
Offene Worte: Ex-EU-Ratspräsident José Barroso kritisiert seinen EP-Parteikollegen Viktor Orbán überdeutlich. (Foto: MTI EPA)
Was ist nur mit dem Fidesz los? Der Vorstoß von Premier Viktor Orbán überraschte viele Ungarn. Doch war es nicht das Thema selbst, das überraschte, sondern der Zeitpunkt. Nach dem brutalen Mord an einer Verkäuferin in einem Tabakgeschäft in Kaposvár hatten sich die Parteioberen darauf verständigt, die Wiedereinführung der Todesstrafe ins Gespräch zu bringen. Allerdings sollte dabei zuerst ein „betroffener“ Politiker, sprich ein Abgeordneter aus der Region Kaposvár, die Diskussion ins Rollen bringen, so schreibt es das Nachrichtenportal Index unter Berufung auf gut informierte Regierungskreise. Diese Pläne wurden jedoch unerwartet von Regierungschef Viktor Orbán höchstpersönlich durchkreuzt, als er sich in Pécs zur Thematisierung der Todesstrafe hinreißen ließ.
Dass die Debatte gewollt war, scheint klar, immerhin dürften die Juristen innerhalb des Fidesz sich durchaus bewusst darüber gewesen sein, dass solange Ungarn in der EU ist, die Todesstrafe nicht machbar ist. Auch Ex-EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso äußerte sich zur derzeitigen Diskussion in Ungarn. In einem Exklusiv-Interview mit dem linken TV-Sender atv fand er klare Worte: „Innerhalb der Europäischen Union ist die Wiedereinführung der Todesstrafe ausgeschlossen.“ Barroso sprach außerdem davon, das Verbot der Todesstrafe ist eine Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft in der EU, es ist Bestandteil der Grundrechtscharta. Die Debatte darüber sei längst geschehen und abgeschlossen und das müsste auch jedem Mitgliedsstaat – schon als Beitrittskandidat – klar gewesen sein.
Doch auch innerhalb des Fidesz gibt es keineswegs nur Zustimmung zu den Gesprächsofferten des Regierungschefs. Die bis dato offenste Kritik übte Zoltán Pokorni, ehemaliger Bildungsminister und heutiger Vorsitzender des Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsausschusses. Auch er sprach im Fernsehsender atv über die Einführung der Todesstrafe, vielmehr über deren Unmöglichkeit. Bei der Debatte um das 2012 in Kraft getretene Grundgesetz hätte man dieses Thema diskutiert, mit der Entscheidung, in Ungarn ist die Verschärfung des Strafrechts dahingehend unmöglich. Pokorni nahm kein Blatt vor den Mund, als er sagte: „Ich denke, die Todesstrafe ist barbarisch, ich unterstütze dies keinesfalls, und ich hoffe sehr, dass es auch weiterhin in Ungarn keine staatliche Tötung von Menschen geben wird.“
Alles nur heiße Luft?
Nachdem auch Kanzleramtschef János Lázár bereits versucht hatte, die Gemüter zu beschwichtigen und vehement darauf beharrte, dass Viktor Orbán nur eine Debatte anstoßen wollte, äußerte sich auch Tamás Deutsch, Abgeordneter des Fidesz in Brüssel, zum Thema. Der Beauftragte für die Nationale Konsultation in Sachen Internetsteuer bestärkte Lázárs Aussage, auch er wüsste von keinerlei Plänen zur Wiedereinführung der Todesstrafe: „Im Grundgesetz ist festgeschrieben, dass die Ehe die Einheit zwischen Mann und Frau bedeutet und trotzdem sprechen wir über die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. So ist das auch mit der Todesstrafe.“ Außerdem sei Viktor Orbán jemand, der immer ausspricht, was er denkt, so auch dieses Mal. Es ist mehr als zweifelhaft, dass er seiner Regierung damit einen Gefallen getan hat.
Er hat der Regierung sicherlich keinen Gefallen getan. Nichtdestotrotz ist mir ein Politiker, der auspricht, was er denkt, lieber als die weichgespülten Pappnasen, die es im Interesse ihrer Karriere tunlichst vermeiden, sich eigene Gedanken zu machen oder ihre Meinung zu sagen.
In den 60er und 70er Jahren ging es hoch her, wenn Leute wie Wehner, Strauß, Brand usw. aufeinandertrafen. Die vertraten mit Karacho ihre Überzeugungen, weil sie welche hatten.
Heute beklagen wir uns, dass unsere stromlinienförmigen Politiker aalglatt und beliebig sind, keine Kanten und Konturen aufweisen und sich immer an die gerade aktuelle Linie halten. Tanzt ein Politiker aus der Reihe, heißt es dann plötzlich „Der kann das doch nicht sagen! Es war poltisch unklug usw.usw.“
Wozu brauchen wir dann Politiker? Falls Politiker heute nur noch der PC und den Normen folgen dürfen, dann sollten wir die Wahlen ganz abschaffen und das Regieren nicht gewählten Kommissionen, Lobbyisten und Medienfachleuten überlassen.
Als Katholik halte ich mich an die Lehre meiner Kirche, welche die Todesstrafe ablehnt. Aber es kann nicht sein, dass jeder eigenständige Gedanke, jede emotionale Aussage von einer EU auf den Index gesetzt wird, die beste Beziehungen zu Hinrichtungs-Regimen wie Saudi-Arabien, den USA und China pflegt.
Stimmt, Herr Varga. Jedoch ist Ungarn in der EU und muss sich an Verträge halten, zumal die Frage nach der Todesstrafe eine sehr grundsätzliche ist. Orbán provoziert gerne, das ist bekannt – und weiß dabei, was am Ende durchzusetzen ist. Wer aber in einer Familie ist (EU) muss wissen, dass er nicht ständig querschießen kann. Es liegt nahe, dass Orbán heute mit den Themen Todesstrafe und illegaler Einwanderung den Rechtsradikalen Zugeständnisse macht. Er hat sich, bei allen Erfolgen, auf ein gefährliches Terrain begeben. Einige Fideszpolitiker haben reagiert: Die Todesstrafe ist Barbarei (Pokorni Zoltán). Über Barbarei läßst sich eigentlich nicht streiten, über Menschenrechte, wie sie in der internationalen Charta beschrieben sind, auch nicht. Orbán fällt allen Konservativen und Bürgerlichen in den Rücken. Die andern freut,s.
Grundsätzlich kann ich keinem Ihrer Argumente widersprechen. Doch werfen wir einmal einen Blick auf die letzten fünf Jahre.Gelegentlich hat man den Eindruck, dass Ungarn eine Art Versuchslabor war. Die Orbánregierung probiert etwas aus, kriegt dafür mediale Prügel und wenn es klappt, wird dann die ungarische Methode unauffällig und in leicht modifizierter Form von anderen Ländern übernommen (zB. die Besteuerung der Banken, die Beibehaltung enger wirtschaftlicher Beziehungen zu Russland trotz Embargo usw.). Ungarn wurde heftig kritisiert, doch gab es KONKRETE Maßnahmen Brüssels oder einer europäischen Regierung (egal ob sozialistisch oder konservativ!) gegen Budapest? Hat die Politik der Fidesz westliche Investoren abgeschreckt? Doch eher nicht. Das Thema Todesstrafe ist zweifellos ein wahltaktischer Schachzug gegen die Jobbik-aber ist das alles? Die französische Polizei ist schon seit Jahrzehnten dafür bekannt, dass Verdächtige öfter mal durch „Notwehr“ umkommen, besonders wenn es sich dabei um Verdächtige aus Afrika handelt.Und was ist das Drohnenprogramm anderes,als Durchführung der Todesstrafe ohne Verhaftung und Gerichtsverhandlung? Wundern wir uns nicht allzu sehr, wenn die Todestrafe durch die Hintertür und unter anderem Namen in das Haus der Familie EU kommt, wir sind es gewohnt, dass plötzlich etwas „alternativlos“ wird.
Was die Frage der Flüchtlingsströme angeht, ist die politische Entwicklung dabei, den ungarischen Vorstoß zu überholen. Dass die italienische und spanische Polizei sich schon mal zu Brutalitäten gegen Flüchtlinge hinreissen lässt, ist nichts Neues, doch wer hätte vor ein paar Monaten gedacht, dass Soldaten aus EU-Ländern einmal Flüchtlingsboote versenken? Was kommt als nächstes? Etwas bestimmt, denn die EU wird mit absoluter Sicherheit etwas gegen die anschwellenden Flüchtlingsströme unternehmen. Finanziell ist diese Völkerwanderung auf Dauer nicht zu schultern und dass linke Krawallos und kriminelle Strukturen einen Teil der Flüchtlinge integrieren, macht die Sache nicht einfacher. Es werden noch ganz andere Staaten rechte Positionen übernehmen, der Trend war bereits an den Gemeindewahlen in Frankreich und den Wahlen in Großbritannien ersichtlich. Ob Orbán ein Querulant im konservativen Lager oder der Eisbrecher war, wird sich einmal zeigen.
„Ob Orbán ein Querulant im konservativen Lager oder der Eisbrecher war, wird sich einmal zeigen.“
eins von beiden oder keins von beiden?
was ist, wenn er nur jmd ist, der nichts von verantwortungsvoller, politischer verortung seines landes versteht (wie im übrigen auch horthy)?
er nur einfach bereit ist alles zu tun um partner für seinen pávatánc (aufgrund mangelnder moralischer grundlage bleibt ihm nur diese art der „kommunikation“ übrig) zu finden?
Ach ja, Werteste…und wer wäre denn ein verantwortungsvoller Politiker? Fletto-Feri (O.K., er hat die MSZP hingerichtet, dies zumindest war gut für Ungarn)? Gordon, der Insolvenz-Betrüger? Die roten, grünen und liberalen Herrschaften, die das Geld von György und Hillary nehmen, damit Ungarn genauso demokratisiert wird, wie die Ukraine oder Georgien? Oder jemanden von Auswärts, jemanden von der NSA-Zweigstelle in Berlin oder diese Witzfigur in Paris? Welches Land entspricht denn ihren hohen moralischen Ansprüchen? Die USA, wo prozentual mehr Menschen im Knast sitzen, als in jedem anderen Staat der Welt? Einer jener europäischen Länder, wo die Staatschefs solche Nullen sind, dass niemand ihre Namen kennt?
Vielleicht sollten sie mal von ihrem hohen Ross steigen und sagen, was konkret zu tun ist, anstatt nur herumzunörgeln und links von Leuten zu versenden,die ihnen anscheinend das Denken abnehmen.