Bereits seit dem 10. April sprühen im Kiscelli Museum im III. Bezirk die Funken. Mit der aktuellen TESLA-Ausstellung des abstrakten Künstlers Fukui Yusuke werden die Räume des ehemaligen Klosters zum Faradayschen Käfig. Während die Besucher im Innern der verdunkelten Ruinenkirche stehen, toben an den Wänden Blitzgewitter und Funkenstürme.
Bereits seit 24 Jahren lebt und arbeitet Fukui Yusuke in Ungarn. Doch das erste Mal hörte er von dem Land, das rund 9.000 Kilometer weiter westlich von seinem Heimatort liegt, in einem Buchladen in Tokio. „Ich fand ein Buch, das in vielseitigen, detailierten Zeichnungen die Anatomie des menschlichen Körpers darstellte – ich wollte einfach wissen, wo man so eine Technik erlernen kann.“ Bei dem Buch, das es bis in dieses fernöstliche Antiquariat geschafft hatte, handelte es sich um Jenő Barcsays über Ungarn hinaus bekanntes Standardlehrwerk „Anatomie für Künstler“. Der Autor lehrte damals wie heute an der Budapester Hochschule für Bildende Künste.
Daher kam Yusuke 1991 nach Ungarn, um sein in Japan begonnenes Kunststudium an der Budapester Hochschule für Bildende Künste fortzusetzen. Hier studierte er unter anderem mit Tibor Kiss, heute Frontmann der bekannten Rockgruppe Quimby, bei Zoltán Tölg-Molnár, den Yusuke noch immer als seinen Mentor ansieht. Seitdem war der abstrakte Maler in zahlreichen Gruppen-, aber auch Soloausstellungen in Ungarn und ganz Europa vertreten und konnte sich selbst in seiner Heimat Japan einen Namen machen.
Blitze durchzucken das Dunkel
Seine aktuelle Ausstellung TESLA wird in der eindrucksvollen Kulisse des Kiscelli Museums in Budapests III. Bezirk ausgestellt. Die Ruinen des ehemaligen Kirchenklosters bieten die perfekte Szenerie für die elektrisierenden, zumeist großformatigen Gemälde des Künstlers. Schon bei Betreten der Ausstellungsräume wird dem Besucher klar, dass es sich bei TESLA nicht um eine gewöhnliche Ausstellung handelt. Während in anderen Galerien und Museen gerade ein Übermaß an Licht das A und O für die Entfaltung der Wirkung eines Kunstwerks ausmachen, ist es in dieser Ausstellung eher die Abwesenheit desselben, die für die richtige Atmosphäre und Gänsehautstimmung sorgen. Wie Blitze in einem Gewitter springen die spärlich, aber gezielt beleuchteten Werke Yusukes dem Besucher ins Auge. Fast spürbar sprühen in der Dunkelheit der Kirchenruine Funken aus den bis zu vier Meter breiten Leinwänden.
Manche Gemälde der Ausstellung, die in Zusammenarbeit von Magdolna Simon und Péter Bencze kuratiert wurde, erinnern eindeutig an die Anfänge der Elektrizität 1893, als Nikola Tesla, der Namenspatron der Ausstellung, auf einer Weltausstellung mithilfe hochfrequenter Wechselströme, die er durch den Raum schießen ließ, das Publikum in Staunen versetze. Über hundert Jahre später fasziniert uns Elektrizität noch immer. „Ihr wohnt zugleich eine unvergleichliche Schönheit, aber auch Gefahr inne“, so Yusuke. Auf seinen Gemälden schafft er es, diese Faszination auf Leinwand zu bannen. Vor allem die großflächigen Ölgemälde, die zwischen 2014 und 2015 enstanden, zeigen die majestätische Gewalt der Elektrizität, wie sie in der Natur vorkommt und von vielen Völkern als Ausdruck einer Gottheit interpretiert wurde. Hier greift Yusuke auch auf mythische Elemente zurück: So sind einige Werke dem japanischen Gott des Blitzes gewidmet. Weitaus domestizierter wirken hingegen Yusukes kleinere Grafiken aus der ersten Tesla-Serie, die bereits 2011 bis 2013 entstand: Diese zeigen ein feines, fast organisch wirkendes Netz aus elektrischen Funken.
Künstler als Teil der Energiewende
Die Idee für die Ausstellung entstand 2011 vor dem Hintergrund der atomaren Katastrophe in Fukushima. Am Boden zerstört vor Sorge um Verwandte und Freunde in seiner Heimat war Yusuke für mehrere Monate unfähig, den Pinsel in die Hand zu nehmen. Zur sehr habe ihn die schiere Zerstörungskraft, die sowohl von Natur als auch Mensch ausgeht, gelähmt. Yusuke ist Atomkraftgegner. Die Schaffenskrise habe der Künstler genutzt, um sich mit Prinzipien alternativer Energieerzeugung zu beschäfftigen. Gemeinsam mit einem befreundeten Architekten und einem Mathematiker entwarf Yusuke ein Konzept für die energetische Verwendung der unbewohnbar gewordenen, toten Landschaft um Fukushima. Das Projekt unter dem Namen „Fukushima Hybrid Power Field“ sollte, dank einer geschickten Kombination aus Sonnenkollektoren und Windturbinen, in der Lage sein, 45 Prozent des japanischen Energiebedarfs zu decken.
Die Umsetzung der Pläne scheiterte am Fehlen von Kapitalgebern, und Yusuke kehrte noch 2011 zur Malerei zurück. Das Thema Energie beschäfftigte ihn jedoch weiterhin. „Bereits vor sieben Jahren machte mich ein Freund mit Tesla bekannt, doch während meiner Forschung für das Power Field-Projekt stieß ich erneut auf sein Werk“, so der Maler. Fasziniert von der Teslaischen Gedankenwelt habe Yusuke erste Skizzen zu jenen ikonischen Energiefeldern gezeichnet, die die Tesla-Ausstellung im Kiscelli Museum wie ein roter Faden durchziehen.
Katrin Holtz
TESLA Ausstellung (bis 31. Mai 2015) – Kiscelli Museum
Budapest III. Kiscelli utca 108.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr
Eintrittspreise und Anfahrtsbeschreibung unter www.fovarosikeptar.hu