Geht es nach Ex-Premier Ferenc Gyurcsány (2004-2009), sinnt Ministerpräsident Viktor Orbán darauf, seine Partei Demokratische Koalition (DK) „politisch umzubringen“. Im Hintergrund steht ein umstrittener EU-Auftrag für ein aus elf Unternehmen bestehendes internationales Konsortium, an dessen Spitze die Gyurcsány-Firma Altus steht.
Im Vorjahr war das Konsortium von der Europäischen Kommission damit beauftragt worden, im Rahmen der 28 sogenannten Partnerschaftsabkommen und bei rund 300 Infrastrukturprogrammen in den EU-Mitgliedsstaaten im Zeitraum 2014-2020 in beratender Funktion tätig zu sein. Laut Medienberichten bekommt das Konsortium um Altus dafür fünf Millionen Euro aus Brüssel.
Viktor Orbán und der Regierungspartei Fidesz läuft der EU-Auftrag für Altus mächtig gegen den Strich. Der Rechtsexperte des Fidesz, Gergely Gulyás, ließ durchblicken, dass die von Gyurcsány geführte DK durch die EU-Millionen für Altus illegal finanziert werde.
Gulyás dementierte jedoch einen Bericht der regierungsnahen Tageszeitung Napi Gazdaság, wonach der Fidesz erwirken wolle, dass die im Rahmen der staatlichen Parteifinanzierung an die DK fließenden Gelder gestoppt werden sollen. Laut dem Fidesz-Politiker ist ein solches Vorgehen gemäß dem geltenden Gesetz nicht möglich. Deshalb wolle der Fidesz eine Parlamentsdebatte initiieren, bei der die „Unvereinbarkeit“ zwischen Altus und der DK Thema wäre.
Orbán wittert „verbotene Parteienfinanzierung“
Auch Ministerpräsident Viktor Orbán meldete sich in der Causa Altus zu Wort. In herablassendem Ton, der wohl als Seitenhieb gegen seinen Erzfeind Gyurcsány gedacht war (Orbán: „Wie heißt diese tolle Firma?“ Antwort: „Demokratische Koalition.“ Orbán: „Und wie heißt nochmal das Unternehmen?“ Antwort: „Altus.“ Orbán: „Altus, genau.“) machte Orbán darauf aufmerksam, dass die Verquickung von Altus und DK das Problem der „verbotenen Parteifinanzierung“ aufwerfe. Orbán: „In der Geschichte der ungarischen Demokratie ist der jetzige Verdacht beispiellos, wonach eine oppositionelle Partei mit EU-Geldern unterstützt wird.“
Ex-Premier Gyurcsány ließ die Vorwürfe Orbáns und des Fidesz nicht auf sich sitzen. Bei einer Pressekonferenz in Brüssel entgegnete er, dass es völlig „absurd” sei, was der Ministerpräsident und seine Partei suggerierten, sprich eine indirekte Finanzierung der Demokratischen Koalition durch Brüssel.
Gyurcsány sagte, Orbán leide an „Verfolgungswahn” und bedürfe dringend einer „Behandlung”. Der ehemalige Regierungschef wies darauf hin, dass der Schwiegersohn Orbáns, István Tiborcz, bei einer öffentlichen Ausschreibung wohl eine „höhere Gewinnmarge” einstecke als Altus durch den EU-Auftrag. Tiborcz hat eine Firma, die öffentliche Beleuchtungen herstellt. Sein Unternehmen konnte in der Vergangenheit auffallend viele öffentliche Aufträge an Land ziehen.
Dobrev: Orbáns Worte entsprechen nicht der Realität
Die Direktorin von Altus und Ehefrau Gyurcsánys, Klára Dobrev, hatte schon früher erklärt, dass sich die Tätigkeit ihres Unternehmens ausschließlich auf ausländische beziehungsweise internationale Projekte richte. Dobrev stellte auch klar, dass Ferenc Gyurcsány am operativen Geschäft von Altus nicht teilnehme. Auf die jüngsten Vorwürfe Orbáns und des Fidesz reagierte Dobrev scharf. Sie betonte, dass „die Worte des Regierungschefs der Realität nicht entsprechen“, deshalb werde Altus Orbán verklagen. Dobrev fügte hinzu, dass sie und ihre Firma überdies eine Entschuldigung von Viktor Orbán erwarteten.