Es gibt wohl keine andere Gestalt im öffentlichen Leben Ungarns, die so geheimnisumwittert und mysteriös ist wie die Person von Árpád Habony. Laut dem Einflussbarometer der Wirtschaftszeitung Napi Gazdaság ist Habony die „vierteinflussreichste Person des Landes“. Warum? Er ist seit mehr als einer Dekade Intimus und „strategischer Chefberater“ von Ministerpräsident Viktor Orbán. Viel mehr wissen wir allerdings nicht über ihn – zumindest kaum etwas Greifbares.
Doch was haben einzelne Regierungspolitiker zur enigmatischen Person Habonys zu sagen? Der inoffizielle Berater des Ministerpräsidenten, Mihály Babák, etwa antwortete im März 2013 auf die Frage nach dem Aufgabenbereich Habonys: „Ich weiß nicht, von wem die Rede ist.“ (Index). Der wohl besser informierte stellvertretende Vorsitzende der Regierungspartei Fidesz, Lajos Kósa, gab nur so viel preis: „Er ist ein Kommunikationsexperte, der viele Aufgaben wahrnimmt.“ (Index) Ein anderer Fidesz-Politiker, László Tasó, wurde etwas konkreter: „Er ist dabei behilflich, Profile zu konzipieren.“ (Index) Außenminister Péter Szijjártó formulierte fast schon emotional: „Ich habe mit Árpád immer gerne zusammengearbeitet.“ (Index) Doch etwas Handfestes, Konkretes? Fehlanzeige!
Im Dezember 2014 konnte der Privatfernsehsender RTL Klub den dichten Nebel um Árpád Habony etwas lichten, aber nur etwas. Gegenüber RTL Klub äußerte sich der Fraktionschef des Fidesz, Antal Rogán, folgendermaßen über Habony: „Jeder Politiker hat Personen um sich, die ihm mit Ratschlägen und Tipps zur Seite stehen. Es ist kein Geheimnis, dass Árpád Habony so eine Person ist, nicht nur für den Herrn Ministerpräsidenten, sondern für viele von uns.“ Gefragt danach, warum Habony nicht offiziell als Berater tätig sei, antwortete Rogán: „Er hat selbst entschieden, dass er keinen offiziellen Posten einnimmt, was eigentlich für ihn spricht.“
Lázár: „Er ist ein ausgesprochen guter politischer Stratege“
In derselben TV-Sendung sagte Kanzleramtsminister János Lázár, der nach Premier Orbán als zweiteinflussreichste Person des Landes betrachtet wird, dass Habony ein „hervorragender Experte“ sei, der, wenn er richtig informiert sei, sich mit „politischer Strategie“ beschäftige. Auf die Frage indes, ob Habony die Funktion eines Beraters ausübe, konnte Lázár keine genaue Antwort geben. Gleichwohl gab er zu, dass er sich regelmäßig mit ihm treffe und sich nach seiner Meinung erkundige. Zusatz: Er halte jedoch „kein offizielles Verhältnis“ zu ihm aufrecht. Die Konsultationen seien lediglich der „Bekanntschaft“ geschuldet.
Kurze Zeit später verriet János Lázár dem Wirtschaftsmagazin Figyelő weitere Details. Wie er sagte, hat Habony weder mit dem Kanzleramt noch mit der Regierung einen offiziellen Vertrag über seine Beratertätigkeit unterschrieben. Dies bedeute aber nicht, dass es keine Konsultationen gäbe. Lázár weiter: „Ich halte ihn für einen ausgesprochen guten politischen Strategen und höre auch auf seine Meinung. Soweit ich Bescheid weiß, tun das auch andere.“
Apropos politischer Stratege: Laut der Wochenzeitung hvg hatte Habony maßgeblichen Anteil daran, dass der Fidesz im Vorjahr drei Wahlen gewann: die Parlaments-, die Europa-und die Kommunalwahlen. Dem Vernehmen nach steht Habony auch hinter dem aktuellen Vorstoß der Regierung zum Thema Einwanderung, Stichwort „Nationale Konsultation“. Er soll seinerzeit auch die Kampagne „Wir leben schlechter als vor vier Jahren“ im Wahlkampf 2006 ausgeheckt haben – bekanntlich ging diese aber in die Hose.
