
Premier Viktor Orbán am Montag bei der Pressekonferenz in Székesfehérvár: „Ich bin für das Amt des Staatspräsidenten nicht geeignet, diese Aufgabe verlangt einen anderen Charakter.“ (Foto: MTI)
„Ich bin für das Amt des Staatspräsidenten nicht geeignet, diese Aufgabe verlangt einen anderen Charakter“, antwortete Ministerpräsident Viktor Orbán in der Stadt Székesfehérvár auf die Frage des Nachrichtenfernsehens Hír TV, ob er sich eventuell um das Amt von János Áder bewerben würde, dessen Mandat 2017 ausläuft.
Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios – bei dem ihm Kanzleramtsminister János Lázár als Ministerpräsident folgen könnte – gab Orbán mit „weniger als null Prozent“ an. Zugleich machte er deutlich, dass er auch nach 2018 weiter Regierungschef sein möchte, denn wie er sagte, sei das Amt des Ministerpräsidenten seine Welt, aus dem ihn einzig die Wähler verdrängen könnten.
Wird es in Ungarn womöglich ein semipräsidiales Regierungssystem geben?
Ungeachtet der jüngsten Worte des Regierungschefs wurde das Thema in der Vergangenheit mehrfach aufs Tapet gebracht. Erst vor einem Jahr berichtete die linksliberale Tageszeitung Népszabadság darüber, dass der Fidesz Ungarn zu einem semipräsidialen Regierungssystem nach französischem Vorbild umgestalten könnte.
Grundlage der damaligen Spekulationen waren Informationen aus Regierungskreisen, wonach Orbán nach der neuerlichen Erlangung einer Zweidrittelmehrheit bei den Parlamentswahlen 2014 in kleinem Kreis darüber gesprochen habe, dass er im Jahr 2017, sprich nach dem Ende der Amtszeit von Staatspräsident János Áder, selbst für das Amt des Staatsoberhauptes kandidieren könnte. Als aussichtsreichsten Nachfolger für das Amt des Premiers nannte die Népszabadság damals Kanzleramtsminister János Lázár.
Der ehemalige politische Emporkömmling und Hoffnungsträger des Fidesz hat in der Zwischenzeit indes viel an politischem Kredit verspielt. Sein hemmungsloses Macht- und Geltungsstreben und seine ins Auge stechenden Luxusallüren missfallen nicht nur oppositionellen Wählern, sondern auch vielen Sympathisanten des Fidesz. Im bürgerlich-konservativen Lager gilt Lázár heute als ziemlich unpopulär, was seine Chancen, dereinst die Nachfolge von Viktor Orbán als Regierungschef anzutreten, deutlich schmälert.
Die Schaffung eines Präsidialsystems in Ungarn wurde schon früher angedacht
Spekulationen über die Umgestaltung Ungarns zu einem Präsidialsystem sind kein Novum. Sowohl der frühere Kanzleramtschef (1998-2002) und heutige Verfassungsrichter, István Stumpf, als auch Viktor Orbán selbst hatten früher über diese Möglichkeit in der Öffentlichkeit laut nachgedacht: Das Präsidialsystem sei nicht nur besser geeignet, Reformen auf den Weg zu bringen, sondern auch wohl effektiver, Konflikte in der extrem polarisierten Gesellschaft Ungarns beizulegen.
Als unwahrscheinlich gilt heute jedoch, dass Orbán das Amt des Staatspräsidenten in seiner jetzigen Form anstrebt: Der Premier gilt als ein äußerst machtbewusster Mensch, mithin dürfte er sich wohl kaum mit der repräsentativen Funktion des heutigen Präsidentenamtes begnügen. Andererseits, so argumentieren einzelne Experten, wäre eine Aufwertung des Amtes des Staatsoberhauptes, gepaart mit der staatstragenden Rolle, die der Präsident des Landes gemäß dem Buchstaben des Grundgesetzes innehat – er verkörpert die „Einheit der Nation“ – Orbán wie auf den Leib geschnitten.