán Balog und der regierungsnahen Historikerin Mária Schmidt begann Premier Orbán seine Rede mit der Aussage: „Ich stehe hier, inmitten von Problemen.” Dabei seien erste erfolgreiche Schritte bereits gesetzt worden wie beispielsweise das von Sozialminister Balog auf den Weg gebrachte közmunka-Programm (ein staatliches Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen, die gemeinnützige Tätigkeiten zum Inhalt haben). Dass ebendieses Programm allerdings in der vergangenen Woche auf einer Fachtagung der EU scharfe Kritik und das Prädikat „nutzlos, überteuert und am Ziel vorbei” erhielt, ließ Premier Orbán unerwähnt.
Was er jedoch zur Überraschung aller Anwesenden und Beobachter eingestand: „Wir haben Fehler gemacht, wir haben sogar kapitale Böcke geschossen.” Darunter verstehe er beispielsweise die Internetsteuer, welche von der Regierung nach heftigen Protesten fallen gelassen worden war. Orbán weiter: „Ich verspreche, wir werden in Zukunft keine Fehler mehr begehen, aber es ist wichtig, dass die Möglichkeit des Scheiterns uns von der Entscheidungsfindung nicht abschreckt.” Dies wird von Beobachtern als eine neue Richtung der Regierungspolitik gedeutet, die auf mehr Konsultationen mit Interessengruppen und der Wählerschaft (Stichwort Nationale Konsultation) setzt. So müsse die Regierung in Zukunft mehr auf die Menschen und ihre Bedürfnisse Acht geben.
Ebenfalls überraschend für den notorischen EU-Kritiker Orbán war der Satz: „Die Ungarn sind Teil der EU- und Nato-Familie.” Mehr noch, in Zusammenhang mit seinem Eingeständnis, die rechtsradikale Jobbik habe sich zum ernsthaften Konkurrenten des Fidesz gemausert, teilte er mit, er und seine Regierung würden „gegen jeden kämpfen, der einen Austritt aus der EU oder der Nato anstrebt”. Allerdings: Die vergangenen fünf Jahre haben gezeigt, dass zwischen den Worten und den Taten des Ministerpräsidenten nicht immer ein Bezug besteht. Kritische Beobachter warnen deshalb davor, die Äußerungen Orbáns für bare Münze zu nehmen.
„Auch die lange Suche eines eigenen ungarischen Weges sei vorbei.“
aha, sich in die fänge putins zu begeben wird nun als eigener ung. weg bezeichnet.
kein wunder, dass öfter mal betont werden muss, dass:
„Der Zustand des Landes ist gut, die Regierung funktioniert”.
manch andere/r jedoch wendet sich entweder belustigt o eher angewidert ab.
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hier mal eine gute arbeit von 444.hu über die alltäglichen sprachgewohnheiten (magyar hirlap) jenseits der hochglanzveranstaltungen.
Am Sonntag die großen Geschäfte nicht mehr öffnen zu lassen war einer der größten Fehler der Regierung. Ohne das Volk vorher zu befragen, Und sowas nennt man schlicht und ergreifend Diktat. Eine große Menge des Volkes wird sich das gut merken und bei der nächsten Wahl einfliessen lassen. Bei einer Volksabstimmung wäre wohl eine ABSOLUTE Mehrheit für das Offenhalten der Geschäfte eingetreten.
„…war einer der größten Fehler der Regierung.“
genau, was ist dagegen schon die zu machtzwecken genutzte auf hass gebaute bewusste spaltung der gesellschaft?
na, das ist doch nichts gegen die schliessung der geschäfte am sonntag, gell?
also, nur weiter so mit diesem miesen populismus.
ouro.boros, lesen sie sich eigentlich gelegentlich mal durch, was sie schreiben? hm kritisiert die unbeliebte Schließung der Geschäfte am Sonntag und sie fabulieren von Populismus. Es ist für eine Opposition üblich, bei einer Regierung zu bemängeln, wenn diese einfach Maßnahmen durchpaukt, ohne den Willen des „Mannes auf der Straße“ zu respektieren und von Populismus zu faseln, wenn die Regierung das Gegenteil tut-aber beides gleichzeitig bringen nur sie und die offenbar von ihnen bevorzugten Parteien fertig. Es ist kein Wunder, dass trotz der Fehler der Fidesz die Roten, Liberalen und Grünen kein Land sehen: diese Art von Opposition hat sich durch Lügerei, Misswirtschaft und vor allem Unfähigkeit derart disqualifiziert, daß die Unzufriedenen lieber die Jobbik wählen.
schon vergessen? Der miese Populismus kommt von professionellen Sesselpickern, zumeist Politiker