Exklusiv in Kecskemét gefertigt wird der CLA, das erste Modell des 2012 übergebenen Werkes war hingegen die B-Klasse. Diese wird im Fertigungsverbund mit dem Stammwerk Rastatt gebaut; auf diese Weise kann der Mercedes-Konzern flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren. Wir setzten uns ans Lenkrad jenes Autos, das die Marke mit den Worten von Vorstandschef Dieter Zetsche bewirbt, das Beste für Kunden zu geben, die das Beste erwarten.
Mittlerweile 4.000 Mitarbeiter fertigen in Kecskemét im Dreischichtbetrieb drei verschiedene Modelle von Mercedes-Benz an: den CLA, seit diesem Jahr den CLA Shooting Brake und von Anbeginn die B-Klasse. Letztere wird seit 2011 in der zweiten Generation gefertigt, für den neuen europäischen Standort außerhalb Deutschlands bedeutete ihre Montage gewissermaßen das Gesellenstück. Betrat Mercedes mit dem seit 2013 gebauten CLA Neuland, so ging man mit der Verlagerung von Teilen der Produktion für die B-Klasse kein wirkliches Risiko ein. Dieses Auto hatte sich in acht Jahren seit dem Fertigungsstart der ersten Generation im Jahre 2005 weltweit millionenfach verkauft, die zweite Generation wurde in nur drei Jahren an annähernd 400.000 Kunden ausgeliefert – jeder dritte von ihnen hatte vorher keinen Mercedes gefahren. In Deutschland ist der Kompaktklasse-Van aus Stuttgart Marktführer in seinem Segment, überwiegend wird die mittlere Motorversion des B 180 bestellt, wobei sich Benziner und Diesel ungefähr die Waage halten.
Da es sich bei dem Sports Tourer um ein Auto handelt, das beispielsweise Manager mit buntem Anhang und Flottenkunden ansprechen kann, die entsprechend rationale Entscheidungen treffen, dürfte der Kraftstoffverbrauch eine wichtige Rolle spielen. Da sind die Dieselmotoren mit maximal 5 Litern Verbrauch auf 100 Kilometern (nach Werksangaben) natürlich ausgesprochen sparsam, doch erweisen sich auch die Vergleichsbenziner mit einem zusätzlichen Bedarf von höchstens zwei Litern durchaus als effizient. Wir brachten es mit dem kleinsten Benziner (90 kW/ 122 PS) im Test auf knapp sieben Liter – ungefähr einen Liter mehr, als im kombinierten Zyklus vom Hersteller ermittelt –, obgleich wir auf der Autobahn die theoretische Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h nicht einmal ansatzweise aus ihm herauskitzeln wollten und die Start-Stopp-Funktion an den roten Ampeln in Budapest unermüdlich im Einsatz war. Schuld daran war womöglich das Automatikgetriebe, welches den Anderthalbtonner etwas schwerfällig anfahren ließ; richtig geschmiert rollte das Auto erst ab dem 3. Gang und erwartungsgemäß auf Landstraßen, wo sich sein Appetit auf kaum vier Liter drosselte.
Die B-Klasse gilt als perfekte Kombination aus sportlichem Design, beeindruckender Fahrdynamik und unvergleichlichem Fahrkomfort, behauptet der Hersteller. Nun ja, beim Design hat sich jede Menge getan seit dem Modellstart 2005. Um vor allem jüngere Kunden anzusprechen, für die Mercedes abgesehen von Luxus- und Qualitätsanspruch immer einen Hauch des Altbackenen besaß, wurden dynamische Linien für einen sportlichen Kompakt-Van gezeichnet. Ob Kühlermaske, Heckleuchten oder aber das Interieur: Es werden mehr und mehr Details von größeren Modellen der Marke übernommen, was den Abstand zur alten B-Klasse automatisch vergrößert.
Nachdem die Automatikschaltung das Kupplungspedal in den Ruhestand schickte, ist bei der Sternmarke nun auch Schluss mit dem Schaltknauf. Die Wippen anzuklicken ist freilich gewöhnungsbedürftig. Zumal das Lenkrad mit Schaltern mittlerweile extrem überlagert ist. Bei dieser Dichte von Schaltern pro Quadratzentimeter Fläche kann man schnell mal danebengreifen bei der Funktionswahl – ob sich das mit wachsender Routine von selbst einspielt? Das Navigationssystem funktionierte einwandfrei, was uns nach dem Vorjahrestest des CLA erwähnenswert erscheint, bei dem die Ungarnkarte immer wieder stockte. Unter den Fahrerassistenzsystemen fällt der Attention Assist als Neuheit ins Auge: Bei Geschwindigkeiten zwischen 60 und 200 km/h wertet das System aktiv über 70 Messgrößen aus und erstellt ein individuelles Fahrerprofil (!), um vor Übermüdung zu warnen.
Seit dem vorjährigen Facelift ist der Monitor über der Mittelkonsole deutlich größer, zuklappen lässt er sich aber weiterhin nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Mercedes an dieser Lösung festhält, denn der Monitor ist sicher nicht das Glanzstück dieses Autos. Der Fahrersitz ist bequem, man sitzt stabil und relativ hoch mit halbwegs anständiger Rundumsicht, die am ehesten hinten raus Wünsche offen lässt. Bedenklich nur, dass der Fahrer das vordere Ende der Motorhaube – den Mercedes-Stern – nicht mehr sehen kann, aufgeopfert auf dem Design-Altar. Es mag aber sein, dass dieser Aspekt im Zeitalter von Einparkassistenten wirklich keine Rolle mehr spielt. Wichtiger sind da kräftig zupackende Bremsen, eine solide Lenkung (mit der gegen Aufpreis erhältlichen Direktlenkung soll das Lenken tatsächlich ein Kinderspiel sein) und ein komfortables, für einen Mini-Van sogar ein wenig sportliches Fahrwerk.
Das Design empfinden die einen als sportlich und zeitlos, ich fand es – wohlgemerkt in der Grundausstattung – eher nüchtern, aber halt funktionell. Man hat vorne wie hinten ein wirklich gutes Raumgefühl, doch hätten es in der Serie getrost ein paar Ablagen mehr sein können. Den Kofferraum mit seinen knapp 500 Litern füllten wir zu dritt mühelos aus, eine Familie mit drei Kindern (denen die Reise auf den hinteren Sitzen wirklich Spaß machen wird) muss überaus rational packen.
Im Fazit ist die neue B-Klasse ein Auto, in dem sich die ganze Familie wohl fühlen kann. Es will keine Bäume ausreißen, sondern kommt solide daher. Seit über zwei Jahren geht es beständig aufwärts mit den Verkaufszahlen bei der Marke mit dem Stern, und daran hat die neu aufgestellte Kompaktklasse enormen Anteil. In Ungarn ist die B-Klasse ab 7,5 Mio. Forint zu haben.