Von Miklós Ugró
Schon vor 25 Jahren beschlich mich die Ahnung, dass die hiesige Politik die Rolle der Presse massiv überbewertet. Nein, nicht deshalb, weil die Politiker große Stücke auf die Presse hielten. Ganz im Gegenteil, sie geringschätzten sie schon damals, allerdings trachteten sie danach, aus dem „notwendigen Übel“, das die Presse in ihren Augen verkörperte, das Beste herauszuholen. Hierbei hingen sie der Annahme an, dass ihr Wohl und Wehe maßgeblich von der Presse abhängt.
In den ersten Jahren nach der Wende 1989/90 setzte sich unter den politischen Kräften die Meinung durch, dass diejenigen, die die Kontrolle über die Medien haben, das politische Geschehen beherrschen. Inzwischen befinden wir uns bereits in der siebten Legislaturperiode seit der Wende, und die Parteien glauben immer noch, dass ihr Erfolg und Misserfolg vom Wohlwollen der Medien abhängig ist.
Dies, obwohl sich bereits mehrfach offenbart hat: Die Presse vermag weder Wahlen zu gewinnen noch zu verlieren. Kurzzeitig vermag sie vielleicht irrige und verfehlte Entscheidungen der Politik zu vertuschen, auf lange Sicht jedoch ist sie nicht in der Lage, die öffentliche Meinung mit Verlogenheiten und parteipolitischen Losungen zu „informieren“. Gleichwohl sind die ungarischen Regierungen immerzu bestrebt gewesen, die Medien ans Gängelband zu nehmen. Was sie dabei nicht erkennen wollen: Die von der Politik gesteuerte Presse wirft kaum einen politischen Ertrag ab.
Während die Presse zu Zeiten des real existieren Sozialismus von der Staatspartei MSZMP mit Argusaugen beobachtet worden war, änderte sich nach der Wende schlagartig alles: Das Gros der Presseorgane kehrte der Nachfolgeorganisation der MSZMP, MSZP, den Rücken und wandte sich dem Liberalismus zu. Doch obwohl der überwiegende Teil der Presse liberal orientiert war, wurden die ersten freien Parlamentswahlen vom konservativen Ungarischen Demokratenforum (MDF) gewonnen. Die Triumph des MDF war also ein früher Beweis dafür, dass die Presse nicht allmächtig ist.
Nach seinem Wahlerfolg trachtete das MDF dennoch vier Jahre lang danach, sich die Medien gefügig zu machen, jedoch mit wenig Erfolg. Seine verheerende Wahlniederlage 1994 führte das MDF denn auch auf die geballte Kritik der ihm feindlich gesinnten oppositionellen Presse zurück, die mehrheitlich linksliberal ausgerichtet war. Dies mag zwar glaubwürdig klingen, doch wie ist dann der Wahlsieg des Fidesz 1998 und die damit einhergehende Niederlage der linksliberalen MSZP-SZDSZ Koalition zu erklären, die damals die Unterstützung eines Großteils der Presse genoss? Und wie kommt es, dass der Fidesz trotz linksliberaler Mediendominanz die Wahlen 2010 gewann, noch dazu mit Zweidrittelmehrheit?
Halten wir eines fest: Die politischen Akteure sind leider nicht daran interessiert, die Menschen zu informieren und ihnen Tatsachen zu vermitteln, sondern sie wollen vielmehr ihre Entscheidungen „kommunizieren“, das heißt, in einem für sie positiven Licht darstellen. Worauf die Kommunikation hinausläuft, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: die Realität so zu verdrehen, dass die jeweilige politische Kraft bestmöglich wegkommt.
Die Politiker müssten endlich den Mut aufbringen, die Wahrheit sagen. Dann hätten die Parteien auch kaum Kommunikationsprobleme.
Der hier abgedruckte Text erschien in der bürgerlich-konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar