Ministerpräsident Viktor Orbán und Parlamentspräsident László Kövér ließen in den vergangenen Tagen mit kontroversen Aussagen mehrfach aufhorchen. Den meisten Staub wirbelte Orbáns Rede in der ostungarischen Stadt Debrecen am Montag dieser Woche auf. Dort sagte Orbán geradeheraus, dass er das örtliche Flüchtlingslager gerne schließen würde.
Dies sei allerdings aufgrund der derzeitigen EU-Regelungen nicht möglich, daher müsse man „diese Schlacht in Brüssel gewinnen“, betonte er bei einem Besuch in der zweitgrößten Stadt Ungarns. Der Premier warf der Europäischen Union vor, Einwanderer förmlich hereinzubitten: „Brüssel will, dass die Leute hierbleiben, die herkommen, beziehungsweise dass noch mehr Leute herkommen. Wir wollen hingegen, dass niemand mehr kommt, und die, die schon hier sind, nach Hause gehen.“
Orbán: „In unserem Herzen ist immer Barmherzigkeit“
Orbán unterschied in seiner Rede zwischen Flüchtlingen und Einwanderern, wobei er das Lager in Debrecen als „Einwandererlager“ bezeichnete. Flüchtlinge würden in Ungarn sehr wohl aufgenommen – „in unseren Herzen ist immer Barmherzigkeit“, formulierte der Premier –, Einwanderer würden hingegen weggeschickt.
Die ungarische Regierung hatte kürzlich eine Bürgerbefragung unter dem Titel „Nationale Konsultation über die Zuwanderung und den Terrorismus“ initiiert. Alle wahlberechtigten Ungarn sind aufgerufen, den per Post zugeschickten Fragebogen mit 12 Fragen auszufüllen und zurückzusenden. Die Aktion wird aufgrund ihrer tendenziösen Formulierungen von der Opposition scharf kritisiert.
Bei der Übergabe einer neuen Fußgängerbrücke über den Fluss Sugovica in der südungarischen Stadt Baja, betonte Orbán am Wochenende, dass die Errungenschaften der vergangenen Jahre „weder dem Zufall noch dem Glück“ zu verdanken seien. Laut Orbán können die Ungarn „Jahr für Jahr, ja sogar Tag für Tag sehen“, wie viel Ungarn sich im Vergleich zum Jahr 2010 entwickelt habe, als seine Regierung das Land am Rande des Bankrotts übernommen hätte.
Kövér: „Die EU ist ein verpfuschtes Institutionensystem“
Parlamentspräsident László Kövér blies in dasselbe Horn wie Orbán. Kövér wies am Wochenende gegenüber dem regierungsnahen Nachrichtensender Echo Tv darauf hin, dass Ungarn und Griechenland 2010 noch auf einem Blatt genannt worden seien. Heute müsse man sich nur anschauen, wo Ungarn und wo Griechenland stehen – der Unterschied könnte nicht größer sein. In Hinblick auf das Thema Einwanderung, sagte der Parlamentspräsident, dass „Europa derzeit nicht existiert“.
Es gäbe zwar ein verpfuschtes Institutionensystem, das den Namen Europäische Union trage, allerdings ähnle es schon seit Langem nicht mehr jener Gemeinschaft, die von den Gründervätern geschaffen worden sei. Von einer „Wertegemeinschaft“ kann keine Rede mehr sein, so Kövér. Der Parlamentspräsident ging auch auf die jüngsten Wahlniederlagen des Fidesz ein (bei den Nachwahlen in den Wahlkreisen Újpest, Veszprém und Tapolca). Laut Kövér hat nicht zuletzt Tapolca gezeigt, dass der Fidesz besiegbar ist. Er warnte die Wähler davor, bei den Parlamentswahlen 2018 ihre Stimme der Jobbik zu geben. Dies wäre für Ungarn höchst gefährlich, sagte er.