Rogán: „Árpád ist sowohl Geschäftsmann als auch Berater“
Offenbar hält auch Fidesz-Fraktionschef Rogán große Stücke auf Habony, ist doch zwischen ihm und dem „Berater“ eine echte Freundschaft entstanden. Dies jedenfalls geht aus einem kürzlich veröffentlichten Interview des Fidesz-Politikers mit dem Nachrichtenportal Index hervor: „Sein Verhältnis zu Habony, das seit 2004 bestehe, bezeichnete er als „ausgeglichen“ und „mehr als freundschaftlich“. Zum Status Habonys im Umfeld der Regierung, sagte Rogán: „Árpád ist sowohl Geschäftsmann als auch Berater.“
Dies sind also die schütteren Informationen, die führenden Regierungspolitikern durch diverse Medien entlockt werden konnten. Was diese Politiker mit Blick auf die Antworten vereint: Sie fassen das Thema Habony allesamt mit spitzen Fingern an. Und was sagt Ministerpräsident Viktor Orbán selbst zum „Phantom“ Habony? Auf die Frage eines Journalisten bemerkte er unlängst einsilbig: „Eine Person mit diesem Namen (Habony; Anm.) steht auf keiner Gehaltsliste des Staatsapparates.“ Thema abgeschlossen.
Wie sich Habony seine sündteuren fahrbaren Untersätze (unter anderem ein Lexus) und die kostspieligen Designer-Klamotten samt Gucci-Tasche leisten kann, gibt den Medien Rätsel auf. Offiziell besaß Habony bis vor Kurzem lediglich eine mit einem Startkapital von läppischen tausend Forint gegründete Kommanditgesellschaft (ungarisch: Betéti társaság, kurz: Bt.), die jedoch keine Einnahmen hat. Warum das so ist, darauf gibt es keine Antwort – vorerst.
Habony war anfangs Hüter der Heiligen Stephanskrone
Da Habony keine offizielle Position innehat und mithin keine Person des öffentlichen Lebens ist, hat er sozusagen keine Verpflichtung, den Medien Interviews zu geben, wozu er selbst bisher auch keine Veranlassung sah. Sein letztes öffentliches Statement datiert auf das Jahr 2001 zurück, als er als „Hüter der Heiligen Stephanskrone“ sich über die Besonderheit jenes Glaskastens äußerte, in der sich die Reliquie im ungarischen Parlament befindet.
Doch zurück zum „Geschäftsmann“ Habony, wie ihn Fidesz-Fraktionschef Rogán bezeichnete. In den vergangenen Wochen berichteten die Medien (so auch die Budapester Zeitung) davon, dass er Teileigentümer (50 Prozent) eines neuen Medienunternehmens mit dem Namen Modern Media Group sei. Habony soll einer der Protagonisten und treibenden Kräfte beim Aufbau eines neuen Fidesz-nahen „Medienportfolios“ sein. Der Grund: Seit dem Clinch zwischen Orbán und dem „Oligarchen“ und Medienzaren Lajos Simicska boykottieren der Ministerpräsident und der Fidesz die Medienorgane Simicskas, allen voran die Tageszeitung Magyar Nemzet und den Nachrichtensender Hír TV.
Wieder reibt man sich als Außenstehender die Augen. Unzählige Fragen drängen sich auf, auf die es keine Antworten gibt. Woher hatte Habony das Kapital, um sich mit mehreren Millionen Forint an der Schaffung der Modern Media Group zu beteiligen? Woher rührt es, dass Orbán und der Fidesz Habony derart viel Macht angedeihen lassen, um ein neues regierungsnahes Medienimperium aus dem Boden zu stampfen?
Mit seinen erworbenen Meriten im Bildungswesen hat es wohl nicht zu tun. Habony hat weder einen Universitäts-noch einen Hochschulabschluss. Ursprünglich wollte er Automonteur werden, letzten Endes wurde er Dekorationsskulpteur. Noch zu Beginn der Nullerjahre war er einer von zwei Hütern der Heiligen Stephanskrone im Parlament. Nach der schmerzlichen Wahlniederlage des Fidesz im Jahr 2002 trennten sich Orbán und der Fidesz vom damaligen umstrittenen Spin Doctor der Partei, András Wermer.
Orbán und Habony lernen sich im Jahr 2002 kennen
Laut der Wochenzeitung Magyar Narancs schloss Orbán in dieser Zeit Bekanntschaft mit Habony, der ihm vom Fidesz-Gründungsmitglied und heutigen Europaparlamentarier Tamás Deutsch vorgestellt wurde. Wie Habony sich in das Vertrauen Orbáns einzuschleichen vermochte, weiß niemand, angeblich hat der Premier Gefallen an den bisweilen verqueren und unerwarteten Ideen des extravaganten Beraters gefunden.
Habony gelang es jedenfalls, Orbán in einem Maße für sich einzunehmen, dass er binnen Kurzem nach Gutdünken beim Fidesz ein und ausgehen konnte und zum Chefstrategen der Partei avancierte. Als solcher war er sowohl bei der Schaffung des regierungsnahen Think Tanks Nézőpont Intézet involviert als auch später bei der staatlich unterstützten Aufblähung des ebenfalls Fidesz-nahen Politik-und Wirtschaftsforschungsinstituts Századvég, das heute als Strategieschmiede der Regierung gilt.
Habony der Unangreifbare
Was ferner schwer zu verstehen ist: Warum lässt es die selbsternannte christlich-konservative Regierung zu, dass Habony ihr weiterhin Ratschläge gibt, wird doch sein Lebenslauf seit einigen Jahren von einer Vorstrafe verunstaltet, die es in sich hat. Noch dazu handelte er sich diese zu einem Zeitpunkt ein, als er bereits Berater und Spin Doctor Orbáns und des Fidesz war. Worum es geht: Im November 2006 musste Habony mit einer seiner Luxuskarossen auf einer Budaer Straße stehen bleiben, weil ein älteres Ehepaar diese gemächlich überquerte – laut einzelnen Medienberichten spazierte das Ehepaar sogar über einen Zebrastreifen.
Habony war das Tempo des Ehepaars zu langsam, weshalb er ihnen einige unflätige Worte hin schmetterte. Es kam zu einem Wortgefecht, worauf Kendo-Meister Habony aus seinem Auto stieg und die beiden kurzerhand zu Boden streckte, die Frau angeblich mit einem Tritt in den Bauch. Fünf Jahre später, im Mai 2011, wurde Habony vom Hauptstädtischen Gericht rechtskräftig zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Seiner weiterhin steilen Polit-Karriere und seiner hohen Wertschätzung durch Orbán konnte dies nichts anhaben. Nach wie vor scheint Habony innerhalb des Fidesz generell über jegliche Kritik erhaben zu sein. Und wird er doch einmal öffentlich kritisiert, dann nur sehr vorsichtig und verklausuliert.
Habony, du Sack!
„Orbán und Habony lernen sich im Jahr 2002 kennen“
Ich glaub, ich kenn den Typen. Ich hab ihn im Jahr 2004 an einer Baustelle in Budapest kennengelernt, als ich einen Autofahrer mit Handzeichen zur Raison bringen wollte, weil er mir mit Hupen und nahem Auffahren klarmachen wollte, ich hätte schneller zu fahren. Da stieg dieser aus, nachdem er mich endlich überholt und ausgebremst hatte, und rotzte mir voll ins Gesicht. Leider hatte ich die Scheibe runter.
Habony, lieber Herr Orbán, währe sicher als Verkehrsminister gegeignet, nicht nur als Rotzbub. Wenn Sie wirklich einen Berater benötigen, ich stelle mich gerne zur Verfügung.