In unserer Start-up-Serie porträtieren wir erfolgreiche ungarische Firmen, die entweder noch als Jungunternehmen gelten oder als mittlerweile gestandenes Unternehmen ihren Anfang als solches hatten. Diese Woche geht es um das MSC Accessories-Team, das das Moscase entwickelte – die bisher wohl intelligenteste Smartphone-Hülle der Welt.
Die von einigen Nutzer bereits ohnehin mit allen erdenklichen Funktionen, Farben und Fähigkeiten ausgestatteten und personalisierten Smartphones könnten künftig noch funktionaler werden: Eine schnelle Fieber-, Puls-, Herzfrequenz-, Körperfett-oder Stresslevel-Messung zwischendurch gefällig? All dies könnte demnächst jederzeit und überall mit dem eigenen Smartphone erledigt werden, genauer gesagt mit einer Smartphone-Hülle vom Typ Moscase. Laut dem Fachportal TechCrunch ist dieses „wie Batmans Werkzeuggürtel für Ihr iPhone“, für TechNewsToday einfach „die Königin aller Smartphone-Hüllen“.
Zusatzfunktionen für das Smartphone
Während zwischen den Smartphone-Herstellern – ähnlich den Computerherstellern – ein erbitterter und scheinbar ihre ganze Weiterentwicklung bestimmender Zahlenkrieg auf den Ebenen Prozessorleistung, Speicherkapazität, Arbeitsspeicher, Kamera-und Displayauflösung abläuft, will das MSC Accessories-Team den Herstellern zuvor kommen, indem es seine modulare Hülle mit speziellen Sensoren ausstattet. Und das Smartphone so, weitestgehend unabhängig von dem Zahlenkrieg, um die genannten Zusatzfunktionen erweitert.
Das ungarische, jedoch in den USA ansässige Start-up MSC Accessories Corporated pflegt gute Kontakte zur Technischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Universität Budapest (BME), hat dort etwa Teile der ersten Moscase-Prototypen entwickelt und seinen Imagefilm gedreht, Lead Designer Gábor Bálint hat vor Kurzem seinen Abschluss an der BME gemacht. „Vergangenen September kam uns die Idee zur Gründung, dabei waren der heutige CEO, Ákos Balogh und ich die treibenden Kräfte. Zuvor habe ich einen Monat lang nur am Design der Hülle herumgezeichnet, ohne überhaupt zu ahnen, wie viel Technik dort später hineinkommt“, erzählt András Vermes, der Moscase-Projektmanager gegenüber der Budapester Zeitung. Man wollte ein neuartiges Wellness-/Fitness-Accessoire entwerfen, das etwas ergänzt, dass man sowieso gerne bei sich hat und in die Hand nimmt. Zum heute omnipräsenten Smartphone war es dann nur ein kleiner Schritt.
„Fühlende“ Schutzhülle ermittelt Körperwerte
Moscase ist eine mit Elektronik und Sensoren versehene Schutzhülle, die über das Smartphone gestülpt wird. Am oberen Rand befindet sich ein optischer Sensor, wie ihn auch bereits Samsung in seine Top-Geräte einbaut, der etwa für die Temperaturmessung zuständig ist. An den Seiten befinden sich Impedanz-Sensoren, die die Widerstandsfähigkeit der Haut des Nutzers ermitteln und hieraus verschiedene biometrische Daten wie das Stress-Level oder den Körperfett-Anteil errechnen können.
Je nachdem, wie der Nutzer sein Gerät in der Hand hält, werden andere Sensoren aktiv beziehungsweise. kann der Nutzer intuitiv andere Daten über seinen körperlichen Zustand abrufen. Mit Moscase kann neben den bereits genannten Werten auch die Körpertemperatur, die Sauerstoffkonzentration im Blut, aber auch das Bioresonanz-Niveau ermittelt werden. Ergänzt wird die smarte Hülle zudem durch eine App, die auf den gemessenen Werten beruhend Tipps für einen gesunden Lebensstil bzw. für die Verbesserung der Werte gibt. Laut Vermes befinde sich die App noch in der Beta-Version, werde aber ständig weiterentwickelt.
Kickstarter-Kampagne läuft
Der vielversprechende Mix aus Technologie und Medizin soll noch in diesem Jahr für Besitzer des iPhone 6 beziehungsweise. iPhone 6 Plus verfügbar sein. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Online-Geldsammelkampagne auf der bekanntesten entsprechenden Plattform, Kickstarter. Das ungarische Jungunternehmen um Vermes und Balogh benötigt nach eigenen Angaben 150.000 US-Dollar, um mit seiner Innovation auf den Markt zu kommen, die Kampagne läuft noch bis zum 11. Mai (laut Vermes soll Moscase aber in jedem Fall auf den Markt kommen, genug Nachfrage bestehe). Ein Moscase soll später 179 Dollar (ca. 42.000 Forint) kosten – was auf den ersten Blick für eine Hülle überteuert erscheinen mag, doch bei den vielen Funktionen vielleicht sogar angemessen ist – und in acht verschiedenen Farben erhältlich sein. Da den Entwicklern laut eigener Aussage Design sehr wichtig ist, entwarf man ein eher zurückhaltendes, „um das des Smartphones nicht zu ruinieren“. Bei genug Nachfrage soll hernach auch mit der Entwicklung einer Android-kompatiblen Version begonnen werden.
Die Rückseite der Moscases bleibt übrigens offen, denn mit der schlauen Hülle alleine begnügen sich die Entwickler nicht: Als Erweiterung für die Moscases werden fünf spezielle Handy-Rückschalen erhältlich sein, die dem geliebten Smartphone nochmals weitere Zusatzfunktionen verpassen. So soll man die Akkulaufzeit mit einer eingebauten Solarzelle (Collector genannt) oder gar einem weiteren Akku (Booster) verlängern, einen zusätzlichen Lautsprecher (Rocker), weiteren Speicherplatz oder gar ein Alkoholmessgerät (Breathanalyzer) installieren können. Doch auch ein hinterer, zweiter E-Papier-basierter Bildschirm (Reader) – so wie ihn Wladimir Putins Lieblingshandy der russischen Firma YotaPhone verwendet – sei möglich. Die Rückseiten sollen 69 Dollar (ca. 20.000 Forint) kosten. Je nach Höhe der Unterstützung bei Kickstarter gibt es zusätzliche Geschenke: ab 15 Dollar ein Moscase-T-Shirt, ab 29 Dollar einen Moscase-Kapuzenpullover, ab 59 Dollar die Moscase-Rückschale, darüber hinausgehende Beträge werden mit kombinierten Geschenke-Sets honoriert.
Die Kickstarter-Aktion habe dem Projekt bereits jetzt geholfen, so dessen Manager, man habe eine große Bekanntheit erreicht, sowohl bei künftigen Privatkunden als auch amerikanischen Business-Partnern. So habe man etwa bereits jetzt vor dem Verkaufsstart von Apple die offizielle Erlaubnis erhalten, um als dessen Zubehör-Hersteller firmieren zu dürfen. Dabei behilflich dürfte dem umtriebigen Team seine internationale Aktivität gewesen sein: einerseits wollen sie ihren Vertrieb international ausrichten, daher soll dieser komplett über ihren Sitz in den USA und in Dollar-Preisen laufen; andererseits findet die Moscase-Entwicklung – da es sich laut Vermes um ein ungarisches Produkt „Made in Europe“ handelt – unter dem Dach der in Grünwald nahe München sitzenden VersaSpa GmbH statt, deren Gründer und Geschäftsführer ebenfalls Ákos Balogh ist.