Nein, es gibt dieser Tage noch immer keine Ruhe. Premier Viktor Orbán hat mit seinem Einwurf, die „Frage der Todesstrafe muss auf der Tagesordnung bleiben“, ein Paradebeispiel des Agenda Settings geliefert – ein unbekannter Karikaturist reagiert nun mit einem optisch perfekten Konter.
„Bis dass die Todesstrafe euch scheidet“ – mit diesen Worten wird die EU mit Ungarn von einem Pastor getraut. Was 2004 als Liebesheirat begann, denn mehr als 80 Prozent der Wähler stimmten damals bei einer Volksabstimmung für den Beitritt, scheint heute mehr ein Gezänk und Gezeter, wie man es sonst aus Filmen kennt. Während die Worte Orbáns in der EU auf die Goldwaage gelegt werden und heftige Reaktionen auslösen, wird jede Reaktion in der EU von der ungarischen Regierung als Angriff gewertet. Unwillkürlich fühlt man sich an einen schlechten Sketch erinnert, in dem ein Paar sich nach dem Satz „Liebling, reichst du mir bitte das Salz?“ so hochschaukelt, dass es zur Scheidung führt. Tatsächlich ist mit diesem Bild alles gesagt. Denn selten kokettierte Premier Orbán so offen mit seiner Anti-EU-Haltung wie mit dem Gedankenspiel der Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Budapester Zeitung hat sich in den vergangenen Wochen ausführlich dem politischen Flirt mit der radikalen Rechten gewidmet, aber noch immer ist nicht klar, was sich eigentlich dahinter verbirgt. Denn auch die Kommunikation seitens der Regierung hat sich verändert: Von „Jedes Land muss selbst entscheiden können, was es tut“ zu „Man wird ja wohl noch darüber reden dürfen“. Zu Recht stellt László Szily vom Blog Cink die Frage, ob denn dann auch demnächst über die Lockerungen des Pädophilie-Verbotes oder der Beschneidung von Frauen „geredet“ werden sollte. Es gibt, so die einhellige Meinung, einfach Grundwerte, die unantastbar sind. Ein Rütteln daran ist einerseits abwegig, andererseits ein weiterer Beweis dafür, dass Viktor Orbán, der einst die kleinsten Stimmungsschwankungen in der Gesellschaft wahrnahm, sein feines Sensorium offenbar verloren hat.