Bereits im vergangenen Jahr stellte sich das Ensemble des Offline:on Theaters die Frage des Gehens oder Bleibens. Doch das Thema ist keineswegs von der Tagesordnung, mehr Menschen denn je verlassen derzeit das Land, um ihr Glück andernorts zu suchen. Die (Luft-)Tänzer, Akrobaten und Schauspieler des Offline:on Ensembles nehmen sich also erneut der Frage an: „Menni vagy maradni?“
Das vom Norwegischen Zivilfonds unterstützte Projekt versucht sich auf verschiedenen Ebenen und vor allem mit unterschiedlichsten Ausdrucksformen der heute immer mehr Menschen beschäftigenden Frage zu nähern. Hinter der künstlerischen Umsetzung steht jedoch mehr als nur der Wunsch zu unterhalten. „Wir haben im Vorfeld mit Gesellschaftswissenschaftlern das Problem der Auswanderung analysiert und gemeinsam versucht, dieses in eine künstlerische Form zu bringen, die Menschen unterhält, aber auch zum Nachdenken anregt“, erklärt Ágnes Simor, Regisseurin des Stücks.
Bewegende Bewegungen
Und wie kann nun das gesellschaftliche Problem des Braindrain akrobatisch dargestellt werden? Zum einen wäre da das Kernelement des physischen Theaters, der Akrobatik – die Bewegung. Und davon gibt es viel in „Menni vagy maradni?“ Ein Wohnwagen bildet den Grundstock, der Schweizer Regisseur Ben Glass arbeitet seit Jahren mit dem ausrangierten Mobilheim. Acht Meter ragt der Turm in die Höhe, auf dem die Artisten Ilka Bardóczy, Geret Kiss, Sophie Zoletnik, Balázs Orbán, Márton Vincze und Ben Glass selbst allerlei Akrobatisches und Waghalsiges darbieten. Ihre Charaktere sind dabei so unterschiedlich wie die Gäste eines Fluges von Budapest nach London: Der Hippie sitzt neben dem Mafioso, während der Tourist den Blick nicht von der leicht bekleideten käuflichen Schönheit neben sich nehmen kann und der Student philosophiert, ob er sich nicht dem Straßenmusiker anschließen sollte. Die Fragen rund um das Auswandern sind vielfältig: Soll ich gehen oder bleiben? Wenn ich gehe, wohin? Wenn ich bleibe, wie weiter? Was wird mit meiner Familie, die zurückbleibt? Die Künstler des Offline:on Theaters nähern sich der Frage aus allen – also wirklich allen Richtungen, denn der zum Bühnenbild gehörende acht Meter hohe Turm wird ebenso bespielt wie der Boden vor dem Turm oder die Wand des angrenzenden Hauses. Während des Stücks können die Besucher ein Stück des Lebens der Protagonisten miterleben und sich von ihnen zum Nachdenken anregen lassen. Was zum Beispiel mag dem erlebnishungrigen Studenten durch den Kopf gehen, wenn er an einem Seil die Hauswand vertikal entlangläuft, springt und rotiert? Oder der jungen Dame mit der spärlichen Bekleidung, wenn sie die Gesetze der Gravitation schlicht außer Acht lassend ihr Können an einer Stange beweist? Doch neben all den dramatischen persönlichen Schicksalen, die hinter der Entscheidung stehen mögen, das Land zu verlassen, darf auch der Humor beim Offline:on nicht fehlen, und so gibt es auch in „Menni vagy maradni?“ immer wieder Szenen, die das Publikum herzlich lachen lassen. Ohne Slapstick, dafür aber mit umso mehr Charme verzaubert das Ensemble seine Zuschauer und lässt niemanden mit allzu finsteren Gedanken zurück.
Menni vagy maradni?
Offline:on Theater
Premiere 27. Mai ab 21 Uhr
Art Quarter Budapest
XXII. Nagytétényi út 48-50
Eintritt kostenlos
Die Vorstellung findet unter freiem Himmel und nach Einbruch der Dunkelheit statt